Lithium-Abbau in Afrika: Die Schattenseite grüner Energie
18. November 2023In Namibia klagten einheimische Arbeiter in einer Lithium-Mine über miserable Lebensbedingungen und unsichere Arbeitspraktiken: Eine Untersuchung der Mineworkers Union of Namibia in der von der chinesischen Bergbaugesellschaft Xinfeng Investments betrieben Uis-Mine brachte schließlich die Zustände ans Licht: Die Beschäftigten leben in winzigen, heißen Hütten aus Wellblech und ohne angemessene Belüftung.
Die Gewerkschaft bemängelte auch fehlende Privatsphäre in den Sanitäranlagen, ungenügende Schutzkleidung und Sicherheitsmaßnahmen - im Gegensatz zu chinesischen Arbeitern, denen dies alles zugute käme. Doch das ist nicht die einzige Kontroverse um Xinfeng Investments.
"Besorgniserregender" Trend zur Korruption
Neue Vorwürfe erhob die Organisation Global Witness gegen das Unternehmen. Die Erschließung der Mine mit Kleinbergbaulizenzen bedeute für das Unternehmen "einen erstaunlich niedrigen Betrag für den Zugang" zu den Lithiumvorkommen zu zahlen und einige Umweltvorschriften zu umgehen, heißt es im Bericht.
Die Organisation listet auch Menschenrechtsverletzungen auf, sowie Korruption, Vertreibung und unsichere Arbeitsbedingungen in Lithium-Minen in der Demokratischen Republik Kongo und Simbabwe. "Seit Jahrzehnten ist der Bergbausektor in Afrika mit Korruption und der Tatsache verbunden, dass die Bevölkerung nicht wirklich an den Gewinnen beteiligt wird", sagte Colin Robertson, einer der Autoren des Berichts. Dieser Trend setzte sich im Lithium-Sektor fort. "Das ist sehr besorgniserregend."
Wettlauf um Lithium
In der Revolution der erneuerbaren Energien wird Lithium als "weißes Gold" bezeichnet. Das Leichtmetall ist eine Schlüsselkomponente der wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien, die vom Handy bis zum Elektroauto alles antreiben. Solche Batterien sind ebenso unerlässlich für die Speicherung von Strom, der durch saubere Technologien wie Sonnen- oder Windenergie erzeugt wird.
Weltweit wird das Angebot an Lithium derzeit von Australien, Chile und China dominiert, die zusammen 90 Prozent des Rohstoffs im Jahr 2022 produzierten. Mit etwa fünf Prozent der weltweiten Lithium-Erzreserven birgt Afrika jedoch noch ein enorm ungenutztes Potenzial. Simbabwe und Namibia exportieren aktuell nur Lithiumerz, während Abbau-Projekte in Ländern wie Kongo, Mali, Ghana, Nigeria, Ruanda und Äthiopien entwickelt werden.
Angesichts des erwarteten Booms bei der Nachfrage nach dem Mineral - nach Prognosen der Internationalen Energieagentur könnte sie bis 2040 um das Vierzigfache steigen - bemühen sich große Volkswirtschaften und internationale Unternehmen, den Zugang zu Lithium auf dem Kontinent zu sichern. Und viele afrikanische Länder machen sich den Lithium-Rausch zunutze.
Mineral der Zukunft
"Lithium ist das Mineral der Gegenwart und der Zukunft", sagte der simbabwische Präsident Emmerson Mnangagwa kürzlich. Simbabwe, das über die größten Reserven an Lithium in Afrika verfügt und bei den Lithium-Exporten weltweit an sechster Stelle steht, hat in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 rund 209 Millionen Dollar (193 Millionen Euro) mit dem Mineral verdient. Das ist fast das Dreifache der Einnahmen des letzten Jahres. Das Land im südlichen Afrika hat zusammen mit Namibia und Tansania die Ausfuhr von rohem oder unverarbeitetem Lithium verboten, da es versucht, einen Mehrwert aus dem leichten Metall zu erzielen.
