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Krieg gegen Ukraine: Saudi-Arabien als Vermittler?

19. Juni 2024

Das Abschlussdokument der Schweizer Ukraine-Konferenz hat Saudi-Arabien nicht unterschrieben. Aber das Land bemüht sich um Vermittlung - in der Ukraine wie auch in der eigenen Region. Doch das Engagement hat Grenzen.

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Engagement durch Enthaltung: der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud auf dem Ukraine-Gipfel der Schweiz. Links die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd, rechts der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
Engagement durch Enthaltung? Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud auf der Ukraine-Konferenz in der Schweiz. Links die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd, rechts der ukrainische Präsident Wolodymyr SelenskyjBild: Alessandro Della Valle/POOL/AFP/Getty Images

Am Ende verweigerte das Königreich sein Einverständnis. Die Abschlusserklärung der internationalen Ukraine-Konferenz in der Schweiz und deren wohl wichtigstem Punkt, nämlich der Feststellung, Russland sei verantwortlich für den "anhaltenden Krieg gegen die Ukraine", der weiterhin "umfassendes menschliches Leid und Zerstörung" verursache, wollten die Vertreter Saudi-Arabiens nicht unterschreiben. 

Bereits während des Gipfels äußerte der saudische Außenminister, Prinz Faisal bin Farhan al Saud, Bedenken hinsichtlich dessen Formats. Saudi-Arabien unterstütze die Friedensbemühungen. Doch jeder glaubwürdige Prozess erfordere die Beteiligung Russlands, zitierte ihn Al-Jazeera.

Russland war bei dem Treffen nicht dabei, könnte unter bestimmten Voraussetzungen möglicherweise aber in der  Zukunft eingeladen werden, glauben manche Beobachter. Neben der Türkei gilt Saudi-Arabien als potentieller Ausrichter eines möglichen Folgetreffens mit russischer Beteiligung.

Riads Kurs entspreche dem nationalen Interesse, analysiert Sebastian Sons, Golfstaaten-Experte beim Center for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) in Bonn. Die Saudis legten Wert darauf, in dem Konflikt nicht einseitig Partei zu ergreifen und sich keinem der beiden Lager zuzuordnen. "Stattdessen setzt Saudi-Arabien auf eine strategische Autonomie und versucht, mit allen Weltakteuren in Kontakt zu bleiben und dadurch an diplomatischem Gewicht zu gewinnen."

Vermittler im globalen Süden?

Etwas anders sieht dies Cinzia Bianco, Saudi-Arabien-Expertin am Think Tank European Council on Foreign Relations (ECFR). Es habe seitens der Ukraine durchaus einige Erwartungen an Riad gegeben, so Cinzia unter Verweis auf eine frühere Friedenskonferenz mit Teilnehmern aus über 40 Ländern - darunter China - in Dschidda im August 2023. 

Dieses hatte zwar keine konkreten Ergebnisse gebracht. Dennoch formulierte das Königreich der saudischen Presseagentur zufolge ein zumindest  symbolisches Ziel, nämlich "eine gemeinsame Basis zu schaffen, die den Weg für den Frieden ebnet."

Auf dieser Grundlage habe Kiew nun gewiss auch mit Blick auf das Schweizer Treffen erwartet, dass Saudi-Arabien mehr bewegen könne, so Bianco. Immerhin hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Februar in Riad über einen von der Ukraine initiierten Friedensplan sowie um Unterstützung bei der Rückkehr ukrainischer Kriegsgefangener gesprochen. Bereits 2022 hatte Saudi-Arabien einen Gefangenenaustausch vermittelt, bei dem mehr als 200 ukrainische Kriegsgefangene frei kamen. 

Expertin Bianco glaubt jedoch nicht, dass die Erwartungen Selenskyjs sich auf eine direkte Vermittlung zwischen der Ukraine und Russland bezögen: "Eher scheint er darauf zu setzen, dass Saudi-Arabien auf die globalen Mächte im Süden, so etwa die BRICS-Staaten, Einfluss nimmt. Diese waren insgesamt eher zurückhaltend und zögerlich bei dem Ansinnen, die Ukraine zu unterstützen." 

Saudi-Arabiens Außenminister Faisal bin Farhan Al-Saud beim Ukraine-Friedenstreffen in der Schweiz
"Jeder glaubwürdige Prozess erfordert Beteiligung Russlands": Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al-Saud Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Effiziente Vermittlungsposition?

Golfstaaten-Experte Sebastian Sons geht demgegenüber davon aus, dass Saudi-Arabien weiter an einer Vermittlerrolle interessiert sei. Russland sei zwar kein herausragender Partner für die Saudis. Doch müsse sich Riad mit Moskau etwa innerhalb der erweiterten Form der Organisation Erdöl fördernden Länder (OPEC +) arrangieren. "Vor diesem Hintergrund hätte es mich sehr erstaunt, wenn Saudi-Arabien eine Deklaration unterschrieben hätte, in der Russland als Hauptverantwortlicher für den Krieg genannt wird." So aber sehe sich das Königreich auf Grundlage seiner Neutralität in einer effizienten Vermittlungsposition.

US-Außenminister Antony Blinken bei einer Konferenz zum Gaza-Krieg in Riad, Ende April 2024
Nicht zuletzt gegenüber den USA zeigt Saudi-Arabien gestiegenes Selbstbewusstsein: US-Außenminister Antony Blinken in Riad bei einem Treffen zur humanitären Lage im Gazastreifen, Ende April 2024Bild: Evelyn Hockstein/REUTERS

Engagement in Nahost

Nicht nur mit Blick auf die Ukraine zeigt sich Saudi-Arabien, das nicht zuletzt sein negatives internationales Image in Menschenrechts-Fragen aufbessern möchte, zur Vermittlung bereit. So nahm der saudische Außenminister laut Medienberichten mit Amtskollegen aus anderen Staaten der Region am 3. Juni an einem virtuellen Treffen teil, bei dem es um die Vermittlungsbemühungen Katars, Ägyptens und der USA im Gaza-Krieg ging. Der saudische Außenminister bekräftigte die Bereitschaft seines Landes, diese Bemühungen zu unterstützen. Kontakte unterhält Riad nicht nur zu den Palästinensern und seinen arabischen "Bruderstaaten", sondern - wenngleich bisher noch informell - auch zur israelischen Seite, mit der es Normalisierung anstrebt.

Auch mit Blick auf den seit über einem Jahr von einem internen, brutal geführten Machtkampf zerrissenen Sudan zeigt sich Saudi-Arabien an Vermittlung interessiert. So berichtet die Zeitung Sudan Tribune, der saudische Außenminister Farhan habe die beiden verfeindeten Militärbefehlshaber aufgefordert, sich zu einem Waffenstillstand zu verpflichten. Allerdings gelten die Saudis in dem Konflikt als Unterstützer des staatlichen Militärs, was einen neutralen Ansatz erschweren dürfte. Zudem scheitern die Saudis bisher auch selbst an einer Beilegung des Kriegs im Jemen, in den sie selbst militärisch tief involviert sind.

Gestiegenes Selbstbewusstsein

Dennoch zeigten Riads diplomatische Initiativen Riads, wie sehr die Saudis in den vergangenen Jahren an Selbstbewusstsein gewonnen haben, meint Sebastian Sons. "Man will in Riad nicht mehr als Erfüllungsgehilfe und Juniorpartner des Westens und schon gar nicht der USA wahrgenommen werden. Stattdessen möchte man als eigenständiger Akteur respektiert werden, der in der Weltpolitik als Vermittler und auf Grundlage seiner Netzwerke eine wichtige Rolle spielen kann."

Ähnlich sieht es Cinzia Bianco. Saudi-Arabien wolle seine Rolle als Mittelmacht in einer multipolaren Welt festigen, sagt sie. "Das heißt, dass das Land immer dann dabei ist, wenn in bedeutenden Foren über Themen wie Zukunft des Welthandels, Technologie-Nutzung, Energie und Klima gesprochen wird." Dies nütze auch den eigenen Interessen. "Denn spielt Riad seine Karten bei diesen Gesprächen geschickt aus, kann es natürlich zumindest in Teilen auch seine eigenen Ziele realisieren."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika