"Korea-Gipfel könnten Meilensteine werden"
26. April 2018Jahrelang herrschte Funkstille zwischen Seoul und Pjöngjang. Aufgrund der wiederholten nordkoreanischen Raketentests riss der Dialog zwischen den beiden koreanischen Staaten komplett ab, seit der Amtsübernahme von US-Präsident Trump wuchs sogar die Sorge vor einer militärischen Eskalation. Mit seiner dialogbereiten Politik ebnete Südkoreas Präsident Moon Jae In den Weg für einen innerkoreanischen Gipfel und anschließend für einen Gipfel zwischen US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.
Über die südkoreanischen Erwartungen an beide Treffen und die Lehren aus dem deutschen Wiedervereinigungsprozess sprach die DW mit Keum Chang Rok, seit 2016 Generalkonsul und Leiter der Botschaft der Republik Korea, Außenstelle Bonn.
Deutsche Welle: Jahrelang gab es keinerlei Bewegung im Korea-Konflikt, wie erklären Sie sich die aktuelle Dialogbereitschaft auf allen Seiten?
Die Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang und die gegenseitige Entsendung von Sondergesandten eröffnete die Möglichkeit, die anhaltenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zu reduzieren sowie die Durchführung eines innerkoreanischen Gipfels zu vereinbaren. Es gibt einige Zweifel, ob die drastische Änderung der Haltung Nordkoreas lediglich der Zeitgewinnung für dessen nukleare Entwicklung dienen soll. Wir sollten jedoch die veränderte Haltung nicht aus einem bestimmten Gesichtspunkt beurteilen, sondern uns auf alle denkbaren Situationen und Möglichkeiten einstellen und uns hierauf gründlich vorbereiten.
Als Impuls für den Dialog kann man die sogenannte "Berlin-Initiative" nennen, die Präsident Moon Jae In im Juli letzten Jahres anlässlich seines Deutschlandbesuches vorgestellt hat. In dieser "Berlin-Initiative" legt die Regierung eine schlüssige Nordkorea-Politik dar und strebt positive Antworten von Nordkorea an. Da der Norden mit der politischen Ausrichtung Südkoreas offenbar einigermaßen einverstanden war, hat er auf das Angebot innerkoreanischer Gespräche geantwortet.
Seit den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang entwickelte sich die gegenseitige Erkenntnis, dass eine friedliche Lösung der Konflikte auf der koreanischen Halbinsel im Dialog erzielt werden muss. Es wäre ein historischer Erfolg nicht nur für Korea, sondern auch für den Weltfrieden, wenn das jetzige innerkoreanische Gipfeltreffen sowie der USA-Nordkorea-Gipfel zu einer Denuklearisierung, zur dauerhaften Friedensetablierung und zur Verbesserung der innerkoreanischen und amerikanisch-nordkoreanischen Beziehungen führen würden.
Welche Erwartungen hat Südkorea an die beiden bevorstehenden Gipfel-Treffen?
Der innerkoreanische Gipfel findet im Grenzort Panmunjom innerhalb der demilitarisierten Zone statt, an einem Ort also, der die Teilung und die militärische Konfrontation auf der koreanischen Halbinsel symbolisiert. Angesichts der Tatsache, dass die innerkoreanischen Beziehungen seit langer Zeit unterbrochen waren und sich dadurch verschlimmerten, wird es für Präsident Moon und Nordkoreas Machthaber Kim von großer Bedeutung sein, durch offene und ehrliche Diskussionen gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.
Wir bekommen eine Möglichkeit von unschätzbarem Wert, die Denuklearisierung, eine Friedenslösung auf der koreanischen Halbinsel sowie einen Weg hin zu gemeinsamen Wohlstand in beiden Koreas zu erreichen. Bei den Gipfeln müssen wir hinsichtlich der Denuklearisierung zu einer praktischen Lösung kommen. Unsere Regierung wird alles daran setzen, dass die beiden Gipfeltreffen erfolgreich verlaufen und Nordkorea so den strategischen Entschluss fasst, entsprechende Maßnahmen zur Denuklearisierung einzuleiten.
Wir erwarten vom innerkoreanischen Gipfel, dass er nicht nur die innerkoreanischen Beziehungen, sondern auch die Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea sowie zu den Nachbarländern verbessert. Es wird gewiss ein bahnbrechendes Resultat auch für den Weltfrieden sein, wenn die Denuklearisierung in Nordkorea sowie eine Normalisierung des amerikanisch-nordkoreanischen Verhältnisses erzielt werden. Dazu sprechen wird uns derzeit auf verschiedenen Ebenen eng mit den USA ab.
Präsident Moon wünschte sich vertrauensbildende Maßnahmen, zur Not auch in kleinen Schritten, wie könnten die aussehen?
