Letzte Ruhe in der Hauptstadt
Weltführer in Sachen Ewige Ruhe – so könnte man die deutsche Hauptstadt mit ihren rekordverdächtigen 224 Friedhöfen beschreiben. Eine Besichtigung führt tief in die Berliner Vergangenheit.
Viele Engel für die Hauptstadt
224 Begräbnisstätten hat Berlin, mehr jede andere Großstadt. Das sagt zumindest der neue Friedhofsführer des Autors und Kunsthistorikers Boris von Brauchitsch. Und wo Tote beigesetzt werden, sind jede Menge Engel. Diese beiden befinden sich auf dem promi-reichsten Friedhof in Berlin-Mitte, dem Dorotheenstädtischen Friedhof. Hier ruhen auch Hegel, Schinkel, Brecht und John Heartfield.
Die Narben der Vergangenheit
Berlins Friedhöfe spiegeln den Gang der Geschichte und werden wiederum von Geschichtsereignissen gekennzeichnet. An diesem Mausoleum auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Mitte sind die Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zu übersehen.
Familienzusammenhalt nach dem Tod
Immer wieder begegnet man auf Berliner Friedhöfen Familiengräbern. Dieses ungewöhnliche Exemplar ist auf dem Georgen-Parochial-Friedhof I in Prenzlauer Berg zu bewundern. Aber wie lange noch? Teile des Friedhofs sind schon geschlossen und gute Baugrundstücke sind rar geworden in dem bekanntlich sehr kinderreichen Kiez.
Stimmungsvolle Ruhe in Prenzlauer Berg
Berlins berühmtester jüdischer Friedhof ist wohl der im Bezirk Weißensee. Der älteste erhaltene (1827) und stimmungsvollste ist zweifelsohne der an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Mehr Romantik geht nicht. Hier ruhen unter anderem der Künstler Max Liebermann, der Komponist Giacomo Meyerbeer und Moritz Manheimer, Uniform-Lieferant für die Preußische Armee.
Bedrohung von außen
Friedhöfe haben viele natürliche Feinde. Sinkende Sterblichkeitsraten etwa sowie die schwindende Bedeutung der Religion in der Gesellschaft. So droht einigen historischen Begräbnisstädten in Berlin die Schließung. Spekulanten im Immobilienbereich sehen diese Entwicklung, die einige Stücke Berliner Geschichte auslöschen könnte, mit großer Begeisterung.
Symbolische Zäune
Sofern sie im Zweiten Weltkrieg nicht abgebaut und von Stadtinstanzen und Einwohnern eingeschmolzen wurden, gehören verzierte Eisenzäune zu jedem anständigen Berliner Friedhof. Die Mohnpflanze, aus der diverse Opiate gewonnen werden, symbolisiert den ewigen Schlaf.
Ein Platz für Kreuzunglückliche
Der Friedhof Grunewald-Forst heißt im Volksmund "Selbstmörderfriedhof". Normalerweise wurden diejenigen, die sich selbst ein Ende setzten, von Gottesackern ausgeschlossen, hier ließ man sozusagen Fünfe gerade sein. Diese Grabsteine gehören enttäuschten Zaristen nach der Russische Revolution. Velvet-Underground-Mitstreiterin Nico liegt auch hier.
Russen, Türken, Berliner
Berliner Friedhöfe sind auch Orte der Vielfalt. Ein besonders buntes Beispiel stellt der Russisch-Orthodoxe Friedhof im Stadtteil Reinickendorf dar. Ein ähnlich exotisches Flair hat der älteste türkische Friedhof Deutschlands am Columbiadamm in Neukölln. Beide erinnern an die lange multikulturelle Tradition der Hauptstadt.
Der Tod während der Teilung
Der Katholische Friedhof Charlottenburg liegt, wie Berliner sagen, JWD (janz weit draußen), was ihm zum Verhängnis wurde. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 war das Areal plötzlich für Westberliner nicht mehr erreichbar. DDR-Verantwortliche ließen den Friedhof, der sich in einer Sicherheitszone befand und obendrein eine düstere Nazi-Vergangenheit hatte, einfach verfallen.