Kuba: Referendum zu gleichgeschlechtlichen Ehen
28. Juli 2022Am 25. September wird Kuba ein verbindliches Referendum über ein neues Familiengesetz abhalten, mit dem die seit 47 Jahren geltende Familiengesetzgebung erneuert werden soll. Ein 'Ja' würde unter anderem gleichgeschlechtliche Ehen legalisieren und ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare einführen.
"Wir sind überzeugt, dass die Mehrheit des kubanischen Volkes zu gegebener Zeit dieses revolutionäre, integrative und demokratische Familiengesetz annehmen wird", sagte Homero Acosta, Sekretär des kubanischen Parlaments, nach der Verabschiedung der Verordnung.
Bereits 2019 versuchte das Nationale Zentrum für Sexualerziehung (CENESEX) unter der Leitung von Mariela Castro, der Tochter des damaligen kubanischen Staatschefs Raúl Castro, die gleichgeschlechtliche Ehe in der in jenem Jahr verabschiedeten neuen Verfassung zu verankern. Angesichts des Widerstandes durch die Kirche und konservative Gruppen wurden dieses Thema jedoch nicht in die neue Verfassung aufgenommen. Dies soll jetzt mit dem Referendum nachgeholt werden.
"Das Referendum ist ein großer Fehler"
Sandra Heidl, Spezialistin für Gender Studies und Psychologin an der Universität Havanna, findet dass der Staat sich mit dem Referendum vor seiner Verantwortung drückt. Im Gespräch mit der DW erklärt die LGBTIQ-Aktivistin, dass das Familiengesetz viele Themen abdeckt, die über die gleichberechtigte Ehe, die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare oder die Leihmutterschaft hinausgehen, wie etwa die Rolle der Familie bei der Pflege älterer Menschen.
"Zum ersten Mal werden bestimmte fortschrittliche Inhalte in das Familiengesetz aufgenommen, und irgendwie wollte die Regierung die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Das halte ich für einen großen Fehler, denn es geht hier um Menschenrechte, und Menschenrechte können nicht in einem Referendum abgefragt werden", sagt Heidl.
Nach Ansicht der kubanischen Aktivistin ist die Debatte kompliziert, weil "es viel Angst und einen Mangel an Informationen gibt". Hinzu kommen die Homophobie und Transphobie auf der Insel sowie der starke Widerstand religiöser und konservativer Kreise.
Ventil für Proteststimmung?
Bert Hoffmann, Kuba-Experte und Leiter des Berliner Büros des Deutschen Instituts für Globale und Regionale Studien (GIGA), will nicht ausschließen, dass das kubanische Referendum auch eine weit verbreitete Unzufriedenheit auf der Insel widerspiegelt, die auf die desolate Wirtschaftslage, die Massenauswanderung und das herrschende sozio-politische System zurückzuführen ist. "Auch wenn diese politische Sklerose nichts mit dem Familiengesetz zu tun hat, wird es sicherlich etliche Kubaner geben, die ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen wollen, indem sie gegen das Referendum stimmen", sagt er im Interview mit der DW.
Das "Faszinierende" an dieser Abstimmung sei, so der Politikwissenschaftler, dass Kuba zum ersten Mal seit 1959 einen Abstimmungsprozess erlebe, dessen Ausgang nicht im Voraus bekannt sei. Seiner Meinung nach geht das Referendum weit über das Familiengesetz hinaus, da es auch die Frage aufwirft, ob es in Kuba möglich ist, kontroverse Abstimmungen durchzuführen.
"Im Falle eines 'Nein' wird die Staatsmacht argumentieren können, dass man hier sehr demokratisch agiert habe und Demokratien nun einmal so funktionieren. Da das Gesetz jedoch ohne Gegenstimmen im Parlament verabschiedet wurde, dürfte aber auch deutlich werden, dass das Parlament sehr weit von der gesellschaftlichen Stimmung entfernt ist", so Hoffmann.
Die Genderforscherin Heidl zweifelt trotz aller Bedenken nicht daran, dass das Referendum im September angenommen wird. Ihrer Meinung nach wird die wichtigste Herausforderung nach der Abstimmung darin bestehen, weiter für die Umsetzung der LGBTIQ-bezogenen Artikel des Familiengesetzes zu kämpfen.