Lela. Montreal. Journalismus
5. August 2021"Ich denke, dass die unausgewogene Repräsentation von gesellschaftlich benachteiligten Gruppen in den Medien eine Menschenrechtsangelegenheit ist." Lela Savic ist Journalistin und lebt in Kanada. Sie ist überzeugt davon, dass Medien einen großen Einfluss darauf haben, wie Menschen sich fühlen - und auch auf deren Entscheidungen und ihren Lebensweg.
Diese Auswirkungen seien besonders in der Roma-Community spürbar, sagt Lela im DW-Gespräch und warnt vor den Auswirkungen des oftmals verinnerlichten Hasses von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft auf die Perspektiven junger Roma: "Viele von uns glauben nicht daran, eine erfolgreiche Karriere erleben zu können, weil wir auf vielen Ebenen unsichtbar sind. Die meisten Medien realisieren gar nicht, wie viel Schaden sie damit anrichten, wenn sie marginalisierte Gruppen ignorieren."
Lela ist überzeugt davon, dass sich etwas verändern würde, wenn es mehr sichtbare Vorbilder aus der Community gäbe: "Wenn wir wollen, dass sich gesellschaftlich etwas verändert, dann müssen wir bei den Medien anfangen. Journalismus kann in diesem Kontext viel bewirken, denn er beeinflusst die Wahrnehmung und Werte der Gesellschaft."
Kampf gegen Stereotypen und Lügen
Als Chefredakteurin von "Svato" und "La Converse" tritt Lela für einen Journalismus ein, der mit selbstbestimmten Narrativen aus der Community dazu beiträgt, die Repräsentation von Roma und anderen marginalisierten Gruppen zu stärken. "Die Community ist stolz, etwas Professionelles zu sehen, das sie repräsentiert und respektiert", fügt sie hinzu.
Lela ist selbstbewusst und zielstrebig. Doch das war nicht immer so. Diese Eigenschaften sind das Resultat ihrer jahrelangen konsequenten Arbeit und Hingabe. Geboren in Serbien, musste sie als Kind das Land verlassen, denn der Krieg hatte begonnen, das Leben ihrer Familie zu erschüttern. So kam Lela als Sechsjährige nach Kanada. Mit 16 Jahren entwickelte sie den Wunsch, Journalistin zu werden - als Reaktion auf die verzerrte Darstellung der Roma in den Medien: "Es war wie Folter, die Darstellungen von Roma-Communities im Journalismus und in den Filmen von Kusturica und Gatlif zu sehen. Es sind exotisierte Perspektiven aus Sicht der Gadje (Nicht-Roma - Anm. d. Red.). Sie basieren auf Stereotypen und Lügen, und in mir wuchs das Bedürfnis, diese Form der Entmenschlichung durch authentische, selbstbestimmte Narrative zu beenden."
Lela hat einen Abschluss in Psychologie und Kommunikation. Doch der Wunsch, in den Journalismus zu gehen, hat sie nie losgelassen. Deshalb arbeitete sie zunächst ehrenamtlich für einen lokalen Radiosender. Sie hatte sich zuvor auf mehrere Stellen in der Kommunikationsbranche beworben, doch trotz ihrer Qualifikation stieß sie auf "gläserne Decken und systemische Barrieren", wie sie sagt.
Ein Traum wird wahr
Die stärkste Motivation, ihren Traum weiter zu verfolgen, kam unerwartet - Lela wurde Mutter und beschloss, noch einmal an die Universität zu gehen, um ihrer Tochter das Vorbild zu sein, das sie verdienen würde: "Wie kann ich meine Tochter in dem Glauben großziehen, dass sie ihre Träume verwirklichen kann, wenn ich es selbst nicht tue? Wie könnte sie es jemals wagen, zu träumen, wenn die Umsetzung dieses Traums wie ein Privileg erscheint, das sich die meisten von uns einfach nicht leisten können?"
Es war eine harte Zeit für sie als alleinerziehende Mutter, die natürlich auch arbeiten musste, um sich ihr Leben zu finanzieren. Als ihre Tochter 14 Monate alt war, drückte Lela für zwei Jahre zweimal die Woche die Schulbank. Sie machte ihren zweiten Abschluss - diesmal in jenem Fach, von dem sie so lange geträumt hatte: Journalismus.
Lela hat in ihrem Leben immer wieder erfahren müssen, wie hart es ist, wenn man nicht wohlhabend oder Teil der High-Society ist. Das ist einer der Gründe dafür, warum sie sich speziell in sozial benachteiligten Vierteln engagiert.
"Ich versuche durch das Erzählen von Geschichten in den Medien, die Roma und andere benachteiligte Gruppen von den Rändern der Gesellschaft in die sichtbare Mitte zu holen."
