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Letzte Ruhestätte in Deutschland oder daheim?

15. Dezember 2011

Gerade Menschen, die im Ausland alt werden, machen sich bewusst um ihre eigene Beerdigung und ihre letzte Ruhestätte Gedanken. Was passiert, wenn sie sich nicht zu Lebzeiten für einen bestimmten Ort entschieden haben?

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Gräber auf dem Friedhof Am Hallo in Essen (Foto: Marina Martinovic)
Einer von rund 60 deutschen Friedhöfen, auf denen Muslime bestattet werden könnenBild: Marina Martinovic

Mehmet Can (Name von der Redaktion geändert) kam vor etwa 40 Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland. Er arbeitete bei Ford, lebte mit seiner Frau in einer engen Gastarbeiterwohnung und investierte sein Gespartes in die Türkei. Die Jahre vergingen und Can wartete auf die Rente.

Doch eines Tages ist er beim Morgenspaziergang plötzlich gestorben. "Herzinfarkt", sagte der Arzt. Can war erst 63 Jahre alt, eigentlich noch fit und gesund. Der Tod kam für die Familie daher völlig unerwartet. Alle Freunde und Bekannten erfuhren unverzüglich von dem Unglück und versammelten sich in Cans Wohnung, um seiner Frau und seinen Kindern ihr Beileid auszudrücken. Und alle fragten, wann und wo die Beerdigung stattfinden würde. Doch darauf wusste die Familie keine Antwort, denn Can hatte bis zu seinem Tod keinerlei Andeutung gemacht, wo er einmal begraben sein möchte.

"Wem nutzt ein Grab in einem Dorf, wo keiner hingeht?"

Grabsteine auf dem Friedhof Am Hallo in Essen (Foto: Marina Martinovic)
Der Friedhof Am Hallo in EssenBild: Marina Martinovic

Diese schwierige Entscheidung sollte jetzt die Familie treffen. Alle hatten eigene Argumente. Die 12-jährige Enkelin weinte und sagte auf Deutsch: "Ich möchte meinen Opa hier haben, ich möchte sein Grab besuchen, für ihn beten." Cans Tochter dagegen meinte: "Ich weiß, für was das Herz meines Vaters geschlagen hat, ich weiß, dass er immer von seinem Dorf geträumt hat. Er muss in die Türkei gebracht werden, das hier ist nicht sein Land".

Doch es erschien sehr umständlich, sowohl die Leiche als auch die gesamte Familie zur Beerdigung nach Ost-Anatolien zu transportieren. Der Neffe bestand daher auf Deutschland: "Er ist sowieso tot, was ändert sich für ihn, wenn er hier oder dort begraben wird? Im Endeffekt liegt er unter der Erde. Wem nutzt ein Grab in einem Dorf, wo keiner hingeht?" Viele stimmten zu, Freunde erzählten Geschichten von seinem Leben in Köln und wiesen darauf hin, dass er in Deutschland Familie, Freunde und Erinnerungen hatte. Einige dagegen schwiegen. Die Familienmitglieder waren uneins. Sie wussten selber nicht, ob sie jetzt um den Toten trauern oder sich um das Schicksal des toten Körpers kümmern sollten.

Hilfe bei der letzten Reise

Grabsteine auf dem Türkischen Friedhof am Columbiadamm in Berlin-Neukölln (Foto: ZB)
Der türkische Friedhof in Berlin-NeuköllnBild: ZB - Fotoreport

Solche Geschehnisse sind in Migrantenfamilien nicht selten. Denn viele ältere Menschen mit Migrationshintergrund wollen nicht in einem "fremden" Land begraben werden. Laut Türkisch-Islamischer Union, der Anstalt für Religion in Deutschland (DITIB), möchten nur sehr wenige ihrer Mitglieder in Deutschland beerdigt werden. Diese fühlten sich entweder nicht so stark an die Türkei gebunden oder hätten einen deutschen Partner, so Abdullah Özkan, der Verantwortliche für den Bestattungsfond von DITIB.

Die überwiegende Zahl der DITIB-Mitglieder möchte die letzte Ruhe in der Türkei finden. Ansonsten "würde die Seele keine Ruhe finden", meinen viele alte Menschen. Sie nehmen den Tod als letzte Möglichkeit wahr, um für immer in ihre Heimat zurückkehren zu können. Das beweist auch die Mitgliederzahl des DITIB-Beerdigungshilfe-Fond: 200.000 sind es in ganz Deutschland. Diese zahlen ab einem Alter von 30 Jahren jedes Jahr 50 Euro in den Fond ein. Dafür erhalten sie von DITIB einen Bestattungsdienst: Nach ihrem Tod wird die Leiche nach islamischen Regeln gewaschen und in die jeweilige Heimatstadt in der Türkei transportiert.

Muslimische Friedhöfe in Deutschland

In Deutschland gibt es auch muslimische Friedhöfe. Allerdings seien sie unter Migranten nicht sehr beliebt, so Abdullah Özkan. Ein Grund dafür sei, dass die Grabplätze nur für einen bestimmten Zeitraum gemietet werden. "Man muss sich in 20 Jahren wieder darum kümmern. Alte Menschen haben Angst, dass die Kinder das nicht tun würden. Außerdem ist es teurer, als die verstorbene Person in der Türkei zu bestatten", sagt Özkan.

Auch Mehmet Can wurde schließlich in seinem Dorf in Ost-Anatolien begraben. Seine Kinder haben es nicht gewagt, ihn in Köln zu beerdigen. Die ganze Familie ist zur Beerdigung in die Türkei gereist. Zurückgekommen ist sie mit einem guten Gewissen: Can liegt jetzt in dem Dorf, das er vor 40 Jahren für ein "besseres Leben" verlassen hatte.

Autorin: Basak Özay
Redaktion: Julia Elvers-Guyot