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AfD im Aufwind

Heiner Kiesel15. September 2014

Noch lange bevor klar ist, welche Regierungskoalitionen möglich sind, beeinflussen die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen auch die Bundespolitik. Klar ist: Die Großen haben Konkurrenz bekommen.

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AfD-Chef Bernd Lucke (Foto: DPA)
Der Schrei des Siegers: AfD-Chef Bernd LuckeBild: picture-alliance/AP Photo/Jens Buettner

Ist wirklich etwas passiert? In Sachsen und Thüringen ist die CDU die stärkste Kraft, in Brandenburg erwartungsgemäß die SPD. Bei der Sachsenwahl vor zwei Wochen hat sich bei den großen Parteien nur wenig verändert. Aber es wird wahrscheinlich nicht weitergehen wie gewohnt. Die beiden etablierten Volksparteien müssen derzeit neue, teils schmerzliche Erfahrungen machen und sind gezwungen, sich an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Schuld daran ist die weiter kleiner werdende FDP und vor allem der erstaunliche Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD).

Das sorgt für Aufregung im politischen Betrieb. Bundesweit! Ist das spannend? Nach dem vorsichtig und behäbig erscheinenden Alltag der großen Koalitionen auf Landes- und Bundesebene, erscheint das als willkommene Abwechslung. "Bräsig" sei das politische Klima, heißt es bei Kommentatoren. Nun aber wird die AfD für die Etablierten sogar richtig bedrohlich.

Vor allem bei der Union zeigen die Wahlerfolge der AfD Wirkung. Die derzeitigen Wortmeldungen aus den Reihen von CDU und CSU lassen diesen Schluss zu. Deren Funktionsträger haben sich in den vergangenen Wochen bemüht, die Herausforderung durch die AfD klein zu reden, ja sie möglichst zu ignorieren. Noch am Morgen nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg – die rechtspopulistische AfD schaffte zehn, beziehungsweise zwölf Prozent – rief Unionsfraktionschef Volker Kauder dazu auf, die AfD möglichst zu ignorieren und sich stattdessen den eigenen Themen zuzuwenden. Dafür erntet Kauder inzwischen Kritik aus den eigenen Reihen. Noch aber steht das Tabu, sich nicht näher mit der AfD einzulassen. "Problemlösungen sind die Antwort", betont Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einer Sitzung des Präsidiums ihrer Partei.

Landtagswahl Brandenburg und Thüringen 15.09.2014 Merkel mit Lieberknecht und Schierack (Foto: Reuters)
Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert ihren ParteifreundenBild: Hannibal Hanschke/Reuters

Lückenfüller mit Angstthemen

"Die CDU/CSU hat es in der Vergangenheit erfolgreich verstanden, rechts von sich nichts, oder nur wenig aufkommen zu lassen", beobachtet Richard Hilmer, Geschäftsführer des Umfrageinstituts Infratest-dimap. Als Folge der Neupositionierung der Union in der Mitte des Parteienspektrums habe sich eine Lücke am Rand aufgetan, die die AfD nun versuche auszufüllen. "Gerade bei den Landtagswahlen hat es die AfD geschafft, mit Themenbereichen zu Punkten, die früher eher typisch für die Union waren." Hilmer bezieht sich auf Bereiche wie Zuwanderung, Kriminalität und Familie.

Das ist bitter für die Regierungspartei, denn die Menschen im Lande sind eigentlich ziemlich zufrieden, berichten seit langem schon die Meinungsforscher. "Die Regierung bekommt gute Werte, was die Wirtschafts- und Außenpolitik angeht, oder die Bewältigung der Finanzkrise", konstatiert Hilmer und betont, wie positiv in diesen Feldern der Politikstil der Bundesregierung ankommt. "Aber irgendwie sind da einige Ängste in der Bevölkerung nicht wahrgenommen worden", meint der Demoskop von Infratest-dimap. Es gibt offenbar mehr Unzufriedenheit in der Bevölkerung, als die Politik wahrhaben will. Die Union habe jetzt die schwierige Aufgabe, dies aufzunehmen und besser zu kommunizieren.

Richard Hilmer (Foto: DW/Kiesel)
Meinungsforscher Richard HilmerBild: DW/H. Kiesel

Auf die Bevölkerung zugehen

Wahrscheinlich reicht tatsächlich nicht aus, reale Probleme zu lösen, wie Angela Merkel sich das wünscht. Merkels Regierungspartner, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, ist da schon einen Schritt weiter: "Es kommt darauf an, was die Bevölkerung bewegt!" Die Aussage deutet auf einen Politikstil, der reale Probleme angeht, aber auch auf die Ängste und Befindlichkeiten der Bürger eingeht. "Viele Menschen haben Sorgen und Ressentiments, wegen der Stabilität der Währung und der Flüchtlingsbewegungen", oder ganz diffus, dass die Welt aus den Fugen gerät, sagt Seehofer in München und verspricht, sich darum zu kümmern. Es könnte sein, dass die Bundespolitik eine Spur populistischer wird als bisher. Vielleicht passt dazu, dass sich auch die Grünen nach den letzten Landtagswahlen wieder dafür ausgesprochen haben, Elemente der direkten Demokratie zu stärken.

Landtagswahl Brandenburg 15.09.2014 Dietmar Woidke mit Gabriel
SPD-Vorsitzender Gabriel freut sich mit dem Brandenburger SPD-Spitzenkandidaten Dietmar WoidkeBild: Hannibal Hanschke/Reuters

Tabubrüche sind möglich

Die Union wirkt nach drei Landtagswahlen und einer Europawahl mit einer erstarkenden AfD wie geschockt. Dieses Gefühl kennt die SPD schon einige Zeit. "Die Linke" macht ihr vor allem im Osten schon seit langem das politische Leben schwer. Eine interessante Konstellation für die beiden großen Volksparteien, findet Richard Hilmer. "

Die SPD ist da der Union an Erfahrung etwas voraus. Sie hat zwar die Wahl, mit wem sie regieren will, aber – wie in Thüringen – macht sie das nicht mehr aus der Position der Stärke heraus. Es gebe keine Tabus mehr im Umgang mit der Linken, hatte Parteichef Sigmar Gabriel beim letzten Bundesparteitag der Sozialdemokraten ausgerufen. Jetzt könnte es sogar sein, dass sich die SPD einem linken Ministerpräsident unterordnet. Das wäre eine dramatische Entwicklung für das politische Selbstverständnis der SPD auch auf Bundesebene. Vor solchen Tabubrüchen ist die Union dann doch noch ziemlich weit entfernt.