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Lissabon: Mieter gegen Airbnb

Jochen Faget18. Juli 2016

Für Mieter in Portugals Hauptstadt Lissabon wird bezahlbarer Wohnraum knapp, weil Apartments zunehmend über Plattformen wie Airbnb an Touristen vermietet werden. Den Behörden ist das egal.

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Stadtansicht Lissabon Portugal
Bild: picture alliance/ZB

"In Lissabon schließen Hausbesitzer so gut wie keine normalen Mietverträge mehr ab", stellt Maria Eugenia Palma fest. "Stattdessen versuchen alle, an Touristen zu vermieten." Da sei, so die Vertreterin des Mieterverbandes, entschieden mehr zu verdienen, und trotzdem müssten die Vermieter weniger Steuern bezahlen.

Allein über die Internetplattform Airbnb wurden im vergangenen Jahr rund 43 Millionen Euro eingenommen, die Zahl der Nutzer hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. "Da sind für den Vermieter leicht 2000 Euro und mehr im Monat drin, mit Einheimischen dagegen höchstens 800 Euro."

Portugal Maria Eugenia Palma in Lissabon
Maria Eugenia Palma vom Mieterverband fordert Maßnahmen gegen Airbnb und andere MietplattformenBild: DW/J. Faget

Tourismusboom und Wohnraumvernichtung

Seit Jahren erlebt die portugiesische Hauptstadt einen Touristenboom. An dem verdienen nicht nur Hotels und Pensionen, sondern auch immer mehr Privatwohnungsbesitzer - zum Leidwesen der Lissabonner. Vor allem in der historischen Altstadt werden Apartments oft luxussaniert und dann nur noch an Touristen vermietet - zu Preisen, die sich Portugiesen wegen ihrer niedrigen Einkommen nicht mehr leisten können.

"Die Stadt hat in den vergangenen 30 Jahren über 300.000 Einwohner verloren", berichtet Luís Paisana, der Vorsitzende des Anwohnervereins des Stadtteils Bairro Alto. "Und dieser Trend wird sich noch weiter verstärken."

Paisana berichtet von Hausbesitzern, die alles tun, ihre alten Mieter loszuwerden: Dringend notwendige Wohnungsreparaturen werden nicht durchgeführt, ganze Häuser verfallen. Betroffen seien vor allem Senioren mit Renten, die oft unter 500 Euro im Monat liegen, aber auch junge Lissabonner, die im Stadtzentrum keine Wohnung mehr finden können. Die seien der neuen Wohnraumvernichtung hilflos ausgesetzt: "Der Staat und die Stadt sehen den Tourismus als eine Rettung aus der Finanzkrise, da haben die alten Bewohner keine Chance."

Portugal Luis Paisana in Lissabon
Senioren und Junge sind gleichermaßen betroffen: Luis Paisana vom Anwohnerverein im Stadtteil Bairro AltoBild: DW/J. Faget

Keine Kontrolle

Denn während andere europäische Städte wie Berlin und Barcelona das Vermieten von Privatwohnungen an Urlauber verbieten oder zumindest stark einschränken, ist in Lissabon und Portugal so gut wie alles erlaubt: Stadt und Staat haben es sogar noch erleichtert - entbürokratisiert, wie das auf Behördenportugiesisch heißt.

Mussten früher noch gewisse Bedingungen von den Privatvermietern erfüllt werden, reicht es heute, eine Lizenz zu beantragen und sich beim Finanzamt anzumelden. Dazu kommt noch eine hohe Grauziffer von Vermietern, die beides nicht tun und trotzdem so gut wie nicht kontrolliert werden.

Lissabons Bürgermeister Fernando Medina gibt die Marschrichtung vor: "Wir wollen Lissabon zu einer der wichtigsten Hauptstädte des Tourismus machen." Die Frage, ob und wie seine Stadtverwaltung gegen die immer größer werdenden Probleme durch Airbnb-Urlauber vorgehen wolle, lässt er unbeantwortet.

Dabei sind die Probleme unübersehbar: Der Wohnraum für normale Mieter in Lissabon nimmt ab, die Lärmbelästigung durch feiernde Urlauber in Bars und Kneipen steigt.

Am Wochenende sei es fast unmöglich, in seinem Stadtteil nachts zu schlafen, klagt Luís Paisana, die Straßen seien mit Abfall und Plastikbechern verschmutzt, es stinke nach Urin und Erbrochenem. Ergebnis: Die Bewohnerzahl des Bairro Alto sei von 13.000 auf 3.000 gesunken, Tendenz weiter stark fallend.

Geschäftsmodel Airbnb

'Touristen statt Lissabonner' heißt die Devise nicht nur im Bairro Alto, sondern auch in anderen Altstadtvierteln wie Alfama oder Campo de Ourique. Ironischerweise hilft sogar die Niedrigzinspolitik der EZB bei der Wohnraumvernichtung: Billige Kredite zur Haussanierung mit anschließender Vermietung über Plattformen wie Airbnb sind zu einem erfolgreichen Geschäftsmodel geworden; die Banken machen wegen des geringen Risikos gern dabei mit.

Die alteingesessenen Anwohner dagegen fühlen sich verraten und verkauft. Der Bürgermeister habe ihm erklärt, der Tourismus sei eine große Chance, Lissabon zu erneuern und zu verschönen, klagt Anwohnervertreter Paisana. Um die Probleme der Einheimischen jedoch kümmere sich niemand. "Unsere ständigen Beschwerden bei Bürgerversammlungen werden systematisch ignoriert. Der Stadtverwaltung geht es nur ums Geld."

So sehr, dass sie zwar die Sorgen der Bürger ignoriert, mit Airbnb jedoch einen Vertrag geschlossen hat: Das Unternehmen kassiert von allen Kunden die in Lissabon vor kurzem eingeführte Tourismustaxe von einem Euro pro Nacht mit der Miete ein und führt sie direkt an die Kommune ab.

Portugal Rathaus in Lissabon
Rathaus von Lissabon: Die Stadtverwaltung verdient mit - und will sich nicht weiter äußernBild: DW/J. Faget

Staat stellt sich taub

"Auch wir haben verschiedene Vorschläge gemacht, das Problem der Wohnungsvermietung über Einrichtungen wie Airbnb zu lösen - und nie eine Antwort bekommen," klagt Maria Eugenia Palma vom Mieterverband.

Einer Vorschlag war, in Gebäuden mit normalen Mietverträgen das Kurzzeitvermieten an Touristen zu verbieten. Doch gerade in Krisenzeiten sei es schwer, gegen den 'Goldesel' Tourismus und seine Exzesse zu argumentieren.

Auch Portugals Finanzministerium spreche wegen der hohen Einnahmen lieber mit dem Unternehmen Airbnb als mit den Bürgern. Vor kurzem verkündete der Finanzstaatssekretär stolz, er habe einen Vertrag mit dem Unternehmen geschlossen.

Dabei ging es nicht darum, etwas gegen die Wohnraumvernichtung zu unternehmen und Tourismus-Vermietungen zumindest im völlig überlasteten Stadtzentrum von Lissabon etwas einzuschränken. Gegenstand des Vertrags ist, dass Airbnb den fälligen Steueranteil bei Wohnungsvermittlungen direkt an die Staatskasse abführt. Denn es könnte ja sein, dass einige der Vermieter den Geldsegen durch Tourismus in ihrer Steuererklärung verschweigen.