Kurswechsel in London beruhigt die Finanzmärkte
17. Oktober 2022Schaut man auf die Lage an den Finanzmärkten, sind immerhin zwei Entscheidungen der Regierung in London gut angekommen: Zum einen die Entlassung von Schatzkanzler Kwasi Kwarteng am Freitag, und zum anderen die Ankündigung des neuen britischen Finanzministers Jeremy Hunt, bereits an diesem Montag - und nicht erst in zwei Wochen - neue Pläne für Haushalt und Finanzen vorzulegen.
Das britische Pfund setzte daraufhin seinen Aufwärtstrend fort. Doch vor allem am Anleihemarkt gaben die Renditen für britische Anleihen am Montag nach. "Die Anleger hoffen, dass Jeremy Hunt ein verlässlicherer Finanzminister ist", sagte Ben Jones, leitender Analyst beim Vermögensverwalter Invesco. Für Entwarnung sei es allerdings noch zu früh. Man müsse sehen, wie sich Hunt langfristig schlage; und wie lange Premierministerin Liz Truss im Amt bleibt.
Zurück auf Los
Kurzfristig jedenfalls hat Hunt seinen Worten Taten folgen lassen und am Montag Eckpunkte zu dem von ihm avisierten Fiskal- und Haushaltsplan vorgelegt. Die drehen so ziemlich alles zurück, was Liz Truss und ihr erster Finanzminister Kwasi Kwarteng umsetzen wollten. "Wir werden nahezu alle Steuermaßnahmen wieder ändern, die wir im Wachstumsplan vor drei Wochen angekündigt hatten", so Hunt. Das Land müsse jetzt Steuern anheben und Ausgaben begrenzen. Ziel sei es, Vertrauen wiederaufzubauen und für Stabilität zu sorgen.
An den Finanzmärkten war das Vertrauen verloren gegangen, als Kwarteng vor einigen Wochen die Pläne der Regierung vorstellte, mit milliardenschweren Steuersenkungen und hohen Ausgaben zur Dämpfung der Energiepreise das Wachstum ankurbeln zu wollen. Dieser Kurs von Kwarteng und Truss fand an den Märkten ein verheerendes Echo: Das britische Pfund stützte ab, während die Renditen für britische Staatsanleihen in die Höhe kletterten. Die Notenbank sah sich gezwungen, mit Anleihekäufen zu intervenieren, um so die Anleger zu beruhigen. "Es war eine krasse Fehleinschätzung von der britischen Regierung, in einem Hochinflations-Umfeld eine solche schuldenfinanzierte Fiskalpolitik durchsetzen zu wollen", sagte David Kohl, Chefvolkswirt der Schweizer Privatbank Julius Bär der DW.
"Richtige Richtung"
Im Gegenzug will Jeremy Hunt nun die geplante Senkung des Basistarifes der Einkommenssteuer von 20 auf 19 Prozent zurücknehmen. Der für zwei Jahre angelegte Energiepreisedeckel wird bereits nach einem halben Jahr im April 2023 überprüft. Und es wird keine Senkung des Spitzensteuersatzes für Höchstverdiener geben. "Es war falsch, den Spitzensteuersatz für die Höchstverdiener in einer Zeit zu streichen, in der wir von allen Opfer verlangen müssen, um durch eine schwierige Zeit zu kommen", sagte Hunt der BBC am Wochenende. Zuvor hatte bereits Liz Truss diese Kehrtwende vollzogen.
"Das ist die richtige Richtung, auch der Ton hat sich geändert vom Finanzminister", sagt David Kohl. "Unsere Eindruck ist, dass global gesehen die Finanzmärkte Energiepreis-Subventionen eigentlich ganz gut wegstecken. Nur wenn es zugleich um Steuersenkungen geht, dann wird es problematisch." Großbritannien sei so ziemlich das einzige Land, das einen derartigen Weg hatte einschlagen wollen.
Revolte gegen Liz Truss?
Und ist nach Ansicht David Kohls auch der Grund, warum er nicht befürchtet, dass die zeitweiligen Turbulenzen am britischen Finanzmarkt andere Regionen oder gar die globalen Finanzmärkte erfassen werde. Der Vorstoß stelle keinen generellen Trend dar, den man auch in anderen Ländern beobachtet. Erst dann würden Investoren sich verstärkt Sorgen machen um die Tragfähigkeit von Schulden. So blieben die Turbulenzen - im Großen und Ganzen und bis auf Weiteres - auf Großbritannien beschränkt.
Und die neue Tonlage des frisch gebackenen Finanzministers Jeremy Hunt könnte die Lage und die Märkte in den kommenden Tagen zusätzlich beruhigen. Immerhin hat Hunt errechnet, dass der durch ihn vollführte Kurswechsel die Steuerpläne der Regierung im Jahr um 32 Milliarden Pfund entlasten werde.
Fragt sich nur, wie lange Premierministerin Liz Truss - seit gut anderthalb Monaten erst im Amt - noch durchhält. Glaubt man der Zeitung Daily Mail, muss sie sich noch in dieser Woche einem Misstrauensvotum stellen. Mehr als 100 Abgeordnete ihrer eigenen Partei seien bereit, sie zu stürzen. Rücktritt oder Revolte, das bleibt die Frage der Woche.