Das Verbot der simbabwischen Regierung wird aber oft missachtet: Die Recherchen von Global Witness haben ergeben, dass immer noch große Mengen an Lithium-Erz per LKW aus dem Land gebracht werden. Darüber hinaus wurde Simbabwe Defence Industries, einem mit dem Militär verbundenen Unternehmen, das den Sanktionen der USA und der EU unterliegt, eine Sondergenehmigung für die Ausfuhr von Lithium-Erz nach China erteilt. Der Direktor des in Harare ansässigen Centre for Natural Resource Governance, Farai Maguwu, ist über diese Entwicklung entsetzt. "Obwohl sie keine einzige Lithium-Mine besitzen", so Maguwu gegenüber der DW, "haben sie eine Exportgenehmigung erhalten."
Lithium ein "Fluch"
Maguwu ist pessimistisch, was den Nutzen des Abbaus von Lithium für Simbabwe angeht. Dieser Reichtum an Lithiumvorkommen im derzeitigen Regierungssystem sei eher ein Fluch für das Land. "Wenn überhaupt, wird es das Land zu Fall bringen. Weil es keine Systeme gibt, die sicherstellen, dass das Land Einnahmen generieren kann, die in erster Linie den Gastgemeinden zugute kommen, die für die Kosten der Mine, den Verlust von Land, den Verlust der Artenvielfalt und den sozialen Eingriff in ihren Lebensraum aufkommen müssen", sagt er zur DW.
Ein Beispiel ist die Sandawana-Mine, in der zu Höchstzeiten Tausende nach dem Metall gruben. Doch Anfang 2023 wurde die Mine Berichten zufolge von Unternehmen übernommen, die Verbindungen zu Simbabwes regierender ZANU-PF-Partei und zum Militär haben. "Selbst dort, wo die Einheimischen legal abbauen und verkaufen können, schickt die Regierung bis an die Zähne bewaffnete Truppen, um die Menschen am Zugriff auf das Lithium zu hindern", so Maguwu.
Es gebe "kein Patentrezept" für das Problem der Korruption im afrikanischen Bergbausektor. Mehr westliche Bergbauunternehmen sollten in den Abbau von Lithium in Afrika investieren, da sie oft an strengere Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards und -Praktiken gebunden seien.
Furcht vor chinesischem Monopol
China hat praktisch ein Monopol für den Abbau von Lithium in Afrika. Nach Schätzungen der Beratungsfirma Benchmark Mineral Intelligence werden mehr als vier Fünftel bzw. 83 Prozent des für dieses Jahrzehnt prognostizierten Angebot des wertvollen Erzes in Afrika aus Projekten stammen, die zumindest teilweise chinesischen Firmen gehören.
Drei chinesische Bergbaugiganten haben 2022 in Simbabwe Lithium-Minen und -projekte im Wert von 678 Millionen Dollar erworben. "Die Beherrschung [des Lithiumbergbaus] durch ein einziges Land kann zu unerwünschten Ergebnissen wie Unterbewertung von Bodenschätzen, Steuervermeidung und Menschenrechtsverletzungen in diesem Sektor führen", heißt es in einem aktuellen Bericht der Zimbabwe Environmental- Law Association.
Global Witness-Forscher Robertson forderte die Europäische Union und die Vereinigten Staaten auf, für mehr Transparenz beim Abbau zu sorgen und die Aufsicht durch lokale Aktivisten zu verstärken, damit Regierungsführung verbessert und Korruption bekämpft werden könne. "Es kann nicht nur darum gehen, dass [die EU und die USA] versuchen, ihr eigenes Angebot an Mineralien zu erhöhen", sagte er.
Farai Maguwu betonte, die Erlöse müssten aus den Bergbauprojekten in Form von öffentlichen Gütern wie Straßen, Kliniken und Schulen in die Gemeinschaft zurückfließen. "Wir betrachten unsere nicht abgebauten Bodenschätze als unser natürliches Kapital, und die Menschen vor Ort, sogar die Kinder, sollten davon profitieren."
Aus dem Englischen adaptiert von Martina Schwikowski.