Köln: Wer feiert, ist voll dabei
8. Februar 2016Armin Schmitz feiert seit 30 Jahren den Rosenmontagszug an derselben Stelle. So leer wie dieses Jahr war es noch nie, sagt er: "Das ist schon etwas schade. Aber wir feiern wie immer." Erst recht, weil es pünktlich zum Beginn des Kölner Rosenmontagszugs aufhört zu regnen und die Wolken immer wieder die Sonne durchlassen.
Schmitz steht mit seiner Frau und Freunden auf der Severinstraße in der Kölner Südstadt, etwa fünfhundert Meter entfernt von der mittelalterlichen Severinstorburg, an der der weltbekannte Kölner Karnevalsumzug beginnt. Neben ihm ein Stehtisch bepackt mit allem, was man für einen zünftigen Rosenmontag braucht: ein "Pittermännchen", also ein Bierfass für zuhause, eine Kiste Gläser, eine Schale mit aufgeschnittener "Flöns", Kölner Blutwurst und dazu ein Korb voll Brötchen.
Auch wenn Armin Schmitz vollere Straßen bei Karneval gewohnt ist, leer ist es auf der Severinstraße auch nicht gerade. Auf den schmalen Gehwegen feiern Tausende Karnevalisten. Doch während man in anderen Jahren mindestens eine halbe Stunde braucht, um als Fußgänger den ersten der rund sieben Kilometer Zugweg zurückzulegen, geht es heute sehr viel schneller.
Gute Stimmung trotz Sturmwarnung
Der Stimmung scheint das keinen Abbruch zu tun. Auch nicht die Jacken und Regenplanen, unter denen die Kostüme vieler Karnevalisten stecken. Die Menschen singen, liegen sich in den Armen und fordern lauthals "Kamelle", also Süßigkeiten, die die mehr als 10.000 aktiven Karnevalisten, die auf dem Zug mitgehen, in die Menge werfen.
Dominique ist mit zehn Freundinnen aus Frankfurt am Main nach Köln gekommen, um den Karneval in der Dom-Stadt zu feiern: "Wir finden den Karneval in Köln einfach Klasse und kommen fast jedes Jahr her", sagt sie. Wegen der Unwetterwarnung kein Karneval zu feiern, das hätte sie keinen Moment in Erwägung gezogen: "Wir sind ja extra deswegen in Köln. Außerdem ist das Wetter doch gut!"
Keine Angst vor sexuellen Übergriffen
Auch die Vorfälle in der Kölner Silvesternacht, sagt Dominique, haben ihre Karnevalspläne nicht beeinflusst. Eine ihrer Freundinnen ruft kämpferisch: "Wir haben boxen gelernt", und vollführt ein Paar Faustschläge in die Luft. Eine andere streckt ihren Arm gerade vor sich aus: "Wir wissen Bescheid", lacht sie in Anspielung auf den Rat der Kölner Oberbürgermeisterin, eine Armlänge Abstand von fremden Männern zu halten. "Natürlich muss man ein bisschen aufpassen, aber das muss man sowieso. Den Spaß lassen wir uns jedenfalls nicht verderben!", sagt Dominique.
Bis zum Nachmittag hatten die 1800 Polizisten auf den Straßen der Leitstelle keine besonderen Vorkommnisse gemeldet. "Bisher ist es ein ganz normaler Karnevals-Einsatz", sagen zwei Beamte, die schon mehrfach den Rosenmontagszug begleitet haben. Der Frage, ob es dieses Jahr besondere Anweisungen für ihren Einsatz gegeben habe, weichen sie aus: "Das ist von Einheit zu Einheit unterschiedlich. Aber sagen wir mal so: Wir verfolgen ja auch die Nachrichten und wissen, welche Befürchtungen es gibt."
Abstrakte Terrorangst oder Wetterfühligkeit?
Diese von den Polizisten angesprochenen Befürchtungen nennt das Bundeskriminalamt "hohe abstrakte Terrorgefahr". Doch die gilt insgesamt für Deutschland und nicht speziell für den Karneval. Der sei bisher in der islamistischen Propaganda nicht als Anschlagsziel aufgetaucht, heißt es.
Der 28-jährige Gideon aus Münster hat dennoch kurz darüber nachgedacht, ob es in diesem Jahr gefährlicher werden könnte in Köln. "Aber das ist ja Quatsch. Von so etwa darf man sich nicht abhalten lassen, sein Leben zu leben." Und dazu gehört es für ihn eben auch, Karneval zu feiern.
Gideon ist als Cowboy verkleidet und trägt links und rechts je eine Spielzeugpistole. Die, hatten Behörden geraten, solle man lieber zuhause lassen, um keine Missverständnisse zu provozieren. Doch Gideon winkt ab: "Ja, habe ich gehört. Aber da mache ich mir jetzt mal keine Sorgen."
Die macht sich auch Armin Schmitz im Severinsviertel nicht. Trotzdem glaubt er, dass es nicht allein an der Wettervorhersage liegt, dass die Severinstraße dieses Jahr so leer geblieben ist: "Das hat schon auch etwas mit der Sicherheitslage in Deutschland zu tun." Man könne zwar nicht genau wissen, warum manche zuhause geblieben sind. Aber das Wetter, sagt Armin Schmitz, sei mit Sicherheit schon schlechter gewesen am Rosenmontag.