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PolitikKosovo

Kosovos Mitgliedschaft im Europarat in Gefahr

16. Mai 2024

Während der Europarat sein 75-jähriges Bestehen feiert, bleibt Kosovos Mitgliedschaft unsicher. Trotz eines klaren Votums bremsen Frankreich, Italien und Deutschland den Beitritt wegen ungelöster Konflikte mit Serbien.

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Menschen auf einem Platz in einer Stadt (Pristina)
Straßenszene im Zentrum Pristinas, der Hauptstadt Kosovos, im Hintergrund auf einer Hauswand das Bild des Staatsgründers Ibrahim RugovaBild: Vjosa Çerkini/DW

Vor einem Monat schien die Aufnahme Kosovos in den Europarat, dem höchsten interstaatlichen europäischen Menschenrechtsgremium, greifbar nah. Mit einer beeindruckenden Mehrheit von 82 Prozent stimmten die Abgeordneten der parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg für die Aufnahme des jüngsten europäischen Staates als 47. Mitglied. Diese Entscheidung folgte der Empfehlung der ehemaligen griechischen Außenministerin Dora Bakoyannis, die als Berichterstatterin Kosovos Eignung zuvor geprüft hatte.

Trotz des klaren Votums steht Kosovo jedoch nun nicht auf der Agenda des jährlichen Außenministerrats am 17. Mai. Vor allem die Schlüsselländer Frankreich, Italien und auch Deutschland aus der sogenannten Quint-Gruppe bremsen. Die Quint-Staaten, eine informelle Gruppe, zu der auch die USA und Großbritannien gehören, sind im Konflikt zwischen Kosovo und Serbien seit langem vermittelnd tätig.

Der Grund dafür, dass Kosovo nun vorerst wohl nicht Europarats-Mitglied wird, liegt in einem strittigen Punkt des so genannten Normalisierungsdialogs zwischen Serbien und Kosovo. Dieser Dialog wurde einst von der EU initiiert und wird unter ihrer Ägide geführt, liegt aber seit langem auf Eis. Ein Problem im Dialog betrifft die Schaffung eines Verbandes der serbischen Gemeinden in Kosovo, der die Gesamtheit der Serben im Land vertreten soll. Der Verband ist in Kosovo höchst umstritten, da man befürchtet, er könne zu einer Art Staat im Staat werden. In Anspielung auf die Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina spricht man in Kosovo von der Gefahr einer "Bosnisierung" Kosovos, also einer dauerhaften Lähmung und Spaltung des Landes.

Nur ein kleiner Schritt?

Deutschland und andere Quint-Staaten erwarten jedoch "greifbare Fortschritte bei der Schaffung eines Verbands der Gemeinden mit serbischer Mehrheit", erfuhr die DW auf Anfrage in Berlin. Konkret: Kosovo soll den entsprechenden Entwurf an das Verfassungsgericht des Landes weiterleiten, um dessen Verfassungskonformität zu prüfen. "Es fehlt nur ein kleiner Schritt, dann könnte Kosovo die Zahl der Unterstützer für einen Europarats-Beitritt entscheidend erhöhen", so ein Berliner Regierungssprecher zur DW.

Porträt eines Mannes (Albin Kurti)
Der kosovarische Premierminister Albin KurtiBild: Armend Nimani/AFP

Kosovo lehnt diesen Schritt jedoch ab. Premierminister Albin Kurti betont, dass er keine Bedingung für eine Mitgliedschaft im Europarat sei. Die Frage des Gemeindeverbandes sei Teil des Normalisierungsdialogs mit Serbien, der unter der Schirmherrschaft der EU stattfinde, und dort solle er auch weiter verhandelt werden. Alles andere würde den Dialog gefährden, sagt Kurti der DW.

