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Kreuzfahrttourismus auf Santorini: Die überrannte Insel

Sofia Kleftaki (aus Santorini)
10. September 2024

Tausende Touristen besuchen täglich die griechische Insel Santorini. Der größte Teil der Besucher stammt von Kreuzfahrtschiffen. Während die Zahl der Besucher steigt, gerät die Kykladen-Insel zusehends unter Druck.

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Viele Menschen stehen neben Häusern auf einem Berg und blicken aufs Meer
Touristen im Ort Oia auf der griechischen Insel Santorini beobachten den SonnenuntergangBild: Sofia Kleftaki/DW

Die riesigen Kreuzfahrtschiffe lassen die Touristen am alten Hafen von Santorini heraus. Der Kontrast zwischen den gigantischen Schiffen und der kleinen Hafenbucht hat etwas Dramatisches. Es ist kurz vor 18:00 Uhr und immer noch über dreißig Grad heiß. Wasser zur Abkühlung gibt es an einem kleinen Stand gegenüber vom Eingang zur Seilbahn.

Um nach oben, nach Fira, dem pittoresken Hauptort von Santorini, zu gelangen, ist die Seilbahn der schnellste Weg. Einziger Haken: Sie verfügt über gerade mal sechs Kabinen und die können maximal jeweils sechs Personen befördern. Hinzu kommt: Fahrten von und nach Fira gibt es nur alle fünfzehn bis zwanzig Minuten. Die Touristen stehen fast eine Stunde geduldig in der Hitze an. Die Schlange ist hunderte Meter lang.

Ein Schiff liegt im Meer, im Hintergrund Felsen
Ein Kreuzfahrtschiff vor der Insel SantoriniBild: Michael Bihlmayer/CHROMORANGE/picture alliance

Übertourismus ist im gesamten europäischen Mittelmeerraum ein zunehmendes Problem. Doch es gibt einige Gegenden und Orte, die dabei besonders im Fokus stehen, etwa Mallorca, Teile der kroatischen Adria-Küste, Kotor und die gleichnamige Bucht in Montenegro. Oder eben die Inseln Griechenlands, die europaweit am meisten unter Massentourismus leiden. Und unter ihnen wiederum besonders die weltberühmte Insel Santorini. Die Insel mit den weiß-blauen Kuppelbauten und den berühmten Sonnenuntergängen.

Tagestouristen überfluten Santorini 

Hin- und Rückfahrt mit der Seilbahn kosten insgesamt zwölf Euro. In der Kabine ist es noch ruhig und entspannt. Die Aussicht: atemberaubend. Ein junges Paar macht Fotos. Andere bereiten ihre Kameras vor und überprüfen ihr Equipment. Knapp drei Minuten dauert die Fahrt.

Oben angekommen ist die Ruhe vorbei. Die Touristen strömen aus der Seilbahn, um Fira zu erkunden. Die engen Gassen füllen sich in kürzester Zeit mit Menschen. Es herrscht Chaos, von Entspannung keine Spur. Alles muss schnell gehen, denn die Zeit auf der Insel ist für die Tagestouristen der Kreuzfahrtschiffe begrenzt. Und auf der Liste der Wunschorte gibt es einiges abzuarbeiten.

Eine Frau in einem Geschäft mit T-Shirts, Kleidern, Hüten und Schmuck
Flora Danasi, Ladenbesitzerin im Ort FiraBild: Sofia Kleftaki/DW

Direkt gegenüber vom Ausgang der Seilbahn liegt das Geschäft von Flora Danasi. Für die Ladenbesitzerin sind die Touristen der Kreuzfahrtschiffe gerade in dieser Saison besonders wichtig für den Umsatz. Denn im Vergleich zu den Vorjahren hat die Zahl der Besucher, die auf Santorini eine Unterkunft buchen und mehrere Tage auf der Insel verbringen, spürbar abgenommen. Fast 30 Prozent weniger Buchungen verzeichnen Hotels und Unterkünfte in dieser Saison bereits.

