Krypto-Crash - das sind die Gründe
21. Juni 2022Sollte man jetzt einsteigen und auf eine Erholung hoffen oder lieber ganz schnell noch raus aus Kryptowährungen, weil sie noch weiter abstürzen könnten? Wer erst im vergangenen Jahr in Kryptowährungen investiert hat, dürfte das bereuen. Die Preise für Kryptowährungen sind in diesem Jahr heftig abgestürzt. Im November war ein Bitcoin mit rund 68.000 Dollar noch fast viermal so teuer wie derzeit, allein seit Jahresbeginn ist der Wert um mehr als 60 Prozent gefallen. Die Kryptowährung Ethereum büßte in dem Zeitraum sogar 73 Prozent ein. Auch andere Kryptowährungen wie Ether, Cardano haben deutlich an Wert verloren.
Vor allem aber fiel der Bitcoin am Wochenende unter 20.000 Dollar. Diese Marke ist wichtig, weil sie unter Umständen für viele institutionelle Anleger das Signal zum Verkaufen ist. Das wiederum könnte eine negative Preisspirale noch verstärken. Bis Dienstag konnte sich der Bitcoin zumindest erholen und hält sich knapp über der Marke.
Beginn eines "Krypto-Winters"?
Manche Digitalwährungen, die weniger bekannt seien, hätten im Vergleich zu ihren Höchstständen 2021 sogar mehr als 90 Prozent an Wert verloren, hieß es von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). "Krypto-Kommentatoren haben angefangen, die jüngsten Ereignisse als Beginn eines 'Krypto-Winters' zu bezeichnen", schreiben die BIZ-Experten. Die in Basel ansässige BIZ gilt als wichtige Denkfabrik für die internationale Geldpolitik.
"Wenn eine schlechte Nachricht aufkommt, trifft das meist alle Kryptowährungen. Die Anleger fürchten Ansteckungsrisiken", sagte Timo Emden von Emden Research der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Zudem orientieren sich viele Anleger am Bitcoin. Taumelt er, kommen auch die anderen ins Schwanken. "Es kommt zum Herdenverhalten, immer mehr Menschen wollen dann ihre Kryptowährungen loswerden", so Emden. Aktuell könne das zu einer Marktbereinigung führen, die kleinere Kryptowährungen nicht überstehen.
Was aber sind solche schlechten Nachrichten, die Abstürze an den Kryptomärkten bewirken?
Zinsschritte der Zentralbanken drücken Kryptowährungen
Schlechte Nachrichten waren beispielsweise die Erhöhungen der Zentralbankzinsen. Die USA leiden unter der höchsten Inflation seit mehr als 40 Jahren, daher hatte die US-Notenbank den Leitzins in der vergangenen Woche so kräftig angehoben wie seit 1994 nicht mehr. Die Finanzmärkte rechnen mit weiteren Zinsschritten. Auch andere Zentralbanken haben inzwischen Zinsschritte verkündet.
Die Folgen des Ukraine-Krieges, die Lockdowns in China und die drastischen Zinserhöhungen schüren die Sorge der Investoren vor einer Rezession. So stoßen sie ihre risikoreichen Anlagen wie Aktien ab, aber eben auch Kryptowährungen, die nicht nur riskant sind, sondern zusätzlich keine Zinsen abwerfen. Der zusammengerechnete Börsenwert aller knapp 20.000 Cyber-Devisen fiel nach der Zinserhöhung unter die Marke von einer Billion Dollar, teilte der Branchendienst CoinMarketCap.com mit.
"Es sind nicht nur Kryptowährungen, deren Kurse nach unten gehen, alle Kurse geben derzeit nach, und für die kommenden sechs bis zwölf Monate sind die wirtschaftlichen Aussichten schlecht", sagte Oleg Giberstein gegenüber Forbes Advisor. Giberstein ist der Mitbegründer der UK-Kryptobörse Coinrule.
Institutionelle Anleger bewegen die Kryptomärkte
Dabei galten gerade Kryptowährungen als sicherer Hafen vor Inflation und als Schutz vor Aktienverlusten. Inzwischen halten aber nicht mehr wie zu Anfang hauptsächlich Privatpersonen Kryptowährungen, auch institutionelle Anleger wie große Fonds haben digitale Währungen für sich entdeckt. Während Privatanleger noch die Zähne zusammenbeißen können, verabschieden sich gerade die Profis schnell von riskanten Werten, wenn die Wirtschaft kriselt.
Und wenn sie das tun, bewegen sich meist große Summen, was wiederum zu großen Marktbewegungen führt. "Wird eine größere Menge auf den Markt geworfen, kann dies einen Dominoeffekt auslösen und weitere Verkäufe auslösen", meint Kryptoexperte Emden. Explosive Preisbewegungen seien dann schnell möglich.
