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Kontroverse um Münchens Philharmonie

Klaus Gehrke8. Februar 2015

Mit der Philharmonie am Gasteig in München geht es so nicht weiter. Darüber sind sich alle einig. Doch neu gebaut wird nicht, eine Sanierung ist umstritten. Über neue Konzertsälen wird nicht nur in München diskutiert.

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Konzertsaal der Philharmonie im Gasteig in München (Foto: imago/Stefan M)
Bild: imago/S.M. Prager

"Eine katastrophale Fehlentscheidung", schimpfte die in München lebende Stargeigerin Anne-Sophie Mutter in einem Interview, "das ist die schlechteste aller denkbaren Alternativen." Mit dieser Meinung steht sie nicht allein da: Viele andere Kulturschaffende sowie der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, das BR-Symphonie-Orchester und sein Chefdirigent Mariss Jansons sind empört über Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Dieser hatte Anfang der Woche verkündet, dass die Philharmonie im Gasteig saniert werden solle – und damit alle Pläne für einen neuen Konzertsaal vom Tisch gefegt.

Populär aber ungeliebt

Stargeigerin Anne-Sophie Mutter wünscht sich einen neuen Konzertsaal in München (Foto: JEWEL SAMAD/AFP/GettyImages)
Anne-Sophie Mutter wünscht sich einen neuen KonzertsaalBild: JEWEL SAMAD/AFP/GettyImages

1984 waren die Erwartungen der Münchner hoch, als die neue Philharmonie im Gasteig feierlich eingeweiht wurde. Die Begeisterung hielt sich jedoch von Anfang an in Grenzen; dazu kamen akustische Schwierigkeiten, die Stardirigent Leonard Bernstein nach einem Auftritt zur knurrigen Bemerkung veranlassten, man solle den Saal am besten niederbrennen. Dadurch hinkte die Philharmonie immer etwas hinter den Topsälen in Deutschland und Europa hinterher. Dennoch gaben sich internationale Spitzenorchester und prominente Solisten im Gasteig die Klinke in die Hand. Als Stammhaus der Münchner Philharmoniker ist die Philharmonie heute der wichtigste Konzertbau der Stadt – und vielen Meinungen zufolge restlos überlastet.

"Wir brauchen einen neuen Saal"

Bereits um 2005 gab es in der bayerischen Landeshauptstadt Überlegungen zu einem neuen Konzertsaal. Diese unterstützten nicht nur Mariss Jansons und das Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks, sondern auch der Verein der Konzertsaalfreunde. Sie plädieren für einen Neubau des Odeons, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. "Wir haben hier nur einen einzigen großen Konzertsaal mit über 2000 Plätzen, das ist die Philharmonie, aber wir haben keinen zweiten ähnlich großen Konzertsaal", sagt Manfred Wutzlhofer, der Vorsitzende des Vereins, "das ist aber genau das, was der Standort München aufgrund des riesigen weltweiten Angebots und der Nachfrage von Konzerten verlangt. Die Orchester können sich nicht mehr weiter entwickeln und ihre Programme ausweiten und die bisher rasant gestiegenen Abonnentenzahlen können nicht weiter wachsen." Zudem, so Wutzlhofer, gibt es hinsichtlich der Sanierung, der Gestaltung der Übergangszeit, des Kostenaufwandes und vor allem der Verbesserung der Akustik mehr Fragen als konkrete Pläne und Zahlen.

Noch Ende des vergangenen Jahres schien alles auf einen Neubau hinaus zu laufen; doch mit Seehofers Entscheidung zugunsten der Sanierung sind vorerst alle Träume geplatzt. Nicht nur in der Münchner Kulturszene löste sie kontroverse Diskussionen aus, sondern auch im Stadtrat. Politiker der Grünen-Fraktion zeigten sich enttäuscht; dagegen spricht Fraktionschef Alexander Reissl (SPD) von einer 'guten Lösung': "Es geht ja nicht um einen zweiten Konzertsaal, sondern um einen weiteren", sagt Reissl, "es gibt schon den Herkules-Saal, es gibt die Philharmonie im Gasteig, das sind schon mal zwei." Die Notwendigkeit für einen Neubau sieht er nicht: "Wenn das Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks und die Anhänger des Orchesters glauben, sie brauchen einen dritten, dann will ich mich nicht in die Stadt stellen und sagen, nein, ihr habt Unrecht, ihr braucht keinen weiteren Konzertsaal, da habe ich mich immer rausgehalten. Wenn die wollen, können die sich ja einen Konzertsaal bauen."

Musiktempel als Streitobjekt

Ideen für neue multifunktionale Musiktempel gibt es zwar einige zwischen Flensburg und Garmisch: allerdings sind solche Projekte meist höchst umstritten. Das wohl prominenteste Konzerthaus Deutschlands, die Hamburger Elbphilharmonie, hat bisher nur durch Kostenexplosionen und Verschiebungen des Eröffnungstermins regelmäßig Schlagzeilen gemacht. Das erste Konzert soll zehn Jahre nach Baubeginn 2017 stattfinden. Während hier spektakuläre Architektur verwirklicht worden ist, existiert sie im Falle des Bonner Beethoven-Festspielhauses nur auf dem Papier. Ursprünglich sollte es die Beethovenhalle am Rhein ersetzen, bis die Gegner des Projektes den Erhalt des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes durchsetzten. Nun soll das neue Festspielhaus neben der Beethovenhalle realisiert werden – pünktlich zu Beethovens 250. Geburtstag. Währenddessen schreitet der Neubau des Musikzentrums Bochum, der zukünftigen Heimstätte der Bochumer Symphoniker, zügig voran. Aber auch hier gab es heftige Diskussionen darüber, ob der Saal angesichts der nahen Konzerthäuser in Essen und Dortmund überhaupt sinnvoll sei.

Ein möglicher Entwurf für das neue Beethoven-Festspielhaus in Bonn von Hermann & Valentiny (Bild: Hermann & Valentiny/Luxemburg)
Ein möglicher Entwurf für das neue Beethoven-Festspielhaus in Bonn von Hermann & ValentinyBild: picture-alliance/dpa

Abstieg aus der Weltliga?

Wie es in München weitergeht, scheint auch nach der Entscheidung für die Sanierung der Philharmonie noch nicht ganz beschlossene Sache zu sein. Die Gegner fürchten ganz offen um den guten Ruf der Stadt: "München spielt, was die konzertante Musik angeht, in der Weltliga ganz oben mit und ist ohne lokalpatriotische Übertreibung in der gleichen Riege wie New York, London, Wien und Tokio", findet Manfred Wutzlhofer vom Verein der Konzertsaalfreunde. "Dort finden die ganz großen Konzerte statt und in diesen Städten gibt es auch mehr als nur einen Konzertsaal in dieser Größenordnung." Die Wirtschaftlichkeit des neuen Hauses sei kein Problem, da in München eine große Nachfrage besteht und man zum Teil kaum an Karten komme, sagt der Vorsitzende. Dieser herausragenden Stellung müsse Rechnung getragen werden: "Wenn die Stadt München diese Musikposition nicht verteidigt, steigt sie aus der internationalen Liga ab."