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Ein großer weißer Nachbar

Louise Osborne13. September 2016

Lange Sandstrände, türkises Wasser… und Weiße Haie. Über die letzten zehn Jahre haben die Menschen an der US-Atlantik-Küste gelernt mit einem der gefürchtetsten Meeresbewohner zu leben.

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Ein Holzschild mit Bissspuren, darauf steht: Willkommen in Chatham, Heimat des Weißen Hais
Bild: Louise Osborne
Gelbe Gummienten prangen auf dem Rücken eines Hais aus Holz, der gestützt auf mehrere Stöcke, anscheinend über dem Boden schwebt. Auf einem anderen Hai ist eine Boje aufgemalt, die im ruhigen Wasser schwimmt.

Dory, der vergessliche Fisch aus dem Disney-Film, ist auf einem weiteren Holzhai verewigt. Mehr als ein Dutzend der Haie, alle mit einem anderen Design, stehen hier zusammen. Davor ein weißes Schild mit Bissspuren und dem Bild eines Riesenfisches. Darauf steht: Willkommen in Chatham - die Sommerresidenz des großen Weißen.

Das "Haie im Park"-Ensemble ist nur ein Weg, wie die kleine Stadt mit den neuen Nachbarn umzugehen versucht. Vor kaum zehn Jahren hatte Chatham, ein Touristenörtchen am "Ellbogen" der Halbinsel Cape Cod an der US-Ostküste, eine ganz andere Attraktion: die Strände und seine malerischen kleinen Straßen. Jetzt ist es der Weiße Hai.

"Eine Menge Leute hier wollen nicht, dass wir als Hai-Städtchen bekannt sind. Aber das sind wir nun mal, und wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen", sagt Lisa Franz, die Geschäftsführerin der örtlichen Handelskammer.

Ein Hai vor der Küste von Chatham
Der Weiße Hai ist der größte Raubfisch der Welt. Die Tiere haben rund 300 Zähne, obwohl sie ihr erbeutetes Fressen nicht, so der WWFBild: Elias Levy/CC BY 2.0
Örtliche Fischer berichten schon lange über Sichtungen des Weißen Hais. Aber bevor Mitte der 2000er Robben-Kadaver an den örtlichen Stränden angespült wurden, gab es kaum handfeste Beweise für die Existenz der Raubfische. Anfangs waren es nur wenige, aber 2009 war klar, dass die Haie hier in großer Zahl vorkommen, sagt Meeresbiologe Greg Skomal.

"Ich bin sicher, dass die Weißen Haie die Robben erst mit der Zeit bemerkten", erläutert er. Die Haie seien im Lauf der Jahre langsam in die Gegend eingewandert. "Dieser Lernprozess der Tiere dauerte lange - sie haben ja keine sozialen Medien, die sie unmittelbar [über die potentielle Beute] informieren würden."

Fast Food

Im vergangenen Jahr markierte Skomal mehr als 140 Tiere vor der Küste Chathams und einer Stadt nördlich davon, Orleans. Aber es ist immer noch nicht klar, wie viele Tiere sich im Wasser entlang der Atlantikküste vor Cape Cod tummeln.

Kegelrobben sind vermutlich die Hauptattraktion für die Raubfische. Ursprünglich eine Hauptnahrungsquelle der Haie, wurden die Robben lange Jahre gejagt bis sie beinahe ausgestorben waren. Durch die Einführung des Gesetzes zum Schutz von Meeressäugern 1972 änderte dies. In den vergangenen vier Jahrzehnten ist ihre Zahl wieder deutlich gestiegen.

In der Folge ist die Küste von Cape Cod abgesehen von Westaustralien und Südafrika einer der wenigen Orte weltweit geworden, wo sich die Weißen Haie in großer Zahl zusammenfinden. Aber während in Australien 33 Haiattacken allein im Jahr 2015 verzeichnet wurden - zwei davon tödlich -, gab es in Cape Cod erst eine einzige - die erste seit 1936.

Ein furchteinflößend aussehender Weißer Hai
Trotz der Angst der Menschen, werden viel mehr Haie von Menschen getötet als umgekehrt. Forscher gehen davon aus, dass jedes Jahr rund 100 Millionen Haie unterschiedlicher Arten so sterbenBild: Lwp Kommunikáció/CC BY 2.0
Das war 2012, als ein Mann mit seinem Sohn in Truro, das etwas die Küste hoch von Chatham liegt, schwimmen ging. Sie waren auf der Suche nach einer guten Stelle zum Bodysurfen, nur wenige Hundert Meter vom Strand, als ein großer Weißer ihn biss. Der Mann überlebte die Begegnung.

