Linke: Bundestagswahl wird zur Zitterpartie
5. August 2021Der jüngste Tiefschlag ereignete sich am 6. Juni in Sachsen-Anhalt: 11 Prozent bei der Landtagswahl. So schwach waren die Linken in dem westlich von Berlin gelegenen Bundesland noch nie. Vor fünf Jahren waren es immerhin 16,3 und 2011 sogar 23,7 Prozent. Innerhalb einer Dekade ist aus der einstigen Volkspartei des Ostens auch in dieser Region ein politisches Leichtgewicht geworden. Das gleiche Schicksal hat sie in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ereilt. Nur noch Thüringen mit dem ersten und einzigen Ministerpräsidenten der Linken, Bodo Ramelow, ist als Hochburg geblieben.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es im Stadtstaat Berlin, wo am Tag der Bundestagswahl (26. September) ein neues Abgeordnetenhaus gewählt wird. Dann wird sich entscheiden, ob die Linke dort noch als Koalitionspartnerin benötigt wird. Im Moment regiert sie zusammen mit Sozialdemokraten (SPD) und Grünen. Der erhoffte Rückenwind aus Sachsen-Anhalt ist aber ausgeblieben.
Dennoch gibt sich die Partei zuversichtlich, den negativen Trend stoppen zu können. Das Motto ihres Programms für die Bundestagswahl lautet "Gemeinsam machen wir das Land gerecht". Wobei das mit der Gemeinsamkeit bei der Linken selbst so eine Sache ist. Grabenkämpfe haben Tradition. Eine Konstante ist dabei die frühere Fraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht. Ihr aktuelles Buch ("Die Selbstgerechten") liest sich wie eine Abrechnung mit der eigenen Partei.
Sahra Wagenknecht sorgt für Unruhe
Der wirft sie schon lange vor, zu sehr auf urbane Milieus zu schielen und den ländlichen Raum zu vernachlässigen. Auch deshalb hat sie 2018 die außerparlamentarische Initiative "Aufstehen" mitbegründet. In einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel" klingt ihre grundsätzliche Kritik so: "Das Label 'Links' steht heute für viele Menschen leider nicht mehr für das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, sondern für abgehobene akademische Debatten, die an ihrer Lebensrealität und ihren Problemen vorbeigehen."
Solche Sätze sorgen in der Parteizentrale, die nach dem Marxisten Karl Liebknecht benannt ist, immer wieder für Unruhe und Verärgerung. "Ich teile Sahras Auffassung nicht", sagt die Ende Februar zusammen mit Janine Wissler zur Linken-Vorsitzenden gewählte Susanne Hennig-Wellsow. Manche wollen Sahra Wagenknecht, die ehemalige Wortführerin der Kommunistischen Plattform innerhalb der Linken, am liebsten gleich aus der Partei werfen.
Im Westen nichts Neues: Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde
Davon hält Susanne Hennig-Wellsow jedoch nichts: sie wisse um die historische Situation und halte es für falsch, "Ausschlussanträge zu stellen". Eine Anspielung auf die Vergangenheit der Linken, die aus der DDR-Staatspartei SED hervorgegangen ist. In der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands war es üblich, unbequeme Leute rauszuschmeißen.
Die Störgeräusche in den eigenen Reihen sind für das neue Führungsduo ein Problem. Hinzu kommt das schlechte Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt. Schon Mitte März hatte die Linke in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit 3,6 und 2,5 Prozent klar den Einzug ins Parlament verpasst. In beiden westdeutschen Bundesländern ist ihr noch nie der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelungen. Susanne Hennig-Wellsow macht sich deshalb keine Illusionen über die Schwere ihrer Aufgabe, der sie sich gemeinsam mit Janine Wissler stellt.
Susanne Hennig-Wellsow: "Ziemlich viel kaltes Wasser"
"Als wir Vorsitzende wurden, war die Partei ja schon mitten in der Vorbereitung des Bundestagswahlkampfes, wir alle waren in der Corona-Krise mit allen Erschwerungen, die das bedeutet", erinnert sie auf DW-Nachfrage an ihren schwierigen Start. Das sei "ziemlich viel kaltes Wasser", ganz ohne Blessuren gehe das nicht ab. Man habe sich dann aber sehr schnell in alles eingefunden. Als Spitzenkandidaten wurden auf dem Parteitag im Juni Janine Wissler und der Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, gewählt.
Mit diesem Duo hofft die Linke auf ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl. "Für uns ist klar, dass wir die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen, und dabei alle mitnehmen", betont Susanne Hennig-Wellsow. Klassisch linke Themen stehen im Mittelpunkt des Wahlkampfes: Erhöhung des Mindestlohns auf 13 Euro pro Stunde, keine Befristung von Arbeitsverträgen, höhere Renten vor allem im Osten, Mietenbremse, Vermögenssteuer.
Die Chancen, ihre Ideen in einer Bundesregierung umsetzen zu können, stehen allerdings schlecht. Das von der Linken als einzige Möglichkeit betrachtete Bündnis mit Grünen und Sozialdemokraten ist in allen Umfragen weit von einer rechnerischen Mehrheit entfernt. Dass die Sozialisten auch im nächsten Bundestag auf der Oppositionsbank Platz nehmen müssen, ist sehr wahrscheinlich. Im schlimmsten Fall müssen sie sogar damit rechnen, dass die Fraktion aus dem Parlament fliegt - wenn die Sperrminorität von fünf Prozent verfehlt wird. Im Deutschlandtrend des Monats August erreicht die Linke nur noch sechs Prozent...