"Der Unterschied zu den vergangenen beiden Jahren ist enorm. An Tagen, wo keine Kreuzfahrtschiffe anlegen, ist die Insel gefühlt leer. In meinem Geschäft ist dann nichts los", erzählt Danasi der DW.

Einheimische fühlen sich verdrängt

Ein paar Gassen weiter stehen die Touristen regelrecht im Stau. Für die Verkäuferin Anastasia Vazeou, die in einem Kleidungsgeschäft arbeitet, ist die Zahl der Tagestouristen eine Zumutung. Vazeou ist auf Santorini aufgewachsen und fühlt sich als Einheimische verdrängt.

Eine Frau im seitlichen Porträt vor Kleidern
Anastasia Vazeou, Verkäuferin in einem Kleidergeschäft auf SantoriniBild: Sofia Kleftaki/DW

"Uns wurde geraten, uns zu den Stoßzeiten der Touristen von den Kreuzfahrtschiffen so wenig wie möglich draußen aufzuhalten. Es ist traurig und extrem. Hat der Tourist etwa Vorrang?", fragt sich Vazeou. "Es sind zu viele Menschen. Das hält eine so kleine Insel einfach nicht aus", sagt sie. Parallel zu ihrem Job in dem Kleidergeschäft in Caldera arbeitet sie als Rezeptionistin. Die Gäste erzählen ihr von unendlichen Wartezeiten und stundenlangem Schlangestehen. "Es scheint, als gehe auf Santorini inzwischen Quantität über Qualität."

Lärmbelästigung, Umweltbelastung

Die Menschenmassen sind auch für die Besucher selbst störend. Zum Beispiel für Mona Isazad. Neben den einzigartigen Landschaften und den typischen weißen Kykladen-Häusern nimmt die junge Dozentin aus Irland noch eine weitere Erinnerung aus ihrem Santorini-Urlaub mit. "Als Touristin habe ich das Gefühl, dass die Insel völlig überfüllt ist, überall sind Menschen", sagt sie.

Gemeinsam mit ihrem Mann hat Isazad in der Hochsaison einige Tage auf Santorini verbracht. Dem jungen Paar ist auch der Müll negativ aufgefallen. "Wegen des Massenandrangs scheint der Müll wirklich ein großes Problem zu sein. Vielleicht sollte Griechenland einen Weg finden, die tägliche Anzahl der Menschen auf der Insel zu begrenzen und Maßnahmen ergreifen, um die Natur zu bewahren", sagt Isazad der DW.

Die Beschäftigten in der Hotelbranche klagen zudem über Lärmbelästigung. "Von morgens um acht bis mittags um eins sind die Gassen voll von Touristengruppen. Man kommt kaum durch. Wie die Sardinen in der Büchse", beschreibt Stavros Koukouvelis den Andrang in Oia, im Nordwesten der Insel.

Viele Menschen stehen auf einem erhöhten Platz auf einer Bergspitze einer Insel und blicken aufs Meer und machen Selfies
Touristen auf Santorini beobachten den Sonnenuntergang und machen SelfiesBild: Petros Giannakouris/AP Photo/picture alliance

Koukouvelis arbeitet seit sechzehn Jahren in Oia. Der Ort gehört zu den Touristen-Hotspots - nicht zuletzt wegen des weltberühmten Sonnenuntergangs. Die Apartments befinden sich direkt an der Hauptgasse, die zum Aussichtspunkt führt.

"Die Touristen der Kreuzfahrtschiffe zerstören den Qualitätstourismus. Bereits bei zwei Schiffen ist es ein Problem für uns", sagt Koukouvelis. Für eine Übernachtung in seinen Apartments zahlen die Kunden fast 400 Euro. Nicht selten beschweren sie sich beim Hotelmanager über die Lärmbelästigung durch die Touristenscharen vor der Unterkunft.

