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Politik

Gedämpfte Freude in Lesotho

Christine Harjes
4. Oktober 2016

Vor 50 Jahren errang Lesotho seine Unabhängigkeit von Großbritannien. Mit Paraden und Feierlichkeiten begeht das kleine Königreich den Feiertag. Doch wirklich unabhängig ist das Land nicht. Hat es Grund zu feiern?

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Lesotho Landschaft von Maseru
Bild: imago/Xinhua

"Ja, wir haben Grund zu feiern, weil wir als Nation unsere Zukunft in den eigenen Händen halten", sagt Lenka Thamae von der lesothischen Nichtregierungsorganisation "Transformation Resource Center". Dann macht er eine lange Pause und schränkt den Grund zur Freude doch massiv ein. In 50 Jahren Unabhängigkeit hätten die Regierungen nicht die Hoffnungen der Bevölkerung erfüllt. 2,2 Millionen Menschen leben im 30.000 Quadratkilometer großen Lesotho, das damit ungefähr so groß ist wie Brandenburg. Lesotho ist komplett von Südafrika umschlossen.

Das Land habe zwar theoretisch eine Demokratie, sagt Thamae im DW-Interview. "Aber ohne deren Leistungen und Werte." Die Hoffnungen der Menschen auf einen nötigen Wandel hätten sich nicht erfüllt.

Die Karte zeigt das Land Lesotho im südlichen Afrika

"Massive Menschenrechtsverletzungen durch das Militär"

Seit zwei Jahren habe sich die Lage im Land zugespitzt, klagt Thamae. Nach einem angeblichen Militär-Putsch gegen den damaligen Premierminister Thomas Thabane im August 2014 sollten die Wahlen 2015 endlich wieder Ruhe in die Politik bringen. Der Wahlsieger, Thabanes Vorgänger Pakalitha Mosisili, musste eine Koalition aus sieben Parteien gründen, um regieren zu können.

Die Opposition ist nicht wirklich an der Politik beteiligt - ihre Führer verstecken sich in Südafrika. Sie fühlen sich vor der Armee in ihrer Heimat nicht sicher, sagen sie. Immer wieder sei es in den vergangenen zwei Jahren zu schweren Menschenrechtsverletzungen durch das Militär gekommen - gebilligt durch die machthabende Elite, sagt Thamae. "Unsere Demokratie ist jetzt in den Händen des Militärs".

Eine Schlange hat sich vor einem Wahllokal im ländlichen Lesotho gebildet. Die letzten Wahlen fanden 2015 statt
Dorfbewohner in Lesotho vor einem Wahllokal 2015Bild: picture-alliance/dpa/S. Mohamed

Anders als im benachbarten Südafrika spielt die Zivilgesellschaft in Lesotho keine wichtige Rolle. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen wie die von Thamae werden in Entscheidungsprozesse kaum einbezogen. Hier setzt auch die Arbeit der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Lesotho an. "Aus entwicklungspolitischer Sicht ist es wichtig, die Demokratie im Land mit Partizipation und Bürgerbeteiligung zu stärken", sagt Alexander Erich, Programmleiter der GIZ in Lesotho. Lesotho habe mit drei großen Herausforderungen zu kämpfen, sagt Erich: Hunger, Arbeitslosigkeit und HIV/AIDS. Knapp ein Viertel der Bewohner des Landes sind mit HIV infiziert.

Wassermassen für Südafrika

Auch wenn Lesotho am Dienstag seine Unabhängigkeit mit einer großen Veranstaltung im Fußballstadion der Hauptstadt Maseru feiert - wirklich unabhängig sei das kleine Land nicht, sagt Thamae. 95 Prozent aller Waren importiert Lesotho aus Südafrika. Einnahmen erzielt das Land fast ausschließlich mit der Produktion von Textilien im Rahmen eines Handelsabkommens mit den USA. Aber in erster Linie ist das Land abhängig von Entwicklungshilfe. "Lesotho hat keine Möglichkeiten, frei zu entscheiden", sagt Thamae. "Das Land ist eingeengt durch diese geopolitische Situation."

Der große Staudamm in Lesotho. Von hier aus wird ein Teil Südafrikas mit Wasser versorgt
Der Staudamm ist Teil des "Lesotho Highland Water Project"Bild: AFP/Getty Images

Für den großen Nachbarn Südafrika ist das dagegen eine komfortable Lage, sagt der deutsche Honorarkonsul Heinz Fiebig in Lesotho: Das Land sei ein guter Handelsplatz für Südafrika. "Wer immer Lesotho Wirtschaftshilfe gibt - das Geld fließt nach Südafrika."

Und dorthin fließt nicht nur Geld - der mächtige Nachbar ist angewiesen auf lesothisches Wasser. Der Staudamm "Lesotho Highland Water Projekt" liefert davon täglich 40 Millionen Liter in Südafrikas Industrieregion Gauteng. Ein fairer Deal? Weit gefehlt, sagt Thamae. "Lesotho ist ein kleines Land. Wir haben keine Möglichkeiten, nachhaltige und faire Abkommen mit Südafrika zu verhandeln." Trotz allem: Auch Thamae wird am 4. Oktober dabei sein, wenn sein Land die 50 Jahre Unabhängigkeit feiert - zumindest die von Großbritannien.