Öl-Gipfel
20. Juni 2008Der König von Saudi-Arabien, Abdulah Bin Abd al-Asis Al Saud, empfängt in seiner Sommerresidenz in Dschiddah am Roten Meer das Who is Who der Öl-Industrie: Vertreter aller Förderländer – und keineswegs nur die, die im OPEC-Kartell vertreten sind. Abgesandte aus den Abnehmerländern, aber auch Chefs von Energiekonzernen wie Exxon oder Gasprom. Und fehlen sollen auch nicht die Banker. Dabei könnten die Interessenlagen unterschiedlicher nicht sein. Das allein schon stellt das Treffen in Frage.
Suche nach neuen Quellen
Die Saudis verdienen mit dem schwarzen Gold Milliarden und Abermilliarden. Und mit ihnen die anderen Förderländer. Das hohe Preisniveau lässt die Suche nach Öl und deren Förderung auch längst in Gegenden rentabel erscheinen, die man bislang eher links liegen ließ. Die komplizierte und teure Gewinnung von Öl aus Sandschichten – sie lohnt sich jetzt in großem Stil und wird in der kanadischen Provinz Alberta mit Hochdruck betrieben. Selbst in Deutschland scheint so etwas wie ein Ölfieber ausgebrochen zu sein – im Bundesland Brandenburg, rund um die Hauptstadt Berlin herum, hat man mit neuen Probebohrungen die Suche aufgenommen.
Doch Geld allein macht nicht glücklich. Denn die Ölbranche hat ein Problem. Je teurer der wertvolle Rohstoff wird, umso mehr rücken zwei Dinge ins Bewusstsein: Es ist der Kampf um die letzten Reserven – und das vor dem Hintergrund einer enrom gestiegenen Nachfrage. Und: Es macht Alternativen interessanter, als da wären: Energie aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse.
Fehlende Kapazitäten
Natürlich wäre die einfachste Antwort, mehr Öl zu fordern. Das fordern vor allem die Amerikaner – sie sind nach wie vor der größte Verbraucher: Ihr Durst ist dreimal so groß wie der der Chinesen. Mehr Öl zu fördern, dazu sind allein die Saudis in der Lage. Nur sie haben die Kapazitäten, die Fördermenge kurzfristig anzuheben. Das Problem wird damit jedoch nicht gelöst: Es gibt nicht genug Raffinerien, um den Rohstoff Öl weiter zu verarbeiten. In der Vergangenheit ist vor allem in den USA praktisch nichts in neue Anlagen investiert worden. So kaufen die Amerikaner lieber das fertige Benzin auf den Spotmärkten in Europa – erzeugen so eine höhere Nachfrage und treiben auch damit den Preis an. Genauso ist der schwache Dollar schuld. Er lockt Hedgefonds und Investment-Banker geradezu magisch, mit Öl zu spekulieren.
Und die Spekulanten?
Für Jörg Krämer, den Chefvolkswirt der Commerzbank, ist die Sache klar. Für ihn ist vor allem Spekulation die Ursache für den rasanten Anstieg des Ölpreises. Derzeit würden alle Nachrichten, die eigentlich für eine Entspannung an der Preisfront sorgen müssten, schlichtweg ignoriert. Und noch etwas hat der Volkswirt ausgemacht: Man bezahle mit dem hohen Ölpreis auch die Integration Chinas in die Weltwirtschaft – eine Integration, von der alle etwas hätten.
Womit er sicher Recht hat. Über die Rolle der Spekulanten jedoch gehen die Meinungen weit auseinander. Mancher sieht einen Preisanteil von 60 Prozent, der beim Öl durch Preiswetten entsteht. Beweise dafür gibt es nicht. Spekulanten gab es schließlich schon immer – im 16. Jahrhundert schon wurde in Japan Reis auf Termin gehandelt. Und schließlich sind in jüngster Zeit auch Rohstoffe wie Kobalt, Eisenerz und Kali deutlich teurer geworden, obwohl man damit nicht spekulieren kann. Und rechnet man schließlich die Inflationsrate heraus, dann notiert das Rohöl heute gerade mal 33 Prozent über seinem Jahrhundert-Hoch von 1979 – das waren 40 Dollar für ein Fass. Danach ging es wieder deutlich abwärts: Noch 1999 kostete ein Fass gerade mal 10 Dollar.
Keine Antworten zu erwarten
Mittlerweile hat ein Umdenken eingesetzt. Selbst in den USA, dem Land der spritschluckenden SUVs, fragen sich die Leute, wie lange sie das Benzin noch bezahlen können. Jährlich werden weltweit Milliarden in die Entwicklung von Biosprit und alternativen Energien investiert, die Umweltauflagen werden schärfer. Hier verläuft die Konfliktlinie: Denn die Saudis und andere Ölexporteure fürchten um ihre Kunden: Wer einmal auf Sonne oder Wind umgestellt hat, der kehrt nicht zurück zum Öl. Und schließlich müsste ein solches Treffen wie in Dschiddah auch ein Friedensgipfel werden: Denn Ursache für den hohen Ölpreis sind auch zahlreiche politische Auseinandersetzungen – ob es der Streit um das iranische Atomprogramm ist oder die instabile Lage im Förderland Nigeria.
Sicher wird es ein Treffen in schönster Umgebung, und alle werden mit ernsten Mienen am Konferenztisch sitzen. Der Ölpreis wird sich davon nicht beeindrucken lassen.