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Politik

Lokalwahlen werden zum Stimmungstest

22. November 2019

Am Sonntag wird in Hongkong eine Art Bezirksparlament bestimmt. Diese Wahl hat früher kaum jemanden interessiert. Wegen der anhaltenden Demos aber wird sie zu einem Referendum über die Protestbewegung.

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Hong Kong | Lokalwahlen werden zu Stimmungstest
Inmitten einer politischen Krise werden die Bürger von Hongkong zur Wahlurne gebetenBild: Getty Images/AFP/N. Asfouri

Mit Hochdruck bereitet sich die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong auf die ersten Wahlen in der Stadt seit Ausbruch der Anti-Regierungs-Proteste im Sommer vor. Zwar verfügen die Bezirksräte, die am Sonntag bestimmt werden, praktisch über keine Macht. Aber wegen der zuletzt immer heftigeren Zusammenstöße zwischen Polizei und radikalen Aktivisten gilt die Lokalwahl als wichtiger Indikator für die Stimmung in der Stadt.

Entsprechend aufgeheizt ist auch der Wahlkampf. Kandidaten aus dem gesamten politischen Spektrum berichten von Anfeindungen. Einem prodemokratischen Abgeordneten wurde ein Ohr abgebissen, ein unabhängiger Kandidat, der ebenfalls für die prodemokratische Seite antritt, berichtete, er sei beschimpft worden und man habe ihm Flugblätter entrissen.

Hong Kong | Lokalwahlen werden zu Stimmungstest
Unterstützung und Aufruf zur Stimmabgabe für die Wahl neuer BezirksräteBild: imago images/Xinhua

Eine andere unabhängige Kandidatin, die sich für das Regierungslager zur Wahl stellt, beklagte, Ladