Kurzfristiger Kredit
30. Mai 2003Mit repräsentativen Geschäftsräumen, die wie Bankfilialen oder Juwelierläden aussehen, möchten viele der etwa 200 Leihhäuser in Deutschland eine seriöse Alternative zu herkömmlichen Geldinstituten bieten. Penibel sollen die Pfänder ausgewählt und diskret die Kundschaft bedient werden. Einige Leihhäuser werden dem Klischee jedoch immer noch gerecht und haben mit schmuddeligen Geschäftsräumen scheinbar kein Problem.
Einfach angenehm
Die Branche insgesamt kann im schwierigen Wirtschaftsumfeld nicht klagen. Allein 2002 stiegen die Umsätze um 9,5 Prozent auf rund 400 Millionen Euro. Allerdings habe dies nicht an einem Ansturm von Bürgern gelegen, die ihren klammen Geldbeutel auffüllen wollten, erklärt Klaus Germann, Geschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Pfandkreditgewerbes (ZdP). Vielmehr bescherte der steigende Goldpreis den Pfandleihern das Erlöswachstum.
Im Leihhaus am Eschersheimer Turm in der Frankfurter Innenstadt trägt Geschäftsführerin Nicole Gentil ihren Teil zum Imagewechsel der Branche bei. Im Geschäftsraum stehen Grünpflanzen neben einer kleinen Wartebank. Gentil sieht das Leihhaus keinesfalls als Kreditgeber für Einkommensschwache an. Die Kunden kämen nicht, weil sie überhaupt kein Geld hätten, sondern weil es angenehm sei, sich auf diese Weise kurzfristig Kredit zu verschaffen.
Geld innerhalb weniger Minuten
"Wir geben keine Almosen, sondern Geld für ein Pfand", betont die Geschäftsführerin. Dennoch liegt Unbehagen in der Luft, als ein junges Paar Abschied nimmt von seinen Habseligkeiten, die auf einem kleinen filzbezogenen Tablett auf die Waage und dann in den Tresor gelegt werden. Sie kassieren den Pfandbetrag und verlassen fluchtartig das Leihhaus.
Wer zum Pfandleiher geht, kriegt sein Geld innerhalb weniger Minuten. Einen "immensen Formularkrieg" und eine zuvor notwendige Anfrage bei der Kreditauskunft Schufa gibt es im Gegensatz zum Bankdarlehen nicht, betont Germann. Für den "Kredit" zahlt der Kunde monatlich ein Prozent Gebühr - das schreibt das Gesetz vor. Zusätzlich wird eine einmalige, gesetzlich festgelegte Kostenvergütung fällig. Die beliehenen Gegenstände werden vier Monate aufbewahrt. Zwei Verlängerungen sind möglich. Dann kommt das Pfand unter den Hammer. Mehr als 90 Prozent würden aber wieder ausgelöst.
Leere Chipstüten
Der Absprung vom alten Image glückt jedoch nicht überall. Schokoladenpapiere und eine leere Chipstüte liegen auf dem Boden des Fahrstuhls eines anderen Pfandhauses in der Frankfurter Innenstadt. Drinnen herrscht reger Andrang. Vor den drei mit Glas geschützten Schaltern hat sich eine Schlange gebildet. Die Wände sind kahl bis auf ein Plakat mit den Geschäftsbedingungen.
Ein junger Mann im Blaumann hat zwei Handys mitgebracht. Mit den Oberarmen auf den Tresen gelehnt will er eine gute Pfandsumme aushandeln. Für das eine bekommt er 80 Euro, das andere ist dem Leihhaus weniger wert. "Dann bring ich es eben woanders hin", sagt er beim Rausgehen. Hinter ihm steht noch eine ganze Reihe weiterer "Kunden". Ein guter Tag also – zumindest für die Pfandleiher. (mb)