Im festen Glauben, dass ein Krieg in Korea nie wieder ausbrechen darf, erklärte Präsident Moon Jae In, dass sich die Republik Korea keinen Zusammenbruch Nordkoreas wünscht und dass die Wiedervereinigung weder in einseitiger noch in künstlicher Form erfolgen dürfe.
Die harten internationalen Sanktionen gegen den Norden, die nach wie vor in Kraft sind, begrenzen eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Südkorea und Nordkorea. Nichtdestotrotz wollen wir die "Initiative für die neue Wirtschaftsgemeinschaft" realisieren, die der gesamten koreanischen Halbinsel Wohlstand bringen soll. Wir müssen versuchen, die entsprechenden Voraussetzungen auf der koreanischen Halbinsel zu schaffen, denn ein wirtschaftlicher Ansatz wird nötig sein, um eine friedliche Umgebung zu schaffen. Ernsthafte Diskussionen über eine wirtschaftliche Zusammenarbeit sind aber erst möglich, wenn es tatsächlich wesentliche Fortschritte bei der Lösung der Nuklearfrage gibt.
Parallel werden wir versuchen, den Austausch und die Zusammenarbeit auf nichtpolitischer Ebene konsequent voranzubringen, unabhängig von der politischen Lage. So leben heute noch etwa 58.000 Personen in Südkorea, die durch den Koreakrieg und die Teilung ihre Heimat verloren haben und von ihren Familien getrennt wurden. Aus humanitären Gründen müssen die Treffen der getrennten Familien wieder durchgeführt werden. Auch der innerkoreanische Austausch im Bereich Sport kann eine gute Maßnahme sein, das haben die Olympischen Winterspielen in Pyeongchang gezeigt.
Eine Annäherung durch vertrauensbildende Maßnahmen erinnert an die Ostpolitik von Willy Brandt. Halten Sie einen "Wandel durch Annäherung" in Nordkorea für möglich?
Trotz der unterschiedlichen historischen und politischen Hintergründe zwischen Deutschland und Korea hat Willy Brandts "Neue Ostpolitik" nach dem Motto "Wandel durch Annäherung" für unsere Nordkoreapolitik eine wichtige Bedeutung. Allerdings konnten sich die Deutschen in Ost und West gegenseitig Briefe schreiben oder zum Teil auch besuchen, was bei uns überhaupt nicht möglich ist. Daher wäre es unabdingbar, dass beide Koreas mit der "Politik der kleinen Schritte" gegenseitiges Vertrauen aufbauen und eine Versöhnungsstimmung schaffen.
Kürzlich hat Kim Jong Un bei verschiedenen Anlässen seinen Willen zur Denuklearisierung ausgedrückt. Anders als früher soll er zudem sogar seine Positionen gelockert haben. Daher würde es sich nun lohnen, wenn sich Korea und die internationale Gemeinschaft mit Nachdruck um eine Versöhnung bemühten.
Wir hoffen, dass Deutschland als sogenannter "Vorgänger", der die schmerzhafte Teilung mit uns teilt und eine friedliche Wiedervereinigung erreicht hat, seine wertvollen Erfahrungen mit uns teilt und uns Mut verleiht.
Durch seinen Überraschungsbesuch in Peking hat Kim die verärgerte Schutzmacht China besänftigt und sich gleichzeitig dessen Unterstützung bei anstehenden Verhandlungen gesichert. Wäre eine Wiederauflage der Sechs-Parteien-Gespräche aus Ihrer Sicht das richtige Format für weitere Verhandlungen?
Bei vielen Gelegenheiten, einschließlich des jüngsten Pjöngjang-Peking-Gipfels, hat China eine aktive, konstruktive Rolle gespielt, um Nordkorea zurück an den Verhandlungstisch für eine Denuklearisierung zu holen, und um seinen Beitrag zu einem erfolgreichen Verlauf des innerkoreanischen Gipfels als auch des USA-Nordkorea-Gipfels zu leisten.
Aktuell konzentriert die Regierung der Republik Korea ihre diplomatischen Bemühungen darauf, dass beide Gipfel ein Erfolg werden. Wenn es dort Fortschritt gibt, wären diverse Dialogkanäle möglich.
Keum Chang Rok ist seit Februar 2016 Generalkonsul und Leiter der Botschaft der Republik Korea, Außenstelle Bonn. Für den studierten Germanisten, der 1991 seine Laufbahn beim koreanischen Außenministerium begann, ist dies bereits sein dritter Posten in Deutschland. Er war zudem als Diplomat in Jordanien, Belgien und Österreich tätig und leitete u.a. die Mitteleuropäische Abteilung des Außenministeriums in Seoul.
Das Interview führte Alexander Freund.