Langes Warten für ein kurzes Winken
25. Juni 2015Was hat Frankfurt nicht schon alles erlebt. 1963 war US-Präsident John F. Kennedy da und bevor es die Partymeile am Brandenburger Tor in Berlin gab, kamen die Fußballweltmeister immer zum Feiern in die Bankenmetropole am Main. Aber die Besucherin, die da am Donnerstag vom Balkon des Römers winkte, die war schon etwas Besonderes.
"Frankfurt ist ein Stück weit elektrisiert von ihrem Besuch", sagte Michael Bußer, Sprecher der hessischen Landesregierung, der DW vor dem vierstündigen Aufenthalt ihrer Majestät. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, es sei eine "große Ehre" Queen Elizabeth II. (89) und ihren Ehemann, Prinz Philip (94), den Duke von Edinburgh, zu empfangen.
Tee und Gin
Es war ein großer Tag für die Stadt. Obwohl der aktuelle Staatsbesuch Ihrer Majestät schon der fünfte in Deutschland ist, war sie noch nie in Frankfurt. Vielleicht hatte ihr ja ihr Ehemann erzählt, wie schön der Paulsplatz ist, eingerahmt vom Rathaus Römer und altmodischen Fachwerkhäusern. Prinz Philip war 1993 schon einmal in Frankfurt.
Gespannt hatten viele Frankfurter die Queen erwartet. Unter denen, die als erste am Römer ankamen, war Klaus Del Ponte. Er baute seinen Picknicktisch gegen 10 Uhr auf und schenkte Tee mit Milch aus - typisch Britisch. Den Eindruck verstärkte noch, dass der Frankfurter Krankenpfleger eines der originalen Krönungsalben von Elizabeth aus dem Jahre 1953 dabei hatte und Interessenten gern die alten Fotos zeigte.
Donald Berube gab dagegen ein eher ungewöhnliches Bild ab. Er kam mit einem Schild seines "Queen Mum Clubs", dessen schwule, lesbische und heterosexuelle Mitglieder sich jeden Dienstag in einer Frankfurter Bar zum Gin trinken treffen. Und: Er trug eine Lederhose. "Wenn die chinesischen Touristen kommen, kann ich mir vielleicht noch was dazu verdienen," sagte Berube.
Aber auch die waren verkleidet: Eine chinesische Mutter trug einen Rock mit den berühmten Londoner Doppeldeckerbussen darauf. Ihre zwei kleinen Söhne wedelten mit selbstgebastelten Union Jack Flaggen.
Erst Geschichte, dann Mittagessen
Die Ankunft der Queen am Flughafen Frankfurt wurde für die wartenden Fans in der Innenstadt auf eine Großleinwand übertragen. Als die Menge endlich einen ersten Blick auf die Königin und Prinz Philip vor der Paulskirche erhaschen konnte, schwenkten alle eifrig kleine deutsche, hessische und britische Fähnchen, die vorher verteilt worden waren.
Das royale Paar war allerdings nur für ein paar Sekunden zu sehen, bevor es gemeinsam mit Bundespräsident Joachim Gauck, seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt, Frankfurts Oberbürgermeister, Hessens Ministerpräsident und seiner Frau im Gebäude verschwand.
Der Wunsch, die Paulskirche zu besuchen, kam angeblich aus dem Buckingham Palast. Die Kirche gilt als Wiege der deutschen Demokratie, weil hier 1848 die erste demokratisch gewählte Nationalversammlung zusammenkam. Außerdem bekam die Queen die Goldene Bulle gezeigt. Das Gesetzbuch des Heiligen Römischen Reiches von 1356 legte Frankfurt als Ort fest, an dem alle deutschen Könige bestimmt werden sollten.
Nach dem Besuch der Paulskirche gingen die Queen, Prinz Philip und ihre Gastgeber zum Römer, wo sie ein Mittagessen - oder "Mittagsbankett", wie es offiziell bezeichnet hieß - mit 120 ausgewählten Gästen erwartete. Unter den Geladenen waren die entfernten Verwandten der Queen aus Deutschland, der britische Botschafter, der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, und einige glückliche "Normalsterbliche".
Strenge Sicherheitsregeln
Ihnen wurde ein Wein aus dem Jahre 1953 serviert, "nicht weil der endlich mal weg muss, sondern weil das das Krönungsjahr der Königin war", sagte Regierungssprecher Bußer. Außerdem kamen regionale Spezialitäten auf den Tisch: Frankfurter Grüne Sauce, Kalb gewälzt in Frankfurter Kräutern und Dessertvariationen zum "Thema Apfel".
"Da musste die Dame 89 Jahre alt werden, bis sie mal was Ordentliches zu essen bekommt", so der lachende Kommentar hierzu von Karl, einem Renter aus Hessen, als er hörte, was es bei der Queen zum Lunch gab.
Den Fans draußen vor dem Römer hätten schon ein paar Schlucke Wasser gereicht. Alle Flaschen mussten bei der Polizeikontrolle am Eingang zum abgesperrten Bereich abgegeben werden - sonst hätte man sie ja später mit einem sehr, sehr weiten Wurf auf Queen Elizabeth und Prinz Philip schleudern können.
Wichtige Etikette
Die Frage, die Michael Bußer am häufigsten von denen hörte, die zum royalen Mittagessen im Römer eingeladen waren: Was soll ich anziehen? "Bei den Frauen ging es vor allem um die Hutfrage", sagte Bußer lachend. Dabei sei doch die richtige Etikette viel wichtiger. Es gilt: Die Queen nur ansprechen, wenn sie dich anspricht, und Hände schütteln geht nur, wenn sie zuerst die Hand ausstreckt. Ein Knicks muss nicht sein, gilt aber als höflich.
Bußer selbst war auch zum Mittagessen eingeladen, wusste aber im Vorfeld nicht, ob er der Queen auch persönlich vorgestellt werden würde. "Sollte ich die Gelegenheit bekommen, ist es selbstverständlich, dass ich dann auch einen Diener mache," sagte er und gab im Vorfeld zu, dass er schon ein wenig nervös und aufgeregt sei.
Die Aufregung und Feierstimmung sank auf dem Paulsplatz etwas, nachdem die Ehrengäste mit den deutschen Würdenträgern im Römer verschwunden waren. Für etwa zwei Stunden gab es nichts zu tun, als in der brennenden Sonne zu warten. Eine ältere Dame wurde mit der Hitze nicht fertig und brach zusammen. Sie wurde von Polizisten und Sanitätern vom Platz getragen.
Das große, kurze Finale
Aber je näher 14:40 Uhr rückte, die Uhrzeit, zu der Ihre Majestät auf den Balkon treten sollte, desto besser wurde die Stimmung. Eine Gruppe von Menschen stimmte spontan "God save the Queen" an und der Platz füllte sich.
Als der große Moment schließlich gekommen war, ging alles ganz schnell. Queen Elizabeth war vor lauter Kameras, Handys und Tablets, die in die Höhe gestreckt wurden, kaum zu sehen. Sie lächelte, sie winkte und dann war sie auch schon wieder verschwunden. Innerhalb einer Minute war alles vorbei.
"Für diese 30 Sekunden habe ich hier 3 Stunden gestanden?" beschwerte sich ein junger Mann bei seiner Freundin unter Hinzuziehung einiger Kraftausdrücke. Aber Großbritannien-Liebhaber und Queen-Fan Klaus Del Ponte war begeistert. "Ich bin immer noch ganz verzückt", sagte er hinterher. An diesen Tag wird er sich wohl sein Leben lang erinnern.