Lara Croft: Weniger Oberweite, mehr Tiefgang
14. März 2018Als am 31. Oktober 1996 das erste Computerspiel mit der kämpfenden Archäologin rauskam, war die zockende Männerwelt begeistert: Lara Croft bediente in "Tomb Raider" das romantische Bild einer echten Amazone. Kämpferisch, unerschrocken, stark, hübsch - und extrem kurvenreich. Natürlich waren diese Stereotype ziemlich peinlich, sexistisch und lächerlich. Dennoch wurde dieses faszinierende Pixelwesen zu einer Ikone der Computerspiele und darüber hinaus. Lara Croft tobte und stöhnte sich in zwei Jahrzehnten durch insgesamt 15 Videogames und 2 Kino-Blockbuster - der dritte kommt am 15. März 2018 ins Kino.
Frauenköpfe auf Männerkörper stecken war keine Option
Die Spieleentwickler haben sich bei der Erfindung ihrer Charaktere nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert - Frauen waren gerne kurvenreiche Gespielinnen der männlichen Helden oder hysterische Opfer, die von starken Männern gerettet werden mussten. Lara Croft war lange Zeit eine Seltenheit, denn Frauen galten eher als keine spielbaren Charaktere. Es gibt berühmte Beispiele:
1993 erschien das erste Fußball-Game "FIFA". An Frauen war dabei viele Jahre nicht zu denken, trotz mehrfacher Petitionen seitens der Fans. Erstmals bot EA Sports 2015 in "FIFA 16" auch Frauenteams - und ist dabei geblieben, mit immer besseren Features und Auswahlmöglichkeiten. Warum es so lang gedauert hat, erklärt "FIFA"-Chefentwickler David Rutter: "Männer gehen und joggen auf eine bestimmte Weise, Frauen auf eine ein wenig andere - wir wollen, dass das glaubwürdig aussieht." Dasselbe gelte auch für das Geschehen auf dem Platz. Denn Frauenfußball sei einfach langsamer. Und schließlich könne man nicht einfach Frauenköpfe auf Männerkörper stecken. So wurden schließlich echte Fußballerinnen in Anzüge mit Sensoren gesteckt, die die weiblichen Bewegungen aufzeichneten. Die Programmierer übernahmen dies und setzten es um. Und siehe: Der Frauenfußball hat sich schließlich in der FIFA-Reihe etabliert; inzwischen ist FIFA 18 da.
Auch mal als Frau in den Heuhaufen springen
Die Macher des Abenteuer-Blockbusters "Assassin's Creed" bekamen reichlich Fanschelte, weil es den Spielern nicht möglich war, in die Rolle eines weiblichen Meuchelmörders zu schlüpfen und wie die männliche Hauptfigur Hauswände hochzuklettern, von Dächern in Heuhaufen zu springen und unliebsame Zeitgenossen zu beseitigen. Den Entwicklern wäre ein weiblicher Charakter schlichtweg zu aufwändig gewesen, sagte der technische Direktor von Ubisoft, James Therien, damals dem Magazin "VideoGamer.com": "Man muss viele Animationen und Kostüme nochmal anfertigen, das würde den Arbeitsaufwand in diesem Bereich verdoppeln." Das sei nun mal die Realität eines Spieleentwicklers.
Auch hier haben die Entwickler ihre Meinung geändert. 2015 kam in "Assassin's Creed Syndicate" erstmals eine Frau ins Spiel: Evie kämpft im düsteren London des 19. Jahrhunderts gegen unheimliche Templer.
Der Egoshooter "Call of Duty" erhielt im selben Jahr eine weibliche Spielfigur und "Dishonored 2" zog mit einer um ihren Thron kämpfenden Kaiserin ebenfalls nach. Allerhöchste Zeit. Denn laut dem "Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware" war das Publikum schon damals zur Hälfte weiblich - was sich bis heute nicht signifikant geändert hat.
Der Startschuss für das Umdenken in der Entwicklerszene war schon lange vorher gefallen. Die US-amerikanische feministische Bloggerin Anita Sarkeesian hatte 2012 durch eine Reihe von Videos eine heftige Debatte um weibliche Rollen in Computerspielen entfacht und einen Shitstorm geerntet. Es war nicht mehr zu übersehen, dass ein gesellschaftlicher Diskurs schließlich auch in den Computerspielen angekommen war.
Immer mehr Frauenrollen in PC-Games
Inzwischen aber sind viele Spiele auf dem Markt, in denen sich Frauen als vielschichtige Charaktere hervortun. In der "Uncharted"-Reihe ist die Figur Nadine Ross die Anführerin einer Söldnertruppe, die durch ihre Kriegseinsätze zu einer extrem guten Kämpferin geworden ist. In "Hellblade: Senua's Sacrifice" leidet eine junge keltische Kriegerin unter Wahnvorstellungen und nimmt den Spieler mit auf einen Psychotrip, gespickt mit keltischer Mythologie und jeder Menge Grausamkeiten. In "Horizon Zero Dawn" schießt sich die Kriegerin Aloy mit Pfeil und Bogen durch eine Welt voller übler Roboter-Tiere.
Und was ist aus Lara Croft geworden? Längst hat sie im Lauf der Jahre ihre Rundungen verloren und Tiefgang gewonnen. Sie hat inzwischen auch viel mehr an. Was ihr auch bei ihrem letzten Spiele-Abenteuer "The Rise of the Tomb Raider" (2016) enorm hilft. Dort ist sie nämlich in Sibirien unterwegs und muss sich gegen Eiseskälte, Wölfe, eine unheimliche Organisation und einen Haufen Untoter behaupten. Dass sie brutalste Kämpfe nicht ganz unversehrt überlebt, zeigen die Bilder im Spiel - ohne Blessuren ist die zierliche Kämpferin selten zu sehen. Was die frühere Lara Croft mit den großen Brüsten bei Männern auslöste, tut die heutige längst nicht mehr. Eher weckt sie schonmal den Beschützerinstinkt, wenn sie schwer verletzt versucht, sich einen blutenden Arm zu verbinden.
In der neuen Verfilmung ist die schwedische Oscar-Preisträgerin Alicia Vikander eine gute Besetzung für die neue Lara Croft: Kein Überweib mehr, sondern eine toughe, zierliche, schöne und kluge junge Frau, die sich gegen Tod und die schlimmsten - männlichen - Feinde behaupten kann. So steht sie in einer Reihe mit den modernen Filmheldinnen wie Rey aus Star Wars (Daisy Ridley) oder Catness aus den Tributen von Panem (Jennifer Lawrence). Top-Einspielergebnisse sind garantiert.