Dennoch, sagt Skomal, ist es nur eine Frage der Zeit, bevor jemand getötet wird.

"Beinahe überall, wo es diese Konzentration von Weißen Haien gibt, kommt es unweigerlich zu Interaktionen. Menschen werden gebissen - in einigen Fällen tödlich. Das versuchen wir auch gar nicht zu verschweigen, aber wir betonen, dass die Wahrscheinlichkeit dafür extrem gering ist", sagt Skomal.
Geschäftsideen

Aber es war just diese Wahrscheinlichkeit von Attacken oder gar Toten, die die Angst in Städte wie Chatham trug. Die Gemeinden sahen sich mit der Möglichkeit konfrontiert, dass die Haie die Touristen aus einer Gegend, die so sehr von ihnen abhängt, vertreiben.

"Als wir erstmals begannen, den großen Weißen zu sichten, hat uns das wirklich besorgt: Wie würden die Leute das aufnehmen, würde unser Geschäft darunter leiden?", so Lisa Franz von der Handelskammer.

Die Reaktion war dann aber größtenteils eine andere: Neugier. Menschen überrannten die Stadt regelrecht, um einen Blick auf den Riesenräuber mit den Rasiermesserzähnen zu erhaschen.

"Es gab Verkehrsstaus, weil so viele Leute kamen und die Haie sehen wollten", sagt sie. "Wir mussten einen Weg für alle finden, entspannter damit umzugehen, und die Gemeinschaft zieht nun wirklich an einem Strang."

Ein Zeichen erklärt Schwimmern, wie sie sich verhalten müssen
Ein neues Bewusstsein scheint skeptische Einheimische für die neuen Bewohner eingenommen zu haben.Bild: Louise Osborne
Davon zeugen auch die Hai-T-Shirts, Kuscheltiere und andere Waren, die Geschäfte vor Ort an Touristen verkaufen. Und statt zu versuchen seine neuen Meereseinwohner loszuwerden, hat die Stadt Frühwarnsysteme und Tracking Apps eingeführt, die Alarm geben, wenn die Tiere den Badestränden zu nahe kommen, sagt Dan Tobin, Direktor der Park- und Freizeitbehörde von Chatham.

"Bisher hat es keine Probleme gegeben. Das Kommunikationssystem vor Ort ist gut, und wenn Haie gesichtet werden, dann ist jeder ganz schnell darüber informiert", erklärt er. "Moderne Technologie hat uns hier sehr geholfen, und es wird mit jedem Jahr noch besser."

Faszination schlägt Angst

Skomal lobt, wie die Stadt die Herausforderung durch die Ankunft der gefürchteten Seekreatur angenommen hat. Es gibt viele Infos zu den Tieren und wo sie sich aufhalten. Kampagnen haben ein größeres Bewusstsein für die Raubfische und mögliche Gefahren geschaffen.

"Die Faszination ist größer als die Angst. Die Leute mögen aufgehört haben Hunderte Meter rauszuschwimmen, aber sie kommen weiterhin an den Strand. Und viele tun dies, um eines dieser Tiere zu sehen - ich denke, das ist wirklich eine erstaunliche Entwicklung."

Dass die Haie regelmäßig zu sehen sind, gibt auch Wissenschaftlern wie Skomal die Chance, die Tiere, ihre Bewegungen, Fortpflanzung und ihr Verhalten besser zu studieren.

Chatham Chamber of Commerce - ein malerische Holzhaus
Schöne Hauser waren einst das Markenzeichen der Küstenstadt. Das ist heute anders.Bild: Louise Osborne
Aber trotz allem, gibt der Meeresbiologe zu, sei es wichtig, vorsichtig zu sein - sogar er hat Alpträume, in denen Haie vorkommen.

"Ich glaube es ist normal und gesund, einen gewissen Grad Angst zu haben vor den Tieren, die dich beißen können. Andernfalls wäre das Überleben unserer Art ja gefährdet. Ich habe eine gesunden Respekt vor den Haien."

Die Erfahrungen, die man auf Cape Cod gemacht hat, sind weitestgehend positiv. Und selbst die eine Haifisch-Attacke, dies es gab, wird eher dem unvorsichtigen Schwimmer als dem Tier angekreidet. Doch der echte Test kommt, wenn es wirklich mal einen tödlichen Angriff geben sollte, sagt Skomal.

"Es wird vom Verhalten des Opfers abhängen, und wer das Opfer ist", sagt er. "Aber ich denke, Chatham geht mit der neuen Situation ziemlich gut um und setzt auf den Geist der Koexistenz. Ich denke es funktioniert."