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Krämer: "Einige Länder sind sehr problematisch"

Thomas Kohlmann18. Februar 2014

Eine Neuauflage der Asienkrise ist unwahrscheinlich, doch gibt es extrem krisenanfällige Länder. Sie werden Jahre brauchen, um ihre Leistungsbilanzdefizite abzubauen, meint Commerzbank Chefvolkswirt Jörg Krämer.

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Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank (Foto: Commerzbank)
Bild: Commerzbank AG

Deutsche Welle: Indien ist einer der früheren Lieblinge der Anleger - doch mittlerweile scheint der Subkontinent nur noch negative Schlagzeilen zu machen. Warum dieser Stimmungswechsel?

Jörg Krämer: Indien ist geplagt von Korruption, der Wettbewerb ist abgeschottet, die Bildungschancen sind sehr schlecht, die Straßen und Eisenbahnen sind in einem maroden Zustand. Die staatliche Infrastruktur muss der Staat dringend verbessern, damit sich das Unternehmertum entfalten kann und damit das Wirtschaftswachstum in Indien wieder anzieht auf die Raten, die wir vor ein paar Jahren gesehen haben. Wir brauchen diese Wachstumsraten, um eine verarmte Bevölkerung aus dieser Armut herauszuführen und damit die Mittelschicht größer wird.

Wie können die Schwellenländer mit hohen, negativen Leistungsbilanzen ihre Volkswirtschaften wieder "flottmachen"?

Ohne eine große Krise können sie das nicht auf die Schnelle verändern, aber sie können es langsam verändern. Denn Leistungsbilanzdefizite bedeuten ja, dass die Länder mehr ausgeben als sie einnehmen. Sich nach der Decke zu strecken, zu sparen, einen übermäßigen Konsum zurückzufahren, das können sie natürlich über zwei, drei Jahre verteilt machen und dann verbessern sich natürlich auch die Leistungsbilanzen. Das ist auch vielen Emerging Markets in den vergangenen Jahren gelungen.

Wie groß ist die Gefahr, dass die angespannte Lage in den Schwellenländern zu einer Neuauflage der Asienkrise führt?

Due heutige Sitation ist nicht ganz anders, aber sie ist anders. Die meisten asiatischen Länder haben ja - anders als damals - immer noch leichte Leistungsbilanzüberschüsse und haben auch mehr Devisenreserven, so dass sie doch deutlich weniger anfällig sind, als noch 1997/98 im Vorfeld der damaligen Asienkrise. Aber einige Länder sind natürlich sehr problematisch, beispielsweise Indien, aber auch Südafrika. Und zu den gefährdeten Staaten zählt natürlich auch die Türkei.

Bereits im Sommer 2013 hat die US-Notenbank angekündigt, ihre ultra-lockere Geldpolitik des "Quantitive Easing" zurückzufahren. Obwohl es diese "Vorwarnung" vor mehr als einem halben Jahr gab, verlieren viele Währungen der Emerging Market-Länder weiter - zum Teil dramatisch - an Wert. Wie erklären Sie sich diese Schockreaktion an den Devisenmärkten?

Die Schockreaktion zeigt natürlich, dass sich viele Emerging Markets eingestellt haben auf diesen steten Kapitalfluss aus den USA. Und sie erschrecken jetzt, wenn sie merken, dass das Geld so nicht mehr fließt. Das zeigt, wie abhängig sie von dem billigen Geld aus den USA sind.

Was müssen Schwellenländer tun, um wirtschaftlich wieder in die Spur zu kommen?

Die Emerging Markets müssen sich natürlich umstellen und sich anpassen an das Ende der Null-Zins-Politik in Amerika. Das bedeutet, dass auch sie die Zinsen anheben müssen. Es kann nicht sein, dass ein Land wie die Türkei bis vor kurzem noch einen Leitzins hatte, der unterhalb der Inflationsrate liegt. Die müssen jetzt ihre Zinsen anheben und zwar auf ein Niveau, das deutlich oberhalb der Inflationsrate liegt. Nur dann können sie weiter an das benötigte Kapital aus dem Ausland kommen - vor allem, seit sie durch Amerika wieder eine gewisse Konkurrenz bekommen haben.

Japans Verschuldung ist gigantisch: sie beträgt aktuell mehr als 230 Prozent der Wirtschaftsleistung. Kann eine solche Staatsverschuldung auf Dauer aufrechterhalten werden?

Die japanischen Politiker betreiben eine unverantwortliche Schuldenpolitik. Die aufgehäuften Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt sind höher als in Griechenland. Und sie benutzen die nur leicht sinkende Inflation, die eigentlich kein Problem ist, als moralische Rechtfertigung, um die Schuldenpolitik weiterzubetreiben. Und weil in ein paar Jahren - wegen Japans sinkender Bevölkerung - nicht mehr genug Käufer in Japan da sind für die vielen Staatsschulden, hat man schon einmal die japanische Notenbank ihrer Unabhängigkeit beraubt und sie dazu verdonnert, japanische Staatsanleihen zu kaufen.

Welche Auswirkungen werden diese Entwicklungen in Asien auf Europa - und besonders auf Deutschland haben?

Ich glaube nicht, dass uns eine Asienkrise droht, wie 1997/98, wo ja auch der Westen in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Aber die wirtschaftlichen Risiken in den Emerging Markets sind gestiegen und die im DAX notierten Unternehmen in Deutschland machen ein Fünftel ihres Umsatzes allein mit den Ländern Asiens. Von daher steigen sicherlich die Risiken. Eigentlich müsste man fast schon die Konjunkturprognosen nach oben nehmen in Deutschland, wenn man nur auf die reinen Konjunkturindikatoren schaut. Aber die gestiegenen Risiken in den Emerging Markets sind eine Mahnung, hierzulande auf dem Boden zu bleiben.