Luka Modric auf seiner letzten Gala-Tour
12. Dezember 2022Keine Tattoos. Keine Tratsch-Geschichten. Keine gegelten Haare. Stattdessen altmodischer Mittelscheitel. Immer noch. Im modernen Fußball wirkt Luka Modric wie aus der Zeit gefallen. Der 1,72 Meter kleine Kapitän der kroatischen Nationalmannschaft ist scheu, spricht ungern, Pressekonferenzen und Interviews mag er nicht. Außerhalb des Platzes möchte der Weltfußballer von 2018 am liebsten nicht auffallen.
Auf dem Feld aber ist der Mittelfeldstratege der Chef - besonders bei großen Spielen. Bei der WM in Russland führte er als bester Spieler des Turniers die Kroaten sensationell bis ins Finale, wo sie gegen Frankreich verloren. Nun steht Kroatien schon wieder im Halbfinale, nach dem Elfmeterkrimi gegen Brasilien. "Luka hat 120 Minuten einen großartigen Rhythmus vorgegeben, er ist der Kopf des Sieges", schwärmte Trainer Zlatko Dalic nach dem 4:2 im Elfmeterschießen: "Vor der WM hatten ihn einige abgeschrieben, aber er hat es allen gezeigt." Das gilt allerdings generell für die als überaltert gescholtenen Vatreni.
Kroatische Effizienz
Modric betonte nach dem Braslien-Coup ebenfalls: "Wir waren nahezu geschlagen, alle erklärten uns für tot. Aber wir haben gezeigt, dass wir nie aufgeben, dass unser Glaube enorm ist." Modric ist laufstark, ständig unterwegs. Rennt nach vorne und hinten, dribbelt und scheut kein Duell, übernimmt Verantwortung. Modric ist gleichzeitig Kämpfer und Techniker. Sein Markenzeichen: die giftigen Außenrist-Pässe. Gerne über 30 bis 40 Meter.
Trotz seiner Größe ist Modric überraschend zweikampfstark, fällt auf durch filigrane Ballbehandlung und ausgezeichnete Übersicht. So verfolgte er Brasiliens Sechser Casemiro auf Schritt und Tritt, störte so das Aufbauspiel des Topfavoriten und steuerte gleichzeitig das der Kroaten. Der Stuttgarter Borna Sosa adelte seinen Kapitän als einen der "fünf besten Mittelfeldspieler der Geschichte". Modric lebe "für den Fußball", ergänzte Dalic: "Seine Professionalität und Ernsthaftigkeit sind der Schlüssel."
Und so steht das kleine Kroatien mal wieder im Halbfinale, schon dreimal bei sechs Teilnahmen hat es das schon geschafft. Die Elfmeter-Bilanz ist makellos: Vier von vier Elfmeterschießen haben die Kroaten bei Weltmeisterschaften gewonnen. Und das zuletzt trotz Minimal-Ausbeute: Nur einen Sieg haben sie nach 90 Minuten in Katar eingefahren, noch nie 1:0 geführt.
Bereits bei der WM in Russland trafen Argentinien und Kroatien aufeinander, damals setzte sich Kroatien mit 3:0 in der Gruppenphase durch. Einer der Torschützen damals: Luka Modric. Dieses Mal wird es die letzte Chance für ihn sein, seine Karriere mit dem WM-Titel zu krönen. Mit 160 Spielen ist Modric Kroatiens Rekord-Nationalspieler. Fünf Mal hat er die Champions League gewonnen. Noch immer spielt er bei Real eine zentrale Rolle - auch im stolzen Fußballeralter von 37 Jahren.
Modric wegen Steuerhinterziehung verurteilt
Nicht immer lief es rund in seinem Leben, zu Hause in Kroatien wird er längst nicht von allen verehrt - besonders wegen seiner zwielichtigen Verbindungen zu den Strippenzieher des kroatischen Fußballs, den Gebrüdern Zdravko und Zoran Mamic. Dazu kamen seltsame Auftritte vor Gericht. 2018 wurde Modric schließlich wegen Steuerhinterziehung zu einer hohen Geldstrafe und einer achtmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.
"Der Krieg, das Leben in Flüchtlingslagern, haben mich hart gemacht", sagte Modric einmal, der schon zu Beginn des Krieges in Kroatien 1991 mit der Familie sein Heimatdorf verlassen musste. Hart genug, um den Konkurrenzkampf bei Real Madrid zu bestehen. "El Pony", wie ihn seine Mitspieler nennen, trägt die Nummer 10 sowohl bei den "Königlichen" und im Nationalteam - die Wertschätzung seiner Leistungen. Wegen dieser wird er in Kroatien und Spanien verehrt. Alles andere ist auf dem Platz vergessen, vor allem, wenn es um Titel geht.
"Wir brauchen vor niemandem Angst zu haben", behauptete Abwehrspieler Josip Juranovic vor dem Spiel gegen Argentinien selbstbewusst. Auch nicht vor Argentinien. "Das Halbfinale ist nicht das Ende", erklärte auch Trainer Zlatko Dalic: "Wir können noch viel erreichen." Besonders mit einem Luka Modric in Topform.