Kritisch: Emil Nolde-Schau in Berlin eröffnet
Emil Nolde stilisierte sich zum verkannten Künstler. Doch war der Maler ein bekennender Nazi. Das alles zeigt die Berliner Ausstellung "Emil Nolde - Eine deutsche Legende". Und räumt so mit einem Mythos auf.
Kein Staatskünstler der Nazis
Emil Nolde war kein Nazi-Künstler, wäre es aber gern gewesen. Er diente sich den Nazis als Staatskünstler an. Als überzeugter Antisemit hatte er sich früh zum "Dritten Reich" bekannt und war 1934 als 67-Jähriger der Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig beigetreten. Er schrieb sogar einen "Entjudungsplan", um Juden aus dem Land zu schaffen. All das fanden Historiker heraus.
Gemälde im Kanzleramt
Noldes Bild "Brecher" (1936) hing bis vor kurzem im Arbeitszimmer von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es zeigt eine riesige Welle unter einer blutroten Wolke. Das Bild wurde von den Leihgebern der Staatlichen Museen zurück erbeten, um die aktuelle Nolde-Schau zu bestücken. Zurückkehren wird der "Brecher" nicht mehr ins Kanzleramt. Der Künstler Emil Nolde ist historisch zu sehr belastet.
"Verlorenes Paradies"
Emil Nolde (1867-1956) gilt als einer der führenden Maler des deutschen Expressionismus. Sein Markenzeichen: die ausdrucksstarke Farbwahl. Besonders seine farbenprächtigen Aquarelle fanden und finden viele Anhänger. Auf dem Kunstmarkt sind Noldes Werke gefragt und bringen hohe Preise. Dieses Bild von Nolde aus dem Jahr 1921 trägt den Titel "Verlorenes Paradies".
Der Mythos Nolde wankt
Von keinem anderen Künstler wurden während der Nazizeit so viele Werke beschlagnahmt und als "entartet" ausgestellt. Doch Nolde war ein Kunst-Chamäleon, der seinen eigenen Mythos schuf. Sah er sich vor 1945 als verkannt und von Juden verfolgt, so gab er sich nach dem Krieg als von den Nazis verfolgt. Forscher belegen jetzt Noldes biographische Tricksereien.
Der Maler und das NS-System
Der Reichspropagandaminister und Hitler-Vertraute Joseph Goebbels besuchte 1938 die Ausstellung "Entartete Kunst" in Berlin. Zu sehen waren hier auch Werke des Malers Emil Nolde, die zuvor aus Museen entfernt und beschlagnahmt worden waren. Nolde traf die Aktion hart. Er blieb aber, wie neue Forschungen zeigen, ein glühender Anhänger der NS-Ideologie von Führer, Volk und Vaterland.
Die Sünderin (1926)
Für Bilder des Antisemiten Nolde ist kein Platz mehr im Kanzleramt. Wo sie hingen, soll die Wand zunächst weiß bleiben, entschied Kanzlerin Angela Merkel. Was darf man von Kunst erwarten, die an einem Ort hängt, wo ausländische Staatsgäste ein und aus gehen und wo sich das offizielle Deutschland von seiner besten Seite zeigt? Unser Bild zeigt Noldes "Sünderin" von 1926.
Nolde-Archiv in Seebüll geöffnet
Tausende Nolde-Fans pilgern jedes Jahr zum Nolde-Haus im nordfriesischen Seebüll. Dort, wo der Künstler von 1930 bis zu seinem Tod 1956 lebte und arbeitete, residiert heute die Nolde-Stiftung - und erklärt den Bilderschatz des berühmten Malers. Erst mit Öffnung ihres Archivs im Jahr 2013, die Brisantes zu Tage förderte, machte die Stiftung eine Aufarbeitung von Noldes Künstler-Biografie möglich.
Werk und Künstler trennen?
Zwei brisante Ausstellungen in Berlin hinterfragen jetzt den Mythos Nolde: Der Hamburger Bahnhof zeigt "Emil Nolde - Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus". Dann präsentiert das Brücke-Museum die Ausstellung "Flucht in die Bilder? Die Künstler der Brücke im Nationalsozialismus". Ob sich Werk und Künstler trennen lassen, muss die folgende Diskussion zeigen.