Neue Beschränkungen ab 2025

Die Herausforderungen auf Santorini durch den Kreuzfahrttourismus sind nicht neu. Bürgermeister Nikos Zorzos beschäftigt das Thema bereits seit seiner ersten Amtszeit von 2011 bis 2019. Eine Studie der Universität der Ägäis ergab 2018, dass Santorini bis zu 8000 Touristen von Kreuzfahrtschiffen am Tag aufnehmen kann, ohne dass es Probleme verursacht. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Ankunft phasenweise über den Tag verteilt erfolgt.

Ein Mann in einem roten Hemd sitzt an einem Schreibtisch
Nikos Zorzos, der Bürgermeister von SantoriniBild: Sofia Kleftaki/DW

Basierend auf dieser Studie wurde 2018 eine so genannte Berth-Allocation-Regelung eingeführt, eine Liegeplatzzuweisung für Kreuzfahrtschiffe, die in der Praxis gut funktioniert habe, erzählt Zorzos der DW. "Die Besucherzahl wurde jedoch dieses Jahr immer wieder deutlich überschritten." Dies führe nicht nur bei den Einheimischen zu Frust, sondern belaste auch die Infrastrukturen der kleinen Insel. Nicht zuletzt sei es auch für die Touristen eine anstrengende Situation, besonders bei den heißen Temperaturen. Ab 2025 werde die Begrenzung auf 8000 Besucher erneut gelten, sagt der Bürgermeister. "Dieses Jahr konnten wir zumindest die Tage einschränken, an denen mehrere Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig nach Santorini kommen."

Was Zorzos in seiner aktuellen Amtszeit ebenfalls stark beschäftigt, ist die Bebauung der Insel und das Überangebot an Unterkünften. "Diese irrationale Entwicklung der Insel muss aufhören. Santorini braucht kein einziges weiteres Zimmer", sagt der Bürgermeister. "Die einzigartige Landschaft, für die unsere Insel so weltberühmt ist, wird dadurch zerstört."

Social Media vs. Realität

Gegen 18:00 Uhr herrscht in Oia bereits Hochbetrieb. Um einen der berühmtesten Sonnenuntergänge der Welt zu bewundern, stehen die Besucher in den Gassen im Stau und kommen nur schrittweise vorwärts. An manchen Stellen sind die Gassen so eng, dass der entgegengesetzte Touristenstrom ein paar Minuten warten muss. Griechisch hört man kaum.

Die Sonne ist noch sehr stark. Die Menschen versuchen möglichst früh an den Aussichtspunkt zu kommen, um den Sonnenuntergang zu genießen.

Sonnenuntergang auf einer Insel, im Vordergrund weiße Gebäude mit blauen Kuppeln
Der Sonnenuntergang auf Santorini - so wie ihn Touristen gern fotografierenBild: Chun Ju Wu/Zoonar/picture alliance

Am Aussichtspunkt angekommen laufen die Besucher wie Ameisen auf einem Haufen durcheinander, um sich den besten Platz zu sichern. Zwei griechische Musikanten sitzen auf einer weißen Treppenstufe mit Gitarre und Bouzouki, der griechischen Laute, und spielen entspannt griechische Musik. Allerdings nehmen die meisten Touristen den Moment nicht bewusst wahr. Viel zu konzentriert warten die Handy-Kameras darauf, die nächste Instagram-Story zu filmen und das beste Foto von den charakteristischen blauen Kuppeln und den weißen Häusern vor dem romantischen Sonnenuntergang zu machen. Ganz wichtig: gute Fotos mit möglichst wenigen oder noch besser gar keinen Menschen darauf.

Die Hektik, in der die Fotos entstanden sind, geht zusammen mit der Sonne unter. Innerhalb von wenigen Minuten nach Sonnenuntergang ist der Aussichtspunkt menschenleer, und der Ort erinnert an eine Filmkulisse. Die Musikanten spielen immer noch.