Stablecoins geraten ins Rutschen
Selbst die sogenannten Stablecoins, die besonders sicher sein sollten und unabhängig vom Kurs anderer Kryptowährungen, haben sich als unsicher entpuppt. Bei ihnen richtet sich der Preis nicht nach Angebot und Nachfrage, sondern ist fest an eine Währung oder den Preis von Rohstoffen wie Gold gekoppelt. Trotzdem brach im Mai der Stablecoin TerraUSD innerhalb weniger Tage zusammen und vernichtete 40 Milliarden Dollar an Anlegervermögen. Eine Erholung fand bis dato nicht statt.
Bei TerraUSD hatte der Stabilitätsmechanismus versagt, als Investoren das Vertrauen in die Kryptowährung Luna verloren. Geschäfte mit dieser frei handelbaren Cyber-Devise sollten die Kursbindung von TerraUSD garantieren. Gleichzeitig verfüge der Anbieter von TerraUSD nicht über ein ausreichendes Finanzpolster, um den spekulativen Druck abzufedern, kritisieren die Analysten der Ratingagentur Fitch.
Obwohl gedeckte Stablecoin eigentlich immun gegen solche Bewegungen sein sollten, gerieten auch die Kurse des wichtigsten Stablecoins Tether ins Rutschen, dabei hatte der Anbieter dieser Kryptowährung auf seiner Webseite noch betont, dass das Umtausch-Verhältnis von eins zu eins zum US-Dollar bestehen bleibe. "Zweifel an der Deckung bestimmter Stablecoins sind immanent und nicht unglückliche Einzelfälle", warnt Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann.
Betroffen vom Terra-Kursrutsch ist unter anderem der Hedgefonds Three Arrows Capital. Dort wird laut einem Medienbericht über die Veräußerung von Unternehmensanteilen oder einen Notverkauf nachgedacht. "Die Situation bei Terra-Luna hat uns ziemlich stark überrumpelt", sagt Fondsgründer Kyle Davies dem Blatt. Three Arrows habe rund 200 Millionen Dollar in Luna investiert.
Unternehmen aus der Kryptobranche verursachen Vertrauenskrise
So wird das Vertrauen in die Krypobranche derzeit auf die Probe gestellt. Celsius Networks, einer der weltweit größten Anbieter von Kryptowährungskrediten hatte jüngst erklärt, Abhebungen und Überweisungen zwischen Konten ruhen zu lassen, um die Liquidität und den Betrieb zu stabilisieren. Schlecht für die 1,7 Millionen Anleger, die nun keinen Zugriff auf ihr Vermögen mehr haben. Das Unternehmen verleiht digitales Geld, vergibt mit Kryptowährungen besicherte Kredite und bietet Sparprodukte für Kunden an, die ihre Cyber-Devisen bei dem Unternehmen anlegen. Auf ihrer Website wirbt die Firma mit jährlichen Renditen von bis zu 17 Prozent.
Am Markt wurde befürchtet, dass andere Unternehmen aus der Branche mit in den Abgrund gerissen werden. In der Tat hatte wenige Tage nach Celsius auch der Konkurrent Babel Finance die Auszahlungen gestoppt. Ein Problem sei, dass Firmen wie Celsius in einer Grauzone operierten, hatte Matthew Nyman von der Anwaltskanzlei CMS erklärt. Anders als klassische Banken unterlägen sie keiner klaren Regulierung mit entsprechenden Offenlegungspflichten.
Ein weiteres Problem: Es sei wenig bekannt, wie groß die Kreditvolumina solcher Kryptokredit-Plattformen sind und wie stark der Markt dadurch gehebelt ist, sagt Ed Yardeni, ein unabhängiger Kapitalmarktexperte gegenüber dem Handelsblatt.
Mehrere Firmen der Branche haben die Entlassung Tausender Mitarbeiter angekündigt. Vor diesem Hintergrund hatten sich Anleger zuletzt auch von Aktien aus dem Kryptowährungssektor und von Unternehmen getrennt, die sich mit den Krypotowährungen zugrundeliegenden Blockchain-Technologie befassen.
Der Branchenanalyst Timo Emden erklärte am Sonntag, die Gemengelage sei aus fundamentaler und charttechnischer Sicht weiter fragil. Die Auswirkungen der anhaltenden Preisrückgänge dürften nun aber endgültig auch bei den Bitcoin-Herstellern, den sogenannten Minern, angekommen sein. Für viele gehe die Rechnung nicht mehr auf. "Nur wenige Farmen könnten überleben", so Emden. Sollten die Preise noch tiefer fallen, dürfte sich der Trend verstärken. Die Branche leide zudem unter den hohen Energiekosten. Durch einen Verkauf der Bitcoin-Bestände könnten die Miner versuchen, ihre Ausgaben zu decken.