Lichtkunst im Gewölbekeller - ein Geheimtipp
26. Oktober 2009Die zehn Besucher gehen mit unsicheren Schritten über den Metallsteg, der langsam nach unten führt, in die Kühlräume und Gärbecken der ehemaligen Lindenbrauerei. Einige greifen nach dem Geländer. Wie groß ist der Raum? Schwer zu sagen – wirbelnde Lichtpunkte überall lassen seine Dimensionen verschwimmen. "Space Speech Speed" hat der Düsseldorfer Künstler Mischa Kuball seine Installation genannt – also Raum, Sprache, Geschwindigkeit. Die Worte werden auf mit Spiegeln besetzte Kugeln projiziert und so, in unzählige Fragmente zerborsten, an die Wände geworfen.
Verzauberte Räume
"Mit dieser Arbeit bezieht sich Kuball auf die neuen Kommunikationsmedien, die in den letzten Jahren die Welt völlig verändert haben", erklärt Imke Tietje, die die Gruppe führt. "Durch Handys und das Internet ist die ganze Welt in Bewegung geraten, jeder ist jederzeit überall erreichbar, die Grenzen werden überwunden und all dies spiegelt der Raum wider". Auch Imke Tietje selbst wird, genau wie die kleine Besuchergruppe, von Lichtpunkten gestreift und damit Teil der Installation. Würde man das Licht jedoch ausschalten, blieben nur die nackten, unrestaurierten Wände zurück – allein das Licht verzaubert den Raum, macht ihn geheimnisvoll und glamourös.
Weiter geht es durch hohe Flure, von denen weitere Flure abzweigen, über Treppen und Stege. Das Licht ist spärlich in den Eingeweiden der Brauerei, es riecht nach alten Gemäuern. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Lindenbrauerei in Unna gegründet worden und vor 30 Jahren hat der letzte Biertransport das Unternehmen verlassen.
Kunst im Kellerlabyrinth
Zunächst war noch unklar, wie die leer stehenden Gebäude nun genutzt werden sollten. "Die Idee war, die Lichtkunst hierher zu bringen, weil sie eine der innovativsten Kunstformen überhaupt ist", sagt Ursula Sinnreich, Kuratorin des Zentrums. In dem weitläufigen Kellerlabyrinth kommen die Kunstwerke angemessen zur Geltung. Zudem kann jede Installation einen ganzen Raum für sich alleine beanspruchen. 2001 wurde das Museum dann eröffnet.
Die idealen Bedingungen der Brauereigewölbe lockten Künstler von internationalem Rang an, wie James Turrell oder Joseph Kosuth. Und plötzlich hatte die Kleinstadt Unna im Ruhrgebiet das weltweit einzige Museum, das ausschließlich Lichtkunst präsentiert.
Erstarrter Wasserfall
Die Museumsführung macht vor dem nächsten Durchgang Halt. Der dänische Künstler Olafur Eliasson hat den dahinter liegenden Raum gestaltet. Eliasson verwendete dafür starkes Stroboskop-Licht, das ein Blitzlichtgewitter wie in der Diskothek erzeugt. Imke Tietje biegt um die Ecke und schaltet die Installation ein – sofort beginnt ein lautes Rauschen. Die Besucher folgen der Museumsführerin, einer nach dem anderen. Hinter dem Durchgang betreten sie langsam einen Steg, der von zwei Vorhängen aus Tropfen flankiert wird, die unbeweglich in der Luft zu stehen scheinen. Als der erste die Hand ausstreckt und sie überrascht zurückzieht wird klar: Es ist tatsächlich Wasser. Der Rhythmus des Stroboskoplichts ist auf den der herabfallenden Tropfen abgestimmt, das Wasser kommt so scheinbar zum Stillstand.
Licht-, und Schattenspiele
Jeder Raum bietet neue Sinneseindrücke, sei es durch bunte Neonröhren oder Schattenspiele an der Wand. Die Besucher sind fasziniert. Nach anderthalb Stunden unter Tage steigen sie mit einem Lächeln im Gesicht wieder nach oben. Die meisten von ihnen kommen aus der Gegend. Nur hin und wieder reisen internationale Gäste an, meist explizite Kunstkenner, sagt Kuratorin Ursula Sinnreich. "Was wir natürlich erreichen möchten, ist, dass auch breitere Schichten kommen. So wie ja auch viele Menschen, die nicht unbedingt Experten sind, zur Documenta in Kassel fahren".
Wenn es nach den Ausstellungsmachern geht, so soll das Zentrum für Internationale Lichtkunst kein Geheimtipp bleiben. Große Hoffnungen setzen sie deshalb auf das nächste Jahr, wenn Essen und das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas sind.
Autorin: Sola Hülsewig
Redaktion: Cornelia Rabitz