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Liebe ohne Landesgrenzen

13. Februar 2012

Türkisch heiraten, deutsch leben? Jede siebte Ehe in Deutschland ist mittlerweile eine binationale Verbindung. Viele empfinden ihr Zusammenleben als Bereicherung. Doch manchmal kann es auch Nerven kosten.

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Das Symbolbild zeigt zwei Ehehringe auf einem ägyptischen und einem deutschen Pass, aufgenommen am 12.08.2006 in Tübingen. Immer mehr Bundesbürger leben mit einem ausländischen Partner zusammen. Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland rund 1,3 Millionen binationale Paare, teilt das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Ihre Zahl habe sich damit gegenüber 1996 fast verdoppelt und entspreche inzwischen mehr als sechs Prozent aller Paare. Foto: Oliver Berg dpa +++(c) dpa - Report+++
Symbolbild binationale Ehen, multikulturelle EheBild: picture-alliance/dpa

Taylan will nicht hören. Ob nun auf Türkisch oder Deutsch, das ist ihm diesmal egal. Der dreijährige Junge will nicht still sitzen, sondern lieber Mama und Papa auf Trab halten. Das macht sowieso am meisten Spaß. Die beiden Eltern können dabei machen, was sie wollen. Irgendwann hat Frank Kipp genug. Er nimmt seinen Sohn auf den Arm und trägt ihn zum Sofa. Mit einer kleinen Schokolade in den Händen ist der Junge dann glücklich. So einfach ist das manchmal. Da bedarf es keiner Worte. Egal woher Mama oder Papa auch stammen mögen. "Leider antwortet er mir immer auf Deutsch, wenn ich ihn auf Türkisch etwas frage", berichtet Gülser Günay-Kipp über die Versuche, ihren Sohn bilingual zu erziehen. Zwar habe ihr Sohn Deutsch als Muttersprache gewählt, aber Türkisch versteht er genauso gut.
 

Anfängliche Bedenken

Dass sie ihr Kind zweisprachig aufziehen kann, verdankt sie dem Umstand, dass sie einen deutschen Mann geheiratet hat. Vor zehn Jahren lernte sie ihren heutigen Mann Frank kennen, gut zwei Jahre später kam die Hochzeit. An das erste Aufeinandertreffen mit Franks Eltern kann sie sich noch genau erinnern. "Ich hatte schon ein bisschen Bedenken, vor allem hatte ich einfach Angst davor, von seiner Familie nicht angenommen zu werden." Doch die Ängste der 37-jährigen Türkin waren unbegründet. "Sie haben mich alle ganz herzlich aufgenommen."

Ehen wie die von Gülser und Frank Günay-Kipp gibt es inzwischen viele in Deutschland. Waren es 1996 erst gut eine halbe Million binationale Paare in Deutschland, zählte man im Jahr 2010 bereits 1,2 Millionen, bei der einer der Ehepartner einen ausländischen Pass besitzt. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Besonders häufig waren dabei deutsche Frauen mit türkischen Männern verheiratet. Deutsche Männer wählten am liebsten eine Polin als Ehefrau, erst danach kamen die Türkinnen.

Gülser Günay-Kipp (li.), Sohn Taylan (M.) und Frank Kipp. Foto: (DW/Arne Lichtenberg)
Zu dritt am glücklichsten - die Familie Günay-KippBild: DW

Vorbereitung für das erste Treffen mit den Eltern

Auf das erste Treffen mit ihren türkischen Eltern hat Gülser ihren Mann damals ganz genau vorbereitet. Denn da gäbe es ein paar Besonderheiten, die man beim ersten Kennenlernen zu beachten habe. "Man sollte nicht über sein Einkommen reden, auch nicht, was man den ganzen Tag so macht und auf welchen Partys man abhängt", fasst Gülser den türkischen Verhaltenskodex für das Zusammentreffen mit den möglichen Schwiegereltern in spe zusammen.

