Legale Lieder für die Freiheit
21. Januar 2003Fehart Tunc ist Musiker und in seiner Heimat, der Türkei, als Volkssänger bekannt. Tunc legt wert darauf, dass er für die Türkei singt - für alle sozusagen. Er begeistert vor allem Kurden, denn der Barde ist kurdischer Abstammung. Doch seine eigene Sprache beherrscht er nicht perfekt. Seine Eltern brachten ihm aus Angst vor Repressalien die eigene Muttersprache kaum bei. Kurdisch zu sprechen, zu lehren oder zu singen war offiziell nicht erwünscht.
Auch Tunc hat darunter gelitten. Seit 20 Jahren macht der Kurde, der gelegentlich auch als Journalist in der Türkei arbeitet, Musik. Weil er in der Türkei wegen seiner Kultur unterdrückt wurde, lebte er Anfang der 80er Jahre in Deutschland. Vor fünf Jahren wurde der Liedermacher, der für eine Lösung kurdischer Probleme eintritt, in Ankara verhaftet und gefoltert - weil er sich zu sehr eingesetzt hatte.
Nun scheint sich die türkische Regierung einen Riesenschritt in Richtung Demokratie zu bewegen. Erstmals hat sie im August 2002 Zugeständnisse an die Pflege der kurdischen Kultur gemacht: Wöchentlich können nun Rundfunkstationen vier Stunden in Kurdisch senden und die Sprache darf unterrichtet werden. Doch noch ist dies mit vielen Auflagen verbunden: So ist das nur den staatlichen Rundfunksender vorbehalten und kurdisch als Lehrfach gilt nur an privaten Sprachschulen. Das sei viel zu wenig und nicht wirklich demokratisch, meint Tunc.
Kaufen ohne Angst
Die Musikvertreiber und Produzenten sind jedenfalls erleichtert. In Istanbul, dem Herzen der türkischen Musikindustrie, verzeichnet man nun einen reißenden Absatz kurdischer Musik. Ein Manager der Musik-Agentur Umut Plak in Istanbul berichtet, dass der Verkauf um 20 Prozent in die Höhe geschnellt ist. Auch die Käufer seien erleichtert. Die tägliche Angst, jemand könnte sie beim Hören der Musik ertappen und bestrafen, ist weg. Viele Musiker haben auf diesen Tag gewartet.
Die Europäische Union begrüßt die Entwicklung des ewigen Sorgenkindes Türkei. Die Kulturreform der türkischen Regierung habe ein positives Zeichen gesetzt, so ein Sprecher der Erweiterungskommission in Brüssel im Gespräch mit DW-WORLD. Die Türkei will eine "Strategie der Toleranz" einführen. Demokratie bedeute allerdings auch die Förderung anderer Kulturen in der Türkei, nicht nur der kurdischen.
Demokratie-Versuche?
Wenn alle Traditionen ohne Repressalien gepflegt werden können, dann sei die Türkei der EU ein Stück näher gerückt, so der Türkei-Experte der EU. Doch das sei noch nicht der Fall. Neben der Förderung der Kultur sei nach wie vor die schwache Infrastruktur im Südosten des Landes ein gravierendes Problem. Und somit auch die Versorgung der oftmals in bitterarmen Zuständen lebenden Kurden.
Tunc produziert gerade in der Türkei ein neues Album. Der Titel: "Brüderlichkeit". Er hofft, dass bei einem Beitritt der Türkei in die EU endlich auch mehr Demokratie für sein Volk erreicht werde. "Die europäische Gemeinschaft ist für uns eine Chance".