Aggressive Kampagnen Serbiens

Frank Schwabe, Leiter der deutschen Delegation im Europarat, findet es "falsch, dass man jetzt versucht, durch die Hintertür Ziele zu erreichen, die in den Verhandlungen zwischen Kosovo und Serbien nicht erreicht werden konnten". Andere Experten kritisieren zudem, dass der von der EU geforderte Gemeindeverband auch deshalb nicht umgesetzt werden könne, weil die Bürgermeister der betreffenden Gemeinden aus Belgrad dirigiert werden. "Es fehlt an Zustimmung der beteiligten Gemeinden selbst. Ohne sie wäre die Schaffung eines Gemeindeverbandes nicht legitim und stünde im Widerspruch zur Verfassung Kosovos und den Statuten des Europarats", sagt Gerald Knaus von der European Stability Initiative.

Knaus betont zudem, dass diese Forderung der Quint-Staaten ein Erfolg der aggressiven Kampagne des serbischen Staatspräsidenten Aleksandar Vucic sei, der seit vielen Jahren aktiv versuche, Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen zu verhindern. Auch die Mitgliedschaft Kosovos bei Interpol und in der UNESCO habe Vucic auf diese Weise bisher verhindern können.

Porträt eines Mannes im Poloshirt (Gerald Knaus)
Gerald Knaus, Soziologe, Migrationsforscher und Vorsitzender der European Stability Initiative (ESI)Bild: Dominik Butzmann/photothek/picture alliance

Dass ausgerechnet der EU-Kandidat Serbien, der mit Russland und China stärkere Beziehungen als mit der EU selbst pflegt, so viel Einfluss in der Kosovo-Politik der EU hat, kritisiert auch Oliver Rolofs, Sicherheitsexperte und ehemaliger Kommunikationschef der Münchner Sicherheitskonferenz. "Serbiens von Russland unterstützte aggressive Politik führt zu eskalierenden Spannungen in Kosovo und in Bosnien und Herzegowina. Die EU und die USA reagieren auf diese Aggression bisher mit Appeasement, was die Situation verschärft. Die EU lässt sich von Serbien, einem EU-Beitrittskandidaten, immer wieder vorführen, anstatt klare rote Linien zu ziehen."

Elefant im Raum

Kosovo ist neben Belarus und Russland der einzige europäische Flächenstaat, der nicht Mitglied im Europarat ist, wobei Russland 2022 einem Ausschluss durch seinen eigenen Austritt zuvorkam. Für Kosovo wäre die Mitgliedschaft in einer der ältesten und wichtigsten interstaatlichen Organisationen Europas ein weiterer Schritt zur Festigung seiner Position in der Völkergemeinschaft. Bisher wird Kosovo, das 2008 die Unabhängigkeit von Serbien erklärte, offiziell von 116 Ländern anerkannt, darunter auch von 34 im Europarat.

Aber auch für Minderheiten im Land, darunter die Serben, würde die Mitgliedschaft klare Vorteile bringen. Frank Schwabe erklärt, dass die Serben ihre Rechte bei Bedarf beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einklagen könnten, dessen Entscheidungen für die Mitgliedstaaten bindend sind.

Porträt eines Mannes im gestreiften Hemd (Artan Muhaxhiri)
Der Soziologe Artan MuhaxhiriBild: Privat

In Kosovo wird Premierminister Albin Kurti für seinen harten Widerstand gefeiert. Doch viele Beobachter würden sich mehr Pragmatismus wünschen. Es ist nun ungewiss, ob die Zustimmung in der parlamentarischen Versammlung des Europarats für einen Beitritt Kosovos im kommenden Jahr wieder so groß sein wird, sagt Artan Muhaxhiri, politischer Analyst aus Pristina, der DW. "Die strikte Ablehnung Kurtis könnte negative Auswirkungen auf die Beziehungen zur EU und den Quint-Staaten haben. Und das Paradoxe ist, dass das Problem des Gemeindeverbands immer noch ein Elefant im Raum sein wird. Diesem Problem ständig auszuweichen, würde nur weitere Blockaden bringen."