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PolitikEuropa

Korruption im EU-Parlament - Vizepräsidentin in U-Haft

11. Dezember 2022

Die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, hat die griechische Europa-Abgeordnete Eva Kaili als ihre Stellvertreterin suspendiert. Kaili sowie drei weitere Verdächtige kamen kurz darauf in U-Haft.

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Eva Kaili
In Brüssel inhaftiert: die griechische Europapolitikerin Eva KailiBild: Eric Vidal/AFP

"Angesichts der laufenden gerichtlichen Ermittlungen der belgischen Behörden hat Präsidentin Metsola beschlossen, alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben, die Eva Kaili in ihrer Eigenschaft als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments übertragen wurden, mit sofortiger Wirkung auszusetzen", teilte ein Sprecher Metsolas mit. Eine endgültige Absetzung Kailis von dem Posten als Vizepräsidentin kann nur das Parlament selbst beschließen.

Die griechischen Behörden froren ihrerseits sämtliche Vermögenswerte Kailis ein. Betroffen seien "Bankkonten, Schließfächer, Firmen und alle anderen Vermögenswerte", teilte der Leiter der griechischen Anti-Geldwäsche-Behörde, Haralambos Vourliotis, mit. Die Maßnahme gelte auch für Kailis Angehörige.

Die belgische Polizei hatte am Freitag in Brüssel wegen des Verdachts der "bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche" mindestens fünf Menschen festgenommen. Neben Kaili, die bisher eine der 14 Vizepräsidentinnen und -Präsidenten des Parlaments war, wurden vier Italiener festgesetzt, darunter Kailis Lebensgefährte Francesco Giorgi, der parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament ist. Dabei geht es um den Verdacht, dass ein Golfstaat - vermutlich das Fußball-WM-Gastgeberland Katar - mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht haben soll, die Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen.

U-Haft für EU-Abgeordnete

Kaili sowie drei weitere Verdächtige wurden derweil in Untersuchungshaft genommen. Zudem wurde die Wohnung eines weiteren EU-Abgeordneten durchsucht, wie die Staatsanwaltschaft in Brüssel mitteilte. Wegen der Vorwürfe im Zusammenhang mit dem WM-Gastgeberland Katar wurden Rufe nach politischen Konsequenzen und Reformen laut, Transparency International kritisierte eine "Kultur der Straffreiheit".

Deutschland Politik l Katarina Barley SPD, Parteitag in Berlin
Die deutsche Europa-Abgeordnete Katarina BarleyBild: Florian Gaertner/photothek/Imago Images

EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley rief Kaili am Samstag zum Rücktritt auf. "Staatsanwaltliche Ermittlungen sind immer so der Punkt, wo man sagt, da kann man als Politiker, als Politikerin auch eine Institution nicht mehr repräsentieren", sagte die SPD-Abgeordnete im deutschen Fernsehen. "Insofern erwarten wir, dass sie von sich aus zurücktritt." Barley und Kaili gehören beide der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament an.

Säcke mit Geldscheinen entdeckt

Nach Informationen der belgischen Zeitung "L'Echo" hatten die Ermittler "mehrere Säcke voller Geldscheine" in Kailis Wohnung gefunden. Die Polizei veranlasste demnach die Durchsuchung der Räumlichkeiten, nachdem sie den Vater der 44-Jährigen mit einer großen Menge Bargeld in "einem Koffer" angetroffen hatte.

Festgenommen wurden zudem der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete und heutige Chef der Nichtregierungsorganisation Fight Impunity, Pier Antonio Panzeri, sowie der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), Luca Visentini. Aus Kreisen der italienischen Regierung wurden der französischen Nachrichtenagentur AFP in Rom zudem zwei weitere Festnahmen bestätigt: Betroffen sind die Ehefrau und die Tochter Panzeris.

Bei den Razzien beschlagnahmte die Polizei nach Angaben der belgischen Bundesstaatsanwaltschaft Bargeld in Höhe von rund 600.000 Euro sowie Datenträger und Mobiltelefone, die nun ausgewertet würden. Am Samstag wurden die fünf Beschuldigten nach Angaben eines Sprechers der Ermittlungsbehörde in Brüssel verhört. Die Festgenommenen sollen an diesem Sonntag vor einem belgischen Richter aussagen.

Katar gerät ins Ermittlervisier

Die Staatsanwaltschaft teilte weiter mit, dass ein "Golfstaat" im Verdacht stehe, "wirtschaftliche und politische Entscheidungen des europäischen Parlaments zu beeinflussen", indem er "beträchtliche Geldsummen zahlt oder erhebliche Geschenke verschenkt". Mit den Ermittlungen vertraute Kreise bestätigten Medienberichte, wonach es sich bei dem Golfstaat um Katar handele. Ein katarischer Regierungsbeamter sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, seinem Land seien "keine Details über eine Untersuchung bekannt". Jegliche "Behauptung eines Fehlverhaltens des Staates Katar" sei unzutreffend.

Deutsche Europaabgeordnete äußerten sich empört über die Vorgänge. Er sei "fassungslos, dass sich offenbar führende Mitglieder des Europäischen Parlaments gegen hohe Geldsummen haben kaufen lassen, um politisch für Staaten zu werben, die Menschen- und Arbeitsschutzrechte mit Füßen treten", erklärte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Der Vorsitzende des Europaausschusses im deutschen Bundestag, Anton Hofreiter, sagte, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiteten - wofür einiges spreche - müsse sich Kaili "nicht nur aus dem Präsidium des EU-Parlaments zurückziehen, sondern auch ihr Mandat niederlegen".

Pasok-Partei verstößt Kaili

Auch Kailis eigene Partei Pasok rief Kaili zum Rückzug aus dem Europaparlament auf. Ein Mitglied der Sozialistischen Partei Griechenlands sagte, in der Partei werde "Druck ausgeübt, damit Frau Kaili ihren Parlamentssitz abgibt". Am Freitag war die ehemalige TV-Moderatorin bereits aus der Partei ausgeschlossen worden. Zudem suspendierte die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament Kailis Mitgliedschaft.

Die ehemalige Fernsehmoderatorin Kaili hatte am 22. November im EU-Parlament gesagt, die Fußballweltmeisterschaft in Katar sei "ein konkreter Beweis dafür, wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Katar sei "führend bei den Arbeitsrechten". Kurz vor der Rede hatte sich Kaili in Katar mit dem katarischen Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri getroffen. Die WM bezeichnete sie in einer Videobotschaft als "großartiges Instrument für politische Veränderungen und Reformen".

Nichtregierungsorganisationen werfen Katar seit Jahren vor, die Menschenrechte hunderttausender Wanderarbeiter aus Asien und Afrika zu verletzen. Auch das Europaparlament kritisierte die WM-Vergabe an den Wüstenstaat vor gerade mal zwei Wochen und verwies auf "glaubwürdige Vorwürfe der Bestechung und Korruption". Die Berichte über die schlechte Behandlung von Wanderarbeitern überschatten die derzeitige Fußball-Weltmeisterschaft in Katar.

kle/ack (afp, efe, dpa)