Libyen verbietet religiöse Parteien
25. April 2012Es sieht aus, als wollten die derzeit in Libyen Regierenden aus den bitteren Erfahrungen ihrer arabischen Nachbarländer lernen. Der Nationale Übergangsrat in Tripolis hat die Bildung religiöser Parteien per Gesetz verboten. Auch Parteien, die bestimmte Volksgruppen, Regionen oder Stämme repräsentieren wollen, werden nicht zugelassen.
"Nur gegen radikale Islamisten"?
Ein Sprecher der Wahlkommission erklärte, das Verbot richte sich nicht gegen gemäßigte Kräfte, sondern nur gegen radikale Islamisten. In Tunesien und Ägypten waren die Islamisten die großen Gewinner der Wahlen nach den politischen Umstürzen. Unter Machthaber Muammar al-Gaddafi hatte es Jahrzehnte lang weder Parteien noch Wahlen gegeben. Nach dessen Sturz wurden Parteien zugelassen und es gründeten sich Dutzende neue politische Vereinigungen. Nun sind für den 19. Juni erste Wahlen geplant. Die Parteien sollen 80 Abgeordnete des neuen Parlaments - der Allgemeinen Nationalkonferenz - stellen, 120 Sitze sind für unabhängige Kandidaten reserviert. Zu den wichtigsten Aufgaben soll eine neue Regierung und ein Verfassungskomiteee gehören.
Die nun veröffentlichte Verordnung, die Teil des Wahlgesetzes ist, knüpft die Bildung von Parteien an weitere Bedingungen. Wer eine Partei gründen will, muss mindestens 250 Mitglieder vorweisen. Wer eine "politische Gruppierung" ohne Parteistatus registrieren lassen wolle, brauche dafür 100 Mitglieder, hieß es. Das Justizministerium soll in Kürze mit der Registrierung der Parteien beginnen.
Kein Geld aus dem Ausland
Allen Parteien ist es strikt verboten, Geldspenden aus dem Ausland entgegenzunehmen oder Bündnisse mit ausländischen Parteien einzugehen. Beobachter vermuten, dass diese Regelung auf die Muslimbruderschaft gemünzt ist, die in vielen arabischen Staaten verwurzelt ist und in Ägypten nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak zur größten Fraktion im Parlament wurde.
Libyen ist ein islamisches Land, in dem religiöse Praktiken wie das Fasten oder das Gebet für viele Menschen Teil des Alltags sind. Nach dem Umsturz im vergangenen Jahr hatte es vereinzelt Auseinandersetzungen mit radikalen Salafisten gegeben. Unter anderem waren Gräber von christlichen Kriegsopfern beschädigt und Grabstätten von Muslimen zerstört worden, die von Anhängern einer anderen Interpretation des Islam besucht werden.
SC/kle (rtre,dpa,afp)