Kopiert und trotzdem nominert
17. März 2010Wer hochgejubelt wird, kann tief fallen. Das musste Helene Hegemann Anfang 2010 erleben. Die junge Berliner Schriftstellerin hatte mit ihrem Debütroman "Axolotl Roadkill" kurz nach dessen Erscheinen für Furore gesorgt. Die 18-Jährige wurde von den Literaturkritikern als sensationeller Überraschungscoup gefeiert.
Doch nicht allzu lange konnte sich Hegemann im Ruhm der Elogen sonnen. Im Februar tauchten erste Plagiatsvorwürfe auf, Hegemann habe sich aus Passagen des Romans "Strobo" des Berliner Bloggers Arien bedient und ein komplettes Lied abgeschrieben. All dies geschah ohne korrekte Quellenangabe. Eine Diskussion entbrannte im Land, über das Urheberrecht und die junge Generation, die durch das Internet nicht mehr sorgsam mit Quellen und Inhalten umgehe.
Jury hält an Nominierung fest
Mit so einem Wirbel konnte die Jury des Preises der Leipziger Buchmesse nicht rechnen, als sie Hegemann Ende Januar auf die Liste der Nominierten setzte. Die Nominierung geschah, noch bevor die Plagiatsvorwürfe publik wurden. Doch auch danach blieben die Juroren bei der Entscheidung, Hegemann im Kreis der Nominierten zu belassen. Die Jury-Vorsitzende Verena Auffermann begründete in zahlreichen Interviews, dass man sich bei Hegemanns Verlag erkundigt habe, dass im Urheberrechtsstreit nun "alles einen ordentlichen Weg" gehe. Der Verlag Ullstein gab ebenso bekannt, nachträglich die Abdruckgenehmigungen für bislang nicht genannte Quellen des Romans einzuholen und der nächsten Auflage ein entsprechendes Verzeichnis beizufügen.
Vor Beginn der Leipziger Buchmesse und der Preisverleihung unterzeichneten Schriftsteller wie Günter Grass, Erich Loest und Christa Wolf eine "Leipziger Erklärung zum Schutz geistigen Eigentums". In der Erklärung äußern sie ihr Unverständnis über die Nominierung von Hegemanns Werk. In der Erklärung heißt es: "Wenn ein Plagiat als preiswürdig erachtet wird, wenn geistiger Diebstahl und Verfälschungen als Kunst hingenommen werden, demonstriert diese Einstellung eine fahrlässige Akzeptanz von Rechtsverstößen im etablierten Literaturbetrieb."
"Plagiat ist nicht hinnehmbar"
Sybille Lewitscharoff, Preisträgerin des Leipziger Buchmesse-Preises von 2009, hat die Nominierung der Nachwuchs-Autorin Hegemann ebenfalls scharf kritisiert. Im Gespräch mit dem MDR sagte sie: "Plagiat und Verfälschung sind keine Kunstformen, die man einfach hinnehmen kann". Ein durch Plagiat entstandenes Werk, wie "Axolotl Roadkill" beschädige den Preis und verrohe die Ware Buch. Ein auf diese Art und Weise entstandenes Werk auch noch für einen seriösen Buchpreis zu nominieren, grenze an Absurdität.
Der Direktor der Leipziger Buchmesse Oliver Zille, begrüßte die Leipziger Erklärung und hofft anhand des Falles von Hegemann auf eine gesellschaftliche Diskussion. "Wir brauchen eine Debatte, die die Zielgruppe der jungen Menschen erfasst, was Urheberrecht überhaupt bedeutet." Dieses Bewusstsein sei in der internetaffinen Generation nicht sehr stark ausgeprägt und in den Schulen unterrepräsentiert, führte Zille fort.
Der Preis wird am 18.März vergeben und ist mit insgesamt 45.000 Euro dotiert. Er soll guten, aber wenig bekannten Werken zum Durchbruch verhelfen.
Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Dеnnis Stutе