Libyens Ministerpräsident wieder frei
10. Oktober 2013Die libysche Regierung teilte zunächst ohne weitere Einzelheiten mit, der aus einem Hotel in der Hauptstadt Tripolis entführte Ministerpräsident sei wieder auf freiem Fuß. Auch Mitarbeiter von Seidan sollen dessen Freilassung inzwischen bestätigt haben.
Eine Gruppe mit dem Namen "Operationszelle von Revolutionären" hatte erklärt, man habe Seidan "auf Anordnung der Staatsanwaltschaft festgenommen". Die Gruppe untersteht im Rahmen der Bemühungen um die Eingliederung ehemaliger Kämpfer theoretisch den libyschen Ministerien für Verteidigung und Inneres. Diese Gruppen führen ein gewisses Eigenleben.
Tatsächlich hatten die Entführer aber wohl vielmehr versucht, die Verschleppung des Regierungschefs als „Festnahme“ zu verkaufen. Denn die Regierung hatte erklärt, es sei nicht bekannt, dass die Immunität des Ministerpräsidenten aufgehoben oder Haftbefehl gegen ihn erlassen wurden.
Die Entführung war offenbar eine Reaktion auf die Kommandoaktion der USA gegen den mutmaßlichen Al-Kaida-Terroristen Abu Anas al-Libi. Der Extremist war am Samstag von US-Elitesoldaten in Tripolis gefangengenommen worden und auf ein US-Kriegsschiff gebracht worden. Al-Libi soll an den Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 beteiligt gewesen sein.
Die mutmaßlichen Entführer hatten weiter erklärt, sie hätten Seidan in ihre Gewalt gebracht, weil die Regierung den USA die Festnahme al-Libis erlaubt habe. Die Regierung hatte das Vorgehen der USA jedoch verurteilt und gefordert, al-Libi auszuliefern, damit ihm in Libyen der Prozess gemacht werden kann.
Der 63-jährige Regierungschef war am frühen Morgen in seinem Hotel in Tripolis von einer Gruppe Bewaffneter überwältigt und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Im Internet tauchten inzwischen Fotos auf, die während der Entführung aufgenommen worden sein sollen. Sie zeigen Seidan ohne Brille und mit offenem Hemd. Schüsse seien bei der Entführung nicht gefallen, erklärten Hotel-Mitarbeiter.
Seidan steht seit einem Jahr als erster gewählter Ministerpräsident Libyens an der Spitze der Regierung. Der ehemalige Oppositionelle hatte in der Ära von Diktator Muammar al-Gaddafi im Exil gelebt, unter anderem in Deutschland. Seit dem Sturz und dem Tod Gaddafis im Oktober 2011 kommt Libyen nicht zur Ruhe. Zahlreiche frühere Rebellenmilizen weigern sich, ihre Waffen abzugeben, und versuchen mit Gewalt, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Wiederholt belagerten bewaffnete Demonstranten Behörden, Ministerien und das Parlament. Zudem liefern sich die Milizen sowie rivalisierende Stämme immer wieder blutige Kämpfe.
wl/cw (dpa, afp, rtr)