Kurswechsel: Wird die Schifffahrt klimafreundlich?
13. April 2018Im Kampf gegen den Klimawandel einigten sich 2015 in Paris 195 Staaten den Anstieg der Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, auf möglichst 1,5 Grad. Die einzelnen Staaten verpflichteten sich diesbezüglich, den CO2-Ausstoß möglichst schnell zu reduzieren.
Unberücksichtigt blieb im Pariser Abkommen jedoch die internationale Luft- und Seeschifffahrt, sie sollte separat eigene Strategien zur Einhaltung der Pariser Klimaziele entwickeln und beschließen.
Bis Freitag 13.4 rangen in London nun Vertreter aus über 170 Ländern im Umweltausschuss der Seeschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (IMO) zwei Wochen lang über notwendige Vorgaben und Strategien. Der Anteil der internationalen Seeschifffahrt an den globalen CO2-Emissionen liegt derzeit bei über zwei Prozent und sogar noch etwas über dem Niveau von Deutschland. Wäre die Schifffahrt ein Land, so wäre sie der sechstgrößte Klimasünder in der Welt.
Welche Vorgaben sind nötig?
Die CO2-Emissionen im internationalen Seetransport wachsen bisher ungebremst, derzeit um zwei bis drei Prozent pro Jahr. Bleibt alles wie bisher, so steigen diese kräftig weiter: bis 2050 um mindestens 50, vielleicht sogar bis zu 250 Prozent warnte David Paul, Umweltminister der Marshallinseln bei der Eröffnung des IMO-Treffens in London.
"Die IMO muss ein wirklich ehrgeiziges Ergebnis erzielen, sonst verlieren wir Paris. Das Pariser Abkommen ist entscheidend für das Überleben unseres Landes der Marshall-Inseln", betont Paul. Die Strategie der IMO müsse "ehrgeizig genug sein, um das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu halten."
Pauls appellierte an die Delegierten der Länder und Schifffahrtsindustrie schnell Verantwortung zu übernehmen, nicht zu zögern und Lösungsstrategien zu verschieben. Bezugnehmend auf die Skeptiker in der Branche, die Kosten für klimafreundliche Investitionen scheuen, plädierte er für einen gesamtgesellschaftlichen Blick: Die Kosten des Klimawandels wären für die Welt immens und dazu im Vergleich die nötigen Investitionskosten gering.
Die vom Klimawandel besonders betroffenen Marshallinseln forderten mit anderen Inselstaaten, der EU und Umweltverbänden, die CO2-Emissionen der internationalen Schifffahrt bis 2050 im Vergleich zu 2008 um 70 bis 100 Prozent zu reduzieren.
Gegen ambitionierte Vorgaben gab es auf den IMO-Treffen in London aber auch Widerstand. Die USA und Saudi Arabien lehnten den IMO-Entwurf für strengere Klimaauflagen in der Schifffahrtsbranche ab und stimmten dagegen. Aber auch viele Unternehmen in der Branche sehen Umweltvorgaben nicht gern und schafften es bisher entsprechenden Einfluss auf die Entscheidungen der IMO zu nehmen und so Auflagen für saubere Kraftstoffe und strengere Grenzwerte für Schadstoffemissionen immer wieder zu verhindern und zu verzögern.
Entsprechend gering waren auch die bisherigen Ambitionen für den Klimaschutz: Laut des nun verabschiedeten Kompromiss sollen die Treibhausgase in der internationalen Schifffahrt bis zum Jahr 2050 "um mindestens 50 Prozent im Vergleich zu 2008" gesenkt werden. "Eine Reduzierung von 50 Prozent bis zum Jahr 2050 kann die Industrie unterstützen", sagte auch Martin Dorsmann, Generalsekretär von der European Community Shipowners Association (ECSA) in London.
Für die Erreichung der Pariser Klimaziele reichen die IMO-Vorgaben jedoch nicht. Entsprechend besorgt äußern sich die Vertreter der vom Klimawandel betroffenen Inselstaaten im Pazifik und forderten deshalb auf der IMO-Tagung deutlich mehr. "Die Stürme werden immer intensiver, wir bekommen immer mehr Zyklone und verlieren immer mehr Inseln. Seit den 1980er Jahren haben wir fast fünf Inseln verloren", sagte Jimmy Nuake, Staatssekretär der Salomonen.