Frank Kipp, Deutscher, verheiratet mit einer Türkin. (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Frank Kipp: "Ich hatte anfangs Angst, etwas falsch zu machen"Bild: DW

Noch stressiger als beim Kennenlernen der zukünftigen Schwiegereltern wird es für binationale Paare allerdings, wenn es auf das Thema Hochzeit zugeht. Wer in Deutschland einen Partner ohne deutschen Pass heiraten möchte, braucht dessen vollständige Geburtsurkunde mit Elternangaben, die Aufenthaltsbescheinigung und das sogenannte Ehefähigkeitszeugnis aus dem Heimatland. Das Ehefähigkeitszeugnis bescheinigt, dass der Ehe keine Hindernisse entgegenstehen, etwa weil der Partner in dem ausländischen Staat noch verheiratet ist. Das Dokument darf nicht älter als sechs Monate alt sein. Die Erstellung vieler Dokumente ist teuer und dauert seine Zeit, außerdem müssen sie übersetzt werden. Zudem müssen sie von den ausländischen Behörden beglaubigt und von den deutschen Ämtern legalisiert werden.

Auch für Frank und Gülser lief die Heirat nicht wie gewünscht. "Wir wollten beide kirchlich heiraten", berichtet Gülser. Doch als Muslima darf sie nicht kirchlich getraut werden. Aber Frank und Gülser machten einen freien Prediger ausfindig, der sie unter freien Himmel traute: "Ein wunderschönes Ereignis", schwärmt Gülser noch heute und schwelgt in Erinnerungen. "Eine weltoffene Hochzeit, mit deutschen und türkischen Elementen."

Mit großen Augen vor dem Fernseher

Noch heute guckt Frank mit einem Schmunzeln auf den Lippen Dügün TV, einen türkischen Hochzeitssender. "Das ist einfach eine ganz andere Art von Hochzeiten, als wir sie hier in Deutschland begehen." Dann schaut Frank - auch nach fast acht Jahren Ehe mit einer Türkin – immer noch ungläubig mit großen Augen auf den Bildschirm und wundert sich über die vielen Hochzeitsgäste und die Anonymität des Festes, wo noch nicht einmal der Bräutigam alle Gäste persönlich kennt. "Das wäre für mich nichts gewesen, aber zum Glück stand das bei uns auch nie zur Debatte", sagt der 39jährige Industriekaufmann.

Zwei Welten in einem Körper

Auch wenn die Ehe der beiden gut funktioniert, kommt es manchmal zu Auseinandersetzungen. Frank sei eher der lockere, der auch schon mal Sachen laufen lassen könne, sagt Gülser. Das bringt die strukturierte und ordentliche Ehefrau zuweilen auf die Palme.

Gülser Günay-Kipp, Türkin, verheiratet mit einem Deutschen. (Foto: DW/Arne Lichtenberg)
Gülser Günay-Kipp ist stolz auf ihre kleine deutsch-türkische FamilieBild: DW

Diese eigentlich typisch deutschen Eigenschaften in ihr machen Gülser aber auch gehörig zu schaffen. "Da arbeiten manchmal wirklich zwei Welten in mir." Doch Frank liebt seine Frau so wie sie ist. Und Streit müsse es nun manchmal auch geben. "Ich finde es gut, dass meine Frau eher der impulsivere, extrovertierte Typ ist. Denn wir müssen uns auch reiben können. Ich könnte nicht mit einer Frau zusammenleben, die zu allem Ja und Amen sagt."

Damit ihr gemeinsamer Sohn Taylan seine türkischen Wurzel nicht vergisst, geht er einmal die Woche in einen speziellen Türkischkurs für Kinder. Hier wird vorgelesen, man unternimmt gemeinsame Ausflüge oder veranstaltet Workshops mit den Eltern. Er solle einfach mitbekommen, dass noch andere Menschen in seiner Umgebung türkisch sprechen, sagt Gülser, die feste Vorstellungen davon hat, wie ihr Sohn aufwachsen soll.

Bereicherndes Zusammenleben

"Er soll ganz viel mitbekommen von der deutschen und der türkischen Seite." Was er dann später daraus mache, das sei seine Sache. "Aber es wird für sein Leben mit Sicherheit eine Bereicherung sein. So wie das Zusammenleben für uns ein großer Gewinn ist", sagt seine Mutter. Und als hätte er verstanden, was seine Mama da indirekt zu ihm sagt, lächelt Taylan.

Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Thomas Latschan