Kuba setzt auf Gentechnik
10. Januar 2017Ökologisch nachhaltige Landwirtschaft oder Gentechnik? Diese Frage stellt sich auch auf Kuba. Ab dem kommenden Frühjahr sollen auf der Insel "unter strikter wissenschaftlicher und rechtlicher Kontrolle" gentechnisch veränderte Mais- und Sojapflanzen in größerem Stil angebaut werden. Das kündigte Mitte Dezember die Regierung in Havanna an. Damit sollen angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Ausgaben für Lebensmittelimporte verringert werden.
"Nach erfolgreichem Abschluss der nötigen Tests bei den zuständigen kubanischen Behörden könnten wir transgenen Mais und Soja ab dem Frühjahr 2017 auf größeren Flächen anpflanzen", erklärte Dr. Mario Estrada, Leiter der Landwirtschaftsabteilung im Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (CIGB) gegenüber der kubanischen Tageszeitung Granma.
Weniger Importe würden Staatshaushalt entlasten
Kuba hofft, auf diese Weise die Einfuhr von Mais und Soja zu verringern. Im Jahr 2014 importierte das Land Mais und Soja im Wert von mehr als 500 Millionen US-Dollar. Insgesamt gibt die Karibikinsel jedes Jahr rund zwei Milliarden US-Dollar für Lebensmittelimporte aus. Drei Viertel aller Lebensmittel müssen eingeführt werden, um die rund 11 Millionen Bewohner der Insel und vier Millionen Touristen im Jahr zu versorgen. Ein hoher Posten im ohnehin klammen Staatshaushalt.
Erst vor wenigen Tagen verkündete Kubas Präsident Raúl Castro gegenüber der Nationalversammlung, dass das Land sich in einer Rezession befinde. Das Bruttoinlandsprodukt ist im abgelaufenen Jahr um 0,9 Prozent geschrumpft. "Es wird wichtig sein, drei entscheidende Prämissen zu erfüllen: Exporte und die damit verbundenen Einnahmen zu garantieren, die importsubstituierende nationale Produktion zu steigern und nicht unbedingt notwendige Ausgaben zu reduzieren", sagte Castro vor den mehr als 600 Abgeordneten. Bereits im Sommer hatte Präsident Castro die Bevölkerung wegen eingeschränkter Ölimporte aus Venezuela auf wirtschaftlich schwierige Zeiten eingestimmt.
Auf Kosten der Nachhaltigkeit?
Der Umbau der kubanischen Landwirtschaft hin zu einer effizienteren Lebensmittelproduktion bereitet allerdings seit Jahren Probleme. Einerseits gilt das Land als ökologisch vorbildlich und als das nachhaltigste der Welt, jedoch müssen Lebensmittel im großen Stil importiert werden. Kuba steht damit vor der Entscheidung: Nachhaltigkeit und Lebensmittelimporte oder Gentechnik und Ernährungssicherheit?
Gentechnische Untersuchungen begannen auf Kuba bereits 1996, zum Ende der Spezialperiode, der großen Versorgungskrise zu Beginn der 1990er-Jahre; praktische Versuchsreihen auf kleiner Skala laufen seit 2009. Zuvor hatte Kuba ein Gesetz zur biologischen Sicherheit verabschiedet, das die Mechanismen zur Eingliederung genetisch modifizierter Organismen im Lande festlegt.
Aber "die Resultate entsprachen nicht den Erwartungen und das bedeutete die Unterbrechung der Feldversuche mit produktiven Zwecken", so Estrada. "Aktuell arbeiten wir an der Gewinnung neuer Linien hybrider, genetisch veränderter Maissorten, die auf kleiner Fläche ein Ertragspotenzial von neun Tonnen pro Hektar zeigen, recht nah an dem von den global führenden Ländern erreichten Produktionsniveau." Gleichzeitig sei mit gegen Herbizide resistenter Transgen-Soja experimentiert worden, mit einem Ertragspotenzial von 2,8 Tonnen pro Hektar. Das liege weit über dem bisher erreichten Niveau.
Gentechnik wird auf Kuba kaum debattiert
Während der Anbau gentechnisch veränderter Lebensmittel weltweit Gegenstand zum Teil polemischer Diskussionen ist, findet auf Kuba eine breitere gesellschaftliche Debatte zum Für und Wider von Gentechnik kaum statt. Das regierungsnahe Onlineportal Cubadebate führte im Juli vergangenen Jahres (2016) ein Radiointerview mit zwei kubanischen Experten durch, die sich klar für Gentechnik einsetzten.
"Selbstverständlich können Probleme auftreten. Es wäre unverantwortlich zu sagen, dass eine Veränderung in der Umwelt nicht zu irgendeinem Problem führen kann, wobei jedoch die wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte für sich genommen ein äußerst wichtiges 'Für' ausmachen", sagte Dr. Luís Montero Cabrera, leitendes Mitglied der Kubanischen Akademie der Wissenschaften und Buchautor zum Thema.
Und auch Abel Hernández Velázquez, Leiter der Abteilung für Pflanzenbiotechnologie im CIGB, sieht Gentechnik "durchaus positiv": "Dennoch wird der Kampf gegen die transnationalen Saatgutkonzerne häufig mit dem Kampf gegen genveränderte Pflanzen durcheinander gebracht und so geschieht es, dass es sehr schwierig ist, hier vorwärts zu kommen." Gentechnische Produkte seien seit über 20 Jahren im Gebrauch und deren "Harmlosigkeit" seither von vielen Wissenschaftlern weltweit belegt.
Importersatz scheint Priorität zu haben
Sowohl Cabrera als auch Hernández sprachen sich in der Sendung für Gentechnik als Lösung für die Lebensmittelversorgung aus. "Mit der städtischen Landwirtschaft allein sterben wir nur vor Hunger", so Cabrera. Und Hernández: "Wir stehen vor einem Problem, an dem wir ganz besonders arbeiten und das darin besteht, den Getreideimport nach Kuba zu ersetzen, was für die Ernährung der Kubaner von grundlegender Bedeutung ist. Grundsätzlich arbeiten wir in allen Forschungszentren an dieser Frage, wissenschaftliche Ergebnisse zu entwickeln, die dazu beitragen können, Importe zu reduzieren." Wichtig wäre es, das Monopol bei der Herstellung gentechnischer Produkte zu durchbrechen, so Cabrera.
Auch die Parteizeitung Granma plädiert für grüne Gentechnik und bezeichnet sie als einen der "herausragendsten wissenschaftlichen Fortschritte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts". Ein großer Teil der Kritik an gentechnisch veränderten Pflanzensorten stütze sich auf Erfahrungen, "die auf der schlechten Anwendung der Technologie, fehlender Information, unzureichender Schulung und missbräuchlichen Praktiken bestimmter globaler Saatguthersteller" beruhten, heißt es. Die Frage nach Gentechnik scheint auf Kuba vorerst entschieden.