Kritik an Klima-Bilanz des neuen OECD-Chefs
1. Juni 2021Mathias Cormann, langjähriger Finanzminister Australiens, löst an diesem Dienstag den Mexikaner Angel Gurría als neuen Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ab. Er tritt eine fünfjährige Amtszeit an, die es in sich hat. Gurría hatte die Industriestaaten-Gemeinschaft seit 2006 geleitet.
Cormann übernimmt die Leitung des einflussreichen Gremiums mit 38 Mitgliedsländern in einer Zeit, in der die Organisation eine wichtige Rolle bei der Lösung zentraler Probleme spielen will. Die OECD möchte aktiv die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie begleiten, an der Bewältigung des sich beschleunigenden Klimawandels mitwirken und die Weichen dafür stellen, ein globales Abkommen zur Besteuerung von Digitalkonzernen unter Dach und Fach zu bringen.
"Es gibt viel zu tun, um unseren Beitrag zu einem stärkeren, saubereren, gerechteren und inklusiveren Wachstum zu leisten", sagte Cormann vor Reportern, nachdem er in das Amt gewählt worden war.
"Wir brauchen wirklich ehrgeizige und effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel", sagte er weiter und nannte die Bekämpfung des Klimawandels als eines seiner wichtigsten Ziele. Er wolle auf einen globalen Ansatz hinarbeiten, um den Ländern zu helfen, ihren CO2-Ausstoß bis 2050 auf Null zu reduzieren.
Bekannt für die Blockade von Klimaschutzmaßnahmen
Mit der Betonung eines Netto-Null-Emissionsziels vollführt Cormann in seiner Rhetorik eine komplette Kehrtwende: Früher hatte er dieses Ziel als "rücksichtslos und unverantwortlich" und die CO2-Bepreisung als "sehr teuren Schwindel" bezeichnet. Der konservative Politiker ist bekannt für seine Blockadehaltung gegenüber Klimaschutzmaßnahmen. Er schaffte das australische System zur Bepreisung von Kohlendioxid ab und unterstützte als ranghoher Minister weiter den Teil der Industrie, der auf fossilen Brennstoffen basiert.
Klimaaktivisten hatten auf diese klimapolitische Bilanz Cormanns, die den Klimazielen der OECD zuwiderlaufe, hingewiesen. Und sie hatten die OECD-Mitgliedsstaaten aufgefordert, die Bewerbung des Australiers für den Spitzenjob in dieser wichtigen globalen Wirtschaftsorganisationen abzulehnen. Sie bezeichneten seine rhetorische Wende als einen Versuch, seine klimapolitische Bilanz reinzuwaschen. Cormann hatte sich gegen die frühere EU-Handelskommissarin Cecilia Malmstrom durchgesetzt, eine schwedische Politikerin, die sich für den Klimaschutz stark macht.
"Jetzt müssen Taten folgen"
"Es ist zwingend notwendig, dass Herr Cormann seiner Rhetorik jetzt Taten folgen lässt und beweist, dass er der Aufgabe gewachsen ist, die OECD so zu führen, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel auf globaler Ebene Priorität haben", sagte Martin Zavan, Sprecher von Greenpeace Australien-Pazifik, gegenüber der DW. "Jetzt, wo Herr Cormann diesen Job hat, muss er seine Blockade von Klimaschutzmaßnahmen und seine rückwärtsgewandte Rhetorik dort lassen, wo sie hingehört: in der Vergangenheit."
Cormann tritt sein Amt nur wenige Monate vor einem entscheidenden UN-Klimagipfel in Glasgow an, der COP26, auf der sich die Regierungen auf einen Plan zur Bekämpfung des Klimawandels einigen sollen.
"Wir befinden uns in einem Klimanotstand. Die OECD sollte die Mitgliedsstaaten ermutigen und dabei unterstützen, ihre Maßnahmen zur Emissionsreduzierung schnell und stark zu verstärken. Und das in einem Ausmaß und mit einer Geschwindigkeit, die mit den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen über das, was notwendig ist, übereinstimmen, um das langfristige Pariser Klimaziel zu erreichen", sagte Zavan.
Eine weitere von Cormanns Hauptprioritäten ist es, die Regierungen dazu zu bringen, sich auf ein globales Abkommen zur Besteuerung multinationaler Unternehmen zu einigen, das die Realitäten des modernen Handels widerspiegelt und sicherstellt, dass die US-Tech-Giganten ihren fairen Anteil an Steuern zahlen.
Die in Paris ansässige OECD, die die USA, Großbritannien, Deutschland und Japan zu ihren Mitgliedern zählt, koordiniert seit Jahren Gespräche zwischen fast 140 Ländern, um die Steuerregeln für den grenzüberschreitenden Handel neu zu schreiben. Die Hoffnungen auf eine Einigung sind in den letzten Monaten gestiegen, seit sich die Biden-Administration für eine globale Mindeststeuer für Unternehmen ausgesprochen hat.
"Es liegt im Interesse der betroffenen Unternehmen, sich mit einem einheitlichen internationalen Regelwerk auseinandersetzen zu können, anstatt sich mit dem Wildwuchs verschiedener unilateraler Maßnahmen auseinandersetzen zu müssen", sagte Cormann im März der Financial Times. "Ich bin im Stillen optimistisch, dass sich am Ende Sinn und Verstand durchsetzen werden."
Wer ist Mathias Cormann?
Geboren im deutschsprachigen Teil Belgiens, wanderte Cormann 1996 nach Australien aus, als er Mitte 20 war.
Er arbeitete zunächst als Referent eines Regionalministers, bevor er die Position eines leitenden Beraters des Premierministers von Westaustralien übernahm. Nach einem kurzen Abstecher in die Krankenversicherungs-Branche wurde Cormann zum Senator der Liberalen Partei für Westaustralien gewählt, eine Provinz, die er bis 2020 vertrat. Von 2013 bis 2020 war er Australiens Finanzminister.
Der deutsche Muttersprachler spricht auch Englisch, Französisch und Flämisch. Mit diesem mehrsprachigen Hintergrund hatte er im Rennen um den OECD-Chefposten für sich geworben.
Adaption aus dem Englischen von Thomas Kohlmann.