Literarischer Buchladen in Gefahr
27. Oktober 2008Der Buchladen "Litea" liegt im Budaer Teil der ungarischen Hauptstadt direkt an der Burg. Es ist kein gewöhnlicher Buchladen, sondern ein Literatur-Café.
Bücher in Griffweite
Überall stehen schöne Holztische und bequeme Stühle, kleine Leselampen verbreiten gemütliches Licht und im Kamin prasselt ein Feuer. Stets in Griffweite sind die Bücherregale mit dem breit gefächerten Angebot.
Als dieser Kaffeehaus-Buchladen 1989 ins Leben gerufen wurde, war das Konzept in ganz Ungarn einmalig. Inzwischen bieten auch andere Buchläden in ihren Geschäften Tee oder Kaffee an. Das Konzept war dort aber nicht immer erfolgreich.
Litea als Lebensaufgabe
Litea ist von Beginn an als Literaturcafé gegründet worden, und das sieht man laut Annamaria Bakó auch. Sie ist die Geschäftsführerin des Buchladens. Die temperamentvolle Ungarin ist mit Leib und Seele Buchhändlerin.
Seit 42 Jahren ist sie im Geschäft. Mit 18 – noch während des kommunistischen Regimes – verkaufte sie die ersten Bücher. Kurz nach der Wende hatte sie die Idee einen Buchladen zu eröffnen, wo die Kunden bei Tee oder Cappuccino in den Büchern stöbern können.
Der Laden sollte aber auch als Literatursalon dienen. Bakó organisierte Lesungen, Diskussionsrunden und kleine Ausstellungen. Damit schaffte sie damals eine neue Plattform für die ungarischen Intellektuellen.
Am Puls der Zeit
Das Konzept ging auf: Der Buchladen lief gut und Litea wurde zu einer bekannten Adresse in Budapest. Denn Bakós Idee traf offenbar den Nerv der Zeit. "In den ersten Jahren nach der Wende hat sich der ganze Büchermarkt stark liberalisiert", erklärt sie.
Im Vergleich zu den Jahren davor hätte sie an sehr interessante Bücher heran kommen können. "Kleine Verlage wurden gegründet, Buchwerkstätten haben kreative und spannende Publikationen hervorgebracht." Insgesamt sei das Buchangebot bunter geworden.
Und so gibt es bei Litea nicht nur ungarische Literatur. Bereits Anfang der 90er-Jahre verkaufte Annamaria Bakó in ihrem Geschäft fremdsprachige Publikationen aus dem Westen, insbesondere aus Deutschland. Sie besorgte Bücher, die bis dahin in Ungarn unbekannt beziehungsweise sonst nirgendwo erhältlich waren.
Treffpunkt der Belesenen
"Küss die Hand, ich hoffe ich störe nicht?", grüßt ein Mann, der gerade das Geschäft betritt. Er ist etwa Mitte 60 und gehört zu den Stammgästen des Buchladens. Seit Jahren schon trifft er sich hier mit anderen Literatur-Interessierten.
Sie reden dann auch über vergangene Zeiten oder diskutieren über die aktuellen politischen Schwierigkeiten des Landes. Es gibt also viele treue Kunden. Trotzdem droht dem Buchladen jetzt das finanzielle Aus. Denn Ungarns wirtschaftliche Krise hat auch der literarischen Aufbruchstimmung einen kräftigen Dämpfer versetzt.
Problem Finanzkrise
Das Problem sei, dass die Menschen heute schlicht und einfach für Bücher kein Geld hätten, sagt Annamaria Bakó. Die Lebenshaltungskosten seien sehr stark angestiegen.
Vor einigen Jahren hätten die Ungarn nicht nur zu besonderen Anlässen Bücher gekauft – wie zu Weihnachten oder zum Geburtstag. Heute müsse eine Familie zwischen einem neuen Buch und neuen Schuhen für das Kind entscheiden. "Es ist ganz klar, dass sie sich gegen das Buch entscheiden", sagt die Buchhändlerin.
Annamaria Bakó hat es deshalb aufgeben, Zukunftspläne zu schmieden. Sie kämpft jetzt schlichtweg ums nackte Überleben. Die Budapesterin hofft, dass die schweren Zeiten bald vorbeigehen, damit ihr Lebenswerk, der Buchladen Litea, erhalten bleibt.