"Let’s Chill": Eizellen-Parties in New York
17. Oktober 2014Ausgelassene Stimmung in einem Hotel in Soho in Manhattan. Rund 100 Frauen schlürfen Cocktails und unterhalten sich in kleinen Grüppchen. Männer sind Mangelware - hier, und oft auch im Leben der Anwesenden. "Bei mir ist gerade kein Partner in Sichtweite", sagt eine Teilnehmerin. "Die Frauen hier sind alle in meinem Alter", freut sich eine andere. "Ich fühle mich richtig."
Der Großteil der Frauen ist über 30 Jahre alt. Sie alle denken darüber nach, die biologische Uhr zu überlisten. Die Party läuft unter dem Motto "Let’s Chill" - zu deutsch "lasst uns entspannen", wörtlich "lasst uns runterkühlen". Das Ganze ist eine Info-Veranstaltung zum Thema Eizellen einfrieren. Auf einer Bühne sitzen Ärzte und Betroffene.
Kinderwunsch mit 37
"Als wir zum ersten Mal Sex hatten, wollten wir zwei Dinge nicht: schwanger werden oder Geschlechtkrankheiten bekommen", sagt Dr. Fahimeh Sasan, Gynäkologin am Mount Sinai Medical Center in New York. Das sei dann die ganzen Zwanziger und Dreissiger so geblieben, stellt sie lachend fest. Und auf einmal sei man 37 Jahre alt und merke, dass man noch ein Kind haben wolle.
Kurze Zeit später erklären die Mediziner auf dem Podium das Prozedere beim Einfrieren der Eizellen. Risiken und Schwierigkeiten werden nicht ausgespart. Die Frauen im Publikum dürfen Fragen stellen. Jede von ihnen hat 45 Dollar Eintritt bezahlt. Keine will namentlich genannt werden.
Diese Parties stehen auch in den USA sehr in der Kritik, werden mit Tupper- oder Botox-Parties verglichen. Das medizinisch hochaufwendige Verfahren werde bagatellisiert, Frauen zu Arbeits- und Karrieremaschinen gemacht, die aus der Not heraus über künstliche Nachhilfe zur Verlängerung ihrer Fruchtbarkeit nachdenken würden.
Weit gefehlt, meint Jay Palumbo, die für Eggbanxx arbeitet, den Veranstalter dieser Parties. Das eigentliche Problem bei der Debatte sei das - weltweit - alarmierende Unwissen über die Fruchtbarkeit von Frauen: "Jede sechste Frau unter 35 hat Probleme, schwanger zu werden. Bei den 35- bis 40-Jährigen ist es jede Dritte" - so seien die drastischen Zahlen..
Erst "später" - dann "zu spät"
Der unerfüllte Kinderwunsch werde meist totgeschwiegen. Frauen seien sich über die genauen Statistiken nicht bewusst. Gleichzeitig habe sich in den vergangenen 40 Jahren die Zahl der Frauen, die mit über 35 Jahren ihr erstes Kind kriegen, fast verzehnfacht. "Keiner redet so genau darüber“, sagt Palumbo. Es heisse immer: Kinder später, Kinder später. Und das ginge oft einfach nicht.
Palumbo dachte selbst, gut in ihrem "Zeitplan" zu liegen, als sie mit 33 ihren Ehemann kennenlernte und mit 34 Jahren ein Kind haben wollte. "Meine Ultraschallbilder waren super, die Tests meines Mannes waren gut. Ich war gesund, alles toll", erinnert sie sich.
Aber dann mit der künstlichen Befruchtung losgelegt wurde, kam heraus, dass die Qualität der Eizellen schlecht war, "aufgrund meines Alters", fügt sie hinzu. "Ich wusste, dass das Alter eine Rolle spielt. Aber ich dachte, erst später - mit 40 oder so."
Sie ließ sich künstlich befruchten, hat heute ein Kind. Wäre damals ein frühzeitiges Einfrieren der eigenen Zellen möglich gewesen und hätte sie gewusst, dass jede sechste Frau in ihrem damaligen Alter Probleme mit der Fruchtbarkeit hat, würde sie heute zwei Kinder haben, erzählt sie.
Eier einfrieren beim Discounter
Eggbanxx ist ein Dienstleister, der mit Partner-Kliniken zusammen arbeitet. Auf diese Weise kann Mitgliedern ein Discount-Preis angeboten werden. Denn unter 12.000 Dollar ist Eizellen einfrieren in den USA nicht zu haben. Wer sich qualifiziert, kann über Eggbanxx einen Kredit von einem Finanzierungspartner bekommen. Die Parties werden mit Absicht salopp gehalten, denn auch Amerikanerinnen sei das Thema sehr unangenehm. "Ich habe mich geschämt, darüber zu sprechen, weil ich es als persönliches Versagen verbucht habe", sagt Palumbo. Aber man müsse dieses Stigma abschaffen.
Dass Facebook und Google finanziellle Unterstützung anbieten für Mitarbeiterinnen, die ihre Eizellen einfrieren wollen, ist für Jay Palumbo keine Massnahme, um später Kinder zu kriegen. Es ist für sie eine Massnahme, damit sie überhaupt Kinder kriegen. "Damit sehen sie gewissen Realitäten ins Auge: Sie wollen eine gute Mitarbeiterin sein, aber auch irgendwann Kinder haben", meint Palumbo.
Für die Firmen sei es eine Investition in weiblichen Talente und in deren Lebenszufriedenheit - genau wie bezahlter Vaterschaftsurlaub oder Tagesbetreuungen in den Unternehmen, die es ihrer Meinung nach genauso geben sollte.