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Kritiker hinter Gittern

Theresa Krinninger10. Dezember 2015

Sie sitzen in der Zelle - zu Unrecht und auf unbestimmte Zeit: Kongolesen, die von Präsident Kabila fordern, Ende 2016 abzutreten. Menschenrechtler mahnen: Kabila solle sie freilassen und zügig Wahlen organisieren.

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Kongo Unruhen in Goma (Foto: REUTERS/Kenny Katombe)
Polizisten nehmen im Januar 2015 einen Demonstranten bei Protesten gegen Änderungen am Wahlgesetz festBild: Reuters/Katombe

Ende November in der östlichen Grenzstadt Goma: Die Polizei feuert Tränengas und schießt mit scharfer Munition in die Luft, als 100 Menschen friedlich gegen die Regierung protestieren. So berichtet es die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Donnerstag, dem Welttag der Menschenrechte. Polizisten hätten 12 Menschen verhaftet - darunter drei Jugendliche, die später wieder entlassen wurden. Gomas Vize-Bürgermeister Juvénal Ndabereye Senzige habe einem der Aktivisten gedroht: "Wenn es bei der nächsten Demonstration Tote gibt, wirst du es sein, den wir verschwinden lassen." Die Warnung soll dem mutmaßlichen Initiator des Protests gegolten haben. Als HRW-Mitarbeiter vor Ort den Vize-Bürgermeister darauf ansprechen, leugnet er das.

Ähnliche Szenen spielen sich seit Anfang des Jahres in der Demokratischen Republik Kongo häufig ab. Vor allem in der Hauptstadt Kinshasa und den Regionen Nord- und Südkivu und Kasai-Oriental - dort, wo die Oppositionsparteien und Zivilgesellschaft stark vertreten sind. In einem Bericht vom Dezember zählen die Vereinten Nationen (UN) 143 Menschenrechtsverletzungen in den vergangenen neun Monaten auf. Etwa 650 Menschen seien im gleichen Zeitraum verhaftet worden.

Bereits im Januar 2015 hat die Polizei in Goma und in der Hauptstadt Kinshasa bei Protesten 40 Menschen erschossen. HRW zufolge versucht der nationale Sicherheitsdienst politische Demonstrationen landesweit zu verbieten. Dutzende junge Aktivisten, Studenten, Musiker, Journalisten und Oppositionspolitiker sitzen seit Monaten im Gefängnis - ohne Anklage, Prozess und Urteil.

Ausschreitungen in Kinshasa 21.01.2015 (Foto: REUTERS/Jean Robert N'Kengo)
Ausschreitungen in der Hauptstadt Kinshasa im Januar 2015Bild: Reuters/J. R. N'Kengo

"Festnahmen ohne Beweise"

"Die Sicherheitskräfte sagen häufig, sie halten die Menschen für weitere Ermittlungen fest. Viele Aktivisten werden beschuldigt, Terror und Aufstände anzufachen, aber die Beweise dafür fehlen ganz klar", sagt Ida Sawyer von HRW in Goma. Die Nichtregierungsorganisation spricht von massiven Verstößen gegen die Menschenrechte und fordert die sofortige Freilassung von mindestens 21 der politischen Gefangenen.

Grund für die vielen Proteste im Kongo: Präsident Joseph Kabila verzögert seit Monaten die Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahlen im Dezember 2016. Kritiker und politische Gegner sehen darin eine Strategie, um länger im Amt zu bleiben. Laut Verfassung müsste Joseph Kabila im Dezember 2016 abtreten, weil dann seine Amtszeit endet. Es gilt als wahrscheinlich, dass er dennoch noch einmal kandidieren möchte.

Regierungssprecher: "UN vermitteln falsches Bild"

Die UN prangern in ihrem Bericht die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Akteure wie Polizisten an. Kongos Regierungssprecher Lambert Mende sagt dazu, er habe nicht den Eindruck, dass es für die UN Nennenswertes zu berichten gebe: "Sicher gibt es Polizisten, die ihre Arbeit nicht gut machen", sagt er im DW-Interview. Die Regierung kümmere sich darum, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. "Aber den Eindruck zu vermitteln, dass wir dem nicht nachgehen? Das zeigt wirklich ein verzerrtes Bild von der Demokratischen Republik Kongo."

Im Land steigt der öffentliche Druck gegen die Regierung. Mittlerweile haben sich 33 lokale Menschenrechtsorganisationen zur "Koalition für den Respekt der Verfassung" zusammengeschlossen. Sie fordern, dass sich ihr Präsident an die Verfassung hält. Der steigende Unmut hat vor allem mit den Versäumnissen bei der Wahlvorbereitung zu tun. "Die Bürger, die seit 2011 volljährig geworden sind, wurden als Wähler noch gar nicht erfasst, die für den 25. Oktober geplanten Lokal- und Bezirkswahlen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben", sagt Sawyer von HRW im DW-Interview. Die Organisation der Präsidentenwahlen müsse jetzt schnell anlaufen, damit die Wahlen rechtzeitig stattfinden können", sagt Sawyer.

Nationaler Dialog: Wichtiger Schritt oder Farce?

Joseph Kabila Kabange, Präsident der Demokratischen Republik Kongo (Foto: Michael Kappeler/dpa)
Joseph Kabilas zweite Amtszeit endet im Januar 2016Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Ende November hat Präsident Kabila einen nationalen Dialog angekündigt. Er soll den Weg für die Wahlen 2016 ebnen. Wann dieser Dialog beginnen soll und wer mitreden wird, steht aber noch nicht fest. Viele Oppositionelle wollen ihn boykottieren. Sie sehen das Forum nur als Versuch, die Wahlen weiter hinauszuzögern oder gar Verfassungsänderungen vorzuschlagen, um Kabilas Amtszeit zu verlängern.

Zum gleichen Zeitpunkt hat Kabila auch Begnadigungen für einzelne politische Gefangene angekündigt. Das zeige, dass er die besorgten Stimmen gehört habe, inklusive die der internationalen Gemeinschaft, sagt Sawyer. "Es wäre ein wichtiger Schritt, wenn auch Gefangene, die gegen eine Verfassungsänderung oder die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten protestiert haben, freigelassen würden." Doch die bloße Ankündigung reicht für sie noch lange nicht aus.

Sie befürchtet, dass das Land auch im nächsten Jahr nicht zur Ruhe kommt. Viele Regierungsgegner, darunter die katholische Kirche, zivilgesellschaftliche Organisationen, junge Aktivisten und ehemalige Mitglieder der Regierungskoalition haben zu Protesten im Januar 2016 aufgerufen, wenn die Regierung bis dahin keine ernsthaften Pläne für die Wahlen vorlegt. Laut Sawyer könnten die Sicherheitskräfte auch dann wieder brutal gegen die Proteste vorgehen.