David Paul, Umweltminster der Marshall-Inseln zeigte sich nach dem Beschluss dennoch zufrieden: "Es ist ein fairer Deal. Mit dem Beschluss dieser ersten Strategie, die eine Vision für den Ausstieg aus Treibhausgasen enthält wird ein Wandel zu einer emissionsfreien Zukunft eingeläutet. In dieser Zukunft wächst die Schifffahrt nachhaltig und behält ihre Rolle als Rückgrat des globalen Handels.“
Schifffahrt bis 2035 ohne Erdöl?
Der Einsatz aller derzeit bekannten Technologien könnte es ermöglichen, die Seeschifffahrt bis 2035 fast vollständig zu "dekarbonisieren", also frei von fossilen Brennstoffen zu machen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des internationalen Transport Forums in Paris (ITF) der OECD.
Demnach könnten die CO2 Emissionen der internationalen Schifffahrt bis 2035 im Vergleich zu heute um bis zu 94 Prozent gesenkt werden. Der wesentliche Schlüssel zu dieser Reduktion seien Kraftstoffe aus Biomasse und synthetisch erzeugte Kraftstoffe aus dem Strom von Wind-, Solar- und Wasserkraft.
Mit Hilfe von Strom, Elektrolyse und Wasser lässt sich in dem sogenannten Power-to-Gas-Verfahren Wasserstoff erzeugen. Dieser Wasserstoff lässt sich in der Schifffahrt gut nutzen und mit Hilfe von Brennstoffzellen den Strombedarf von elektrisch betriebenen Hochseeschiffen problemlos decken.
Alternativ kann der Wasserstoff aber mit der sogenannten Fischer-Tropsch-Synthese zu synthetischem Diesel weiterverarbeitet werden. Die Motorentechnik der Schiffe bliebe in diesem Fall bestehen.
Als weitere Maßnahmen für einen umweltfreundlichen Transport nennt der Bericht effizientere Schiffsrümpfe und langsamere Schiffsgeschwindigkeiten. Bei optimierten Schiffen ließe sich so bis zu 30 Prozent Energie einsparen und bei langsameren Fahrten sogar bis zu 60 Prozent.
Die Autoren des Berichts empfehlen etwa auch die Einführung eines CO2-Preises für die Schifffahrt und finanzielle Anreize für einen klimafreundlichen Schiffsverkehr. "Gewissheit über den wünschenswerten Entkarbonisierungsweg für die Schifffahrt wird den Wandel vorantreiben", sagt Olaf Merk, Experte für Häfen und Schifffahrt bei ITF. "Um den Übergang zu einer CO2-freien Schifffahrt zu beschleunigen, sind daher klare Leitlinien seitens der Regierungen unerlässlich".
Wie günstig ist sauberer Schiffsverkehr?
Derzeit erzeugt der Schiffsverkehr durch den Ausstoß von Ruß- und Schwefeldioxid erhebliche Gesundheitsschäden wie Herzkreislauferkrankungen, Asthma und Lungenkrebs. Nach einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature communications veröffentlicht wurde, verursacht die weltweite Schifffahrt derzeit etwa 400.000 vorzeitige Todesfälle und cica. 14 Mio. Asthmaerkrankungen von Kindern.
Hinzu kommen die Klimaschäden durch den CO2-Ausstoß. Nach Angaben des Bundesumweltamtesverursacht eine Tonne CO2 Klimaschäden von rund 156 Euro. Die durch die globale Seeschifffahrt verursachten Schäden liegen somit bei rund 120 Milliarden Euro pro Jahr.
In einer Studie hat die Lappeenranta University of Technology in Finnland die voraussichtlichen Kosten von verschiedenen Kraftstoffen untersucht. Dabei kam heraus, dass bei einem CO2-Preis von 61 Euro je Tonne Schiffe mit Brennstoffzelle und regenerativ erzeugtem Wasserstoff bereits ab 2030 zu gleichen Kosten betrieben werden können, wie solche mit fossilem Diesel.
Ab 2040 könnten sie sogar auch ohne CO2 Preis wettbewerbsfähig sein. Schiffstransporte, die dagegen mit synthetisch erzeugtem Diesel betrieben würden, wären gegenüber der Brennstoffzellentechnik immer noch um etwa ein Drittel teurer.