Cao Fei in Düsseldorf
6. Oktober 2018Es flimmert, blinkt und leuchtet im Untergeschoss des Düsseldorfer Ständehauses. Denn am Kaiserteich, wo früher die Abgeordneten des preußischen Provinziallandtags ein- und ausgingen, residiert mittlerweile das K21, die Abteilung Zeitgenössische Kunst derKunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Lärmende Videos, bunte Fotografien, raumgreifende Objekte, konzentrierte Zeichnungen und sogar virtuelle Installationen - all das fügt sich hier zu einer Multimediaschau, wie sie Düsseldorf noch nicht gesehen hat, und über die Museumschefin Susanne Gaensheimer deshalb auch „wahnsinnig stolz und glücklich" ist.
Vielleicht liegt das daran, dass Cao Fei, die Frau mit dem Bubikopf und den energischen Bewegungen, zumindest unter Museumsleuten als Shooting-Star gehandelt und herumgereicht wird. Gerade waren ihre Arbeiten in New York zu sehen, jetzt in Düsseldorf, anschließend im Centre Pompidou in Paris. Was das Werk der 40-Jährigen - die in China Kunst studierte und in Peking unbehelligt von staatlicher Zensur lebt und arbeitet - so spannend macht? Es ist wohl die Verheißung, Einblicke in das China von heute zu gewinnen, in seine gewaltigen technologischen wie sozialen Umbrüche - und damit in unsere Welt von morgen.
Zwischen Fiktion und Dokumentation
Und tatsächlich: Eines dieser Schlüssellöcher ist "Cosplayers" (2004). Das Video zeigt als Manga-Figuren verkleidete Jugendliche in Cao Feis Heimatstadt Guangzhou, die in Hochhausschluchten mit Laserschwertern fechten. Aus 2006, just als China zur verlängerten Werkbank des Westens wurde, stammt Cao Feis Arbeit "Whose Utopia". Darin bringt sie die Arbeiter einer iPhone-Fabrik zum Tanzen und Träumen. In einer Leuchtmittelfabrik des deutschen Osram-Konzerns veranstaltete sie Workshops. Der Film darüber zeigt tanzende Arbeiterinnen und Arbeiter zwischen Maschinen und Paletten voller Lampenteile, abseits ihrer monotonen Arbeit. Aus Leuchtmitteln schließlich baute Cao Fei mannshohe Skulpturen, die jetzt neben der Filmleinwand und vielen Fotos im Museum stehen.
Cao Feis Kunst lebt von einer subjektive Mischung aus Fiktion und Dokumentation. Denn die Künstlerin agiert als Geschichtenerzählerin und Utopistin zugleich. Sie bedient sich modernster Mittel. Was das heißt, macht ihre Idee einer virtuellen „RMB City" deutlich. Das ist eine künstliche, am Computer erzeugte Inselwelt, deren Bewohner aussehen wie echte Menschen. Binnen kürzester Zeit explodiert die Insel förmlich vor technischen Errungenschaften und Insignien des modernen China: Spektakuläre Wolkenkratzer schießen in den Himmel, durch den vollbesetzte Züge rauschen. Künstliche Plattformen ragen in den Ozean, ein fliegender Pandabär knabbert an einer Hochhausspitze. Die Menschen in Cao Feis Kunstwelt bauen unentwegt. Keiner lacht.
Kaum anders ergeht es den Protagonisten im Spielfilm „Haze and Fog" (2013), auch er eine Mischung aus Dokumentation und Dichtung. Die Menschen können vor lauter Smog kaum atmen. In wieder einem anderen Clip surfen ausgestopfte Legehennen auf Staubsaugerrobotern durch wüstenartige Abrisslandschaften.
Spross einer Künstlerfamilie
Auch Skizzen, Kladden und Zeichnungen zeigt die Schau im K21, darunter die drastische Darstellung einer gebärenden Frau, aus deren Leib ein Brille tragendes, Schlangen speiendes Männergesicht kriecht. Manche Idee hat die Künstlerin zur witzigen Installation verdichtet - etwa die Arbeit, bei der zwei Saugroboter auf einem Sockel umherfahren. Gelegentlich begegnen sich beide, stoppen irritiert, um dann - dank künstlicher Intelligenz - mit einem jaulenden Quietschen neue Richtungen einzuschlagen.
Caos Mutter war Kunstdozentin, der Vater ein Bildhauer. Beide Töchter studierten an der Kunstakademie. Caos Schwester ist heute Chefredakteurin eines Kunstmagazins. Wie politisch Cao Feis Kunst ist? Wenn sie von Vereinsamung erzählt, von zunehmender Grenzenlosigkeit zwischen realer und virtueller Welt, von menschlicher Deformation im Maschinenzeitalter, dann wird klar: Zum einen ist Cao Fei mehr als die ironische Beobachterin "ihres" China, in dem sie bis heute keine Einzelausstellung hatte. Zum anderen beschreibt sie Vorgänge, wie sie überall vorkommen, wo globales Kapital das traditionelle Leben niederwalzt. China wirkt da lediglich wie ein Testfeld, Cao Fei hingegen wie die Kunst-Prophetin der Post-Internet-Ära.