Belgiens König dankt ab
3. Juli 2013Der belgische Kronprinz Philippe wurde vom Fernsehkanal "La Une" kürzlich auf einem offiziellen Besuch in Thailand gefragt, ob er und Kronprinzessin Mathilde bereit seien zu regieren. Worauf Philippe ziemlich überrascht und ausweichend entgegnete: "Ich - wir werden sehen, wenn der Moment gekommen ist." Dieser Moment steht nun unmittelbar bevor, nachdem sein Vater, König Albert II., am Mittwochabend (03.07.2013) überraschend seinen Thronverzicht angekündigt hat. Albert will am 21. Juli, dem belgischen Nationalfeiertag, zugunsten seines Sohnes, Kronprinz Philippe, abdanken. Der Monarch gab dafür Gesundheits- und Altersgründe an. Anders als in den Niederlanden wird es das erste Mal in der mehr als 180-jährigen Geschichte Belgiens sein, dass ein Monarch freiwillig abdankt. Sein Vater Leopold III. war zwar ebenfalls zurückgetreten, aber wegen seiner Rolle während der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg zu diesem Schritt gedrängt worden.
Vom Lebe- zum Staatsmann
Albert II regiert seit zwanzig Jahren. Er folgte seinem älteren Bruder Baudouin, der 1993 früh gestorben war. Anders als der tiefreligiöse Baudouin galt Albert bis dahin als Lebemann. Doch er wurde ein beliebter König. Und er hat sich bald den Ruf erworben, dem gespaltenen Belgien Zusammenhalt zu geben. Die niederländischsprachigen Flamen und französischsprachigen Wallonen, die beiden wichtigsten Volksgruppen in Belgien, streben seit Jahrzehnten immer weiter auseinander. Die zur Zeit stärkste Partei des Landes, die Neu-Flämische Allianz, N-VA, will den Gesamtstaat langfristig auflösen. Die politischen Spannungen führten 2010 und 2011 zu einer Regierungs- und Staatskrise, Belgien war mehr als anderthalb Jahre ohne Regierung. Das Land drohte auseinanderzubrechen.
Mahner in der Staatskrise
Auf dem Höhepunkt der Krise klagte Albert in seiner Weihnachtsansprache 2010: "Es kommt mir vor, als sei die Kunst, Kompromisse zu suchen, in unserem Land in den vergangenen Jahren etwas in Vergessenheit geraten." Die führenden Politiker forderte er auf, Verantwortung zu übernehmen: "Der Augenblick ist gekommen, wo wahrer Mut darin besteht, entschlossen einen Kompromis zu suchen, der zusammenführt, und nicht, die Gegensätze zu verschärfen." Dass es heute eine für belgische Verhältnisse stabile Regierung gibt, ist nicht nur dem beharrlichen sozialistischen Ministerpräsidenten Elio di Rupo zu verdanken, sondern auch König Albert.
Eine Frau will als außereheliche Tochter anerkannt werden
Doch nicht nur die Politik und das Alter haben dem Monarchen zugesetzt. Mitgliedern der königlichen Familie wurde Verschwendung vorgeworfen. Die Apanagen - außer für den König selbst - wurden zuletzt vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise stark gekürzt. In Zukunft müssen die Mitglieder der Königsfamilie Steuern auf ihre Einkünfte zahlen wie alle anderen Belgier auch. Besonders pikant für den König persönlich: Die 45-jährige Delphine Boel will über eine Vaterschaftsklage erreichen, als Kind Alberts anerkannt zu werden. Bisher ist der König noch durch die Verfassung vor einem Gentest geschützt. Durch die Abdankung wäre der Weg dafür frei. Der Ausgang des Falles gilt als offen, obwohl die Ähnlichkeit Boels mit dem König Fall frappierend ist und der Seitensprung Alberts ein offenes Geheimnis ist.
Ob Philippe als König die Klammer sein kann, die sein Vater für Belgien war, oder ob er einen Zerfall des Landes wird mit ansehen müssen, hängt natürlich nur zu einem kleinen Teil von seiner Persönlichkeit und vor allem von der politischen Entwicklung ab. Zuletzt sind die Stimmen weitgehend verstummt, die Belgien am liebsten sofort auflösen würden. Doch das könnte sich mit der nächsten Wahl im kommenden Jahr ändern.
Deutsche Sprache, Königssprache
Albert hat aber auch die dritte Volksgruppe in Belgien nie vergessen, nämlich die deutschsprachige Gemeinschaft im Osten des Landes. Dies nicht nur, weil er von einem Deutschen abstammt - Leopold I., der erste König der Belgier, stammte aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha. Die deutschsprachige Gemeinschaft ist eine der drei anerkannten Sprachgemeinschaften des Landes. Ob zu Weihnachten oder zum Nationalfeiertag, Albert hat sich immer auch auf deutsch an sie gewandt. Und das tat er auch gegen Ende seiner Ansprache am Mittwoch: "Das Ende meiner Regierungszeit bedeutet natürlich nicht, dass sich unsere Wege trennen, ganz im Gegenteil. Es lebe Belgien!"