Rassismus in der Medienbranche
Obwohl sie bereits viele Hindernisse überwunden hat, fühlt sich Lela beruflich immer noch oft reduziert auf ihre kulturellen Wurzeln - zum Beispiel, wenn sie rassistischen Kommentaren in der Medienbranche ausgesetzt ist: "Ich schlug eine Story über Roma in einem Mainstream-Medium vor. Ich wurde daraufhin gefragt, ob das nicht ein Interessenskonflikt wäre. Würde jemand aus der Mehrheitsgesellschaft auch so etwas gefragt werden? Ist es ein Interessenskonflikt, wenn weiße Menschen täglich über weiße Menschen berichten?"
Lela erklärt, dass dieses Beispiel sehr gut illustriere, wie voreingenommen manche Chefredakteure seien und wie wenig Bewusstsein es für die Position benachteiligter Gruppen in den Redaktionen gebe. Aus diesem Grund wurde ihr Standpunkt oft nicht als der einer Expertin akzeptiert - sondern lediglich als der einer Betroffenen interpretiert: "Ich habe Vorträge über Repräsentation und Medien-Voreingenommenheit in den USA, in Europa und Kanada gehalten. Trotzdem nehmen sie mich als eine Aktivistin wahr. Ich habe das Gefühl, manche Akteure in den Medien vertrauen mir nicht und stellen meinen Platz in dieser Branche ständig in Frage."
Lela ist stolz darauf, Journalistin zu sein. Um ihren Prinzipien gerecht zu werden, lehnt sie es sogar ab, Petitionen zu unterzeichnen. Für sie ist die Inklusion von farbigen Perspektiven keine aktivistische Angelegenheit - sondern der nächste logische Schritt zu authentischem Journalismus: "Wenn wir eine solidarische Gesellschaft wollen, dann sollten wir alle Menschen, die Teil davon sind, inkludieren. Medien haben daher eigentlich keinen vernünftigen Grund, hauptsächlich weiße Perspektiven zu zeigen - denn so sieht unsere Gesellschaft nicht aus. Wenn Medien diese Tatsache weiterhin ignorieren, reproduzieren sie systemischen Rassismus. Das ist der Grund dafür, warum 'White Supremacy' als Konzept den visuellen Teil unserer Leben dominiert."
Für Lela ist klar, dass es Menschen gibt, die sich mit derlei Forderungen unwohl fühlen - Diskurse, die im Rahmen der Black Lives Matter-Bewegung und der MeToo-Debatte thematisiert wurden. Ihrer Meinung nach sollten wir lernen, mit diesem Unbehagen umzugehen, anstatt anderen dafür die Schuld zu geben: "Als reife Person sollte man mit diesen Gefühlen arbeiten, sie reflektieren und sich darüber informieren, was einem Unbehagen beschert. Dann wird schnell klar, dass der Ursprung dafür jene Darstellungen sind, mit denen wir ständig seit Generationen konfrontiert sind. Die Frage ist, wie die Menschen damit umgehen werden, wenn ihnen das bewusst wird."
Mission und Vision
Auf die Frage, welchen Ratschlag sie ihrer Tochter geben würde, zitiert Lela die Unternehmerin Carla Harris: "Geh dahin, wo du gefeiert wirst - und nicht nur toleriert." Darüber hinaus würde Lela ihrer Tochter raten, sich selbst zu vertrauen und sich niemals für sich selbst zu entschuldigen.
Auf jeden Fall will Lela ihre Mission, Journalismus zu einem Ort gerechterer Repräsentation zu machen, auch in Zukunft fortsetzen. Sie möchte eine professionelle Redaktion aufbauen, die von BIPOC-Journalisten (Black, Indigenous and People of Colour - Anm. d. Red.) geführt wird und mit Mainstream-Medien konkurrieren kann: "Heute besitze ich endlich das Selbstvertrauen, meine Vision größer zu denken als jemals zuvor."
Doch es gibt eine Sache, die immer eine Herausforderung ist, wenn man große Visionen verfolgt: "Um so etwas zu realisieren, brauche ich Geld. Sonst werden wir das Ziel, auf einem Level mit der DW oder dem Guardian wahrgenommen zu werden, niemals erreichen." Wer Lela Savic kennt, der weiß, dass sie auch vor solchen Schwierigkeiten nicht zurückschrecken wird.
Lela Savic ist Gründerin des francophonen Mediums La Converse und arbeitete zuvor für "Journal Metro" in Montreal in den Bereichen Politik und Menschenrechte. Sie war aktiv in der Redaktion des investigativen Magazins "Enquete, La Presse" bei CBC und hält regelmäßig Vorträge an Universitäten in Kanada, den USA und in Europa.
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