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Linke klagt gegen Tornado-Einsatz

Nina Werkhäuser, Berlin21. Juni 2016

Mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht geht die Linkspartei im Bundestag gegen den Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr vor. Dieser verstoße gegen das Grundgesetz, argumentiert die größte Oppositionsfraktion.

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Ein Tornado der Bundeswehr vor dem Start zum Nato-Stützpunkt Incirlik in der Türkei (Foto: dpa)
Ein Tornado der Bundeswehr vor dem Start zum Nato-Stützpunkt Incirlik in der TürkeiBild: picture-alliance/dpa/H. Tittel

Nach den Terroranschlägen in Paris im vergangenen November beschloss die Bundesregierung, die internationale Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auch militärisch zu unterstützen. Gut 250 deutsche Soldaten beteiligen sich derzeit am Anti-IS-Einsatz, dem der Bundestag am 4. Dezember 2015 zugestimmt hat.

Kernstück des deutschen Engagements sind Aufklärungsflüge deutscher Tornados über Syrien und dem Irak. Die Fraktion "Die Linke" hat im Bundestag gegen diesen Einsatz gestimmt. Nun erhebt sie Klage vor dem Bundesverfassungsgericht: Der Einsatz sei nicht vom Grundgesetz gedeckt. Am Dienstag hat die Fraktionsspitze die 121-seitige Klageschrift in Berlin vorgestellt, die sie am 31. Mai beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht hat.

Wo ist das "System kollektiver Sicherheit"?

Die Kritik der Linken setzt an der verfassungsrechtlichen Legitimation des Tornado-Einsatzes an. Grundsätzlich gilt: Wenn die Bundeswehr außerhalb Deutschlands zum Einsatz kommt, dann muss dieser Einsatz laut Grundgesetz in ein "System gegenseitiger kollektiver Sicherheit" eingebunden sein. Dazu zählen etwa die Vereinten Nationen oder die Nato.

Genau an diesem Punkt sieht die Linksfraktion die Vorgaben aus Artikel 24 des Grundgesetzes mißachtet. Weder habe der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen diesen Einsatz legitimiert, noch sei die Europäische Union ein System kollektiver Sicherheit im Sinne des Grundgesetzes. Die EU habe auch keinen formellen Beschluss zum militärischen Beistand für Frankreich gefasst.

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die Chefs der Linksfraktion (Foto: dpa)
Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes: Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die Chefs der LinksfraktionBild: picture-alliance/dpa/S. Minkoff

"Dieser gesamten Logik stimmen wir nicht zu", so Fraktionschef Dietmar Bartsch. Es könne nicht angehen, dass sich die Bundesregierung über das Grundgesetz hinwegsetze, betont auch Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.

Eine konstruierte Begründung?

Die Bundesregierung hatte den Tornado-Einsatz so begründet: Rechtsgrundlage sei die Unterstützung Frankreichs und der internationalen Allianz im Kampf gegen den "Islamischen Staat". In der Charta der Vereinten Nationen, namentlich in Artikel 51, sei das Recht auf kollektive Selbstverteidigung verbrieft.

Der UN-Sicherheitsrat habe außerdem alle Nationen aufgerufen, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des "IS" in Syrien zu ergreifen. Zusätzlich greife die Beistandspflicht unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach Artikel 42 (7) des EU-Vertrags.

Diese Begründung hält die Linksfraktion für nicht stichhaltig. Die von der UN-Charta verbriefte "kollektive Selbstverteidigung" könne nur eine erste Reaktion auf einen Angriff sein. Sie sei aber nicht gleichzusetzen mit dem "System gegenseitiger kollektiver Sicherheit", das anschließend für einen länger andauernden Militäreinsatz aktiviert werde, in der Regel durch den UN-Sicherheitsrat.

"Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik"

Wenn sich mehrere Staaten zu einer "Koalition der Willigen" zusammenschlössen, so wie beim Kampf gegen den "Islamischen Staat", dann handele es sich nicht um ein System kollektiver Sicherheit, argumentiert die Linksfraktion. Die Bundesregierung habe aber immer großen Wert darauf gelegt, dass sich Auslandseinsätze der Bundeswehr in einem System kollektiver Sicherheit bewegten.

Ein Aufklärungstornado der Bundeswehr im Flug, Foto: dpa
Bis zu sechs Aufklärungstornados der Bundeswehr sammeln Informationen über Stellungen des "Islamischen Staates"Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Wenn sie von diesem Prinzip nun abweiche, dann sei das ein "Paradigmenwechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik", mutmaßt Rechtsanwalt Wolfgang Ewer, der die Klage in Karlsruhe vertritt. Fraglich sei überdies, ob die Selbstverteidigungsrechte aus der UN-Charta auch auf Angriffe von Terrorgruppen (und nicht von Staaten) anwendbar seien.

Juristisch wird hier nach Ansicht der Kläger Neuland betreten, da diese Fragen bisher nicht vor das Bundesverfassungsgericht gebracht wurden. Viele namhafte Verfassungsrechtler hätten aber beim "Anti-IS-Einsatz" der Bundeswehr Zweifel an der regierungsamtlichen Auslegung des Grundgesetzes geäußert.

Im Idealfall werde also Klarheit in eine rechtliche Grauzone gebracht. Im für die Linksfraktion schlechtesten Fall nimmt das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Organklage gar nicht an, die sich gegen die Bundesregierung und den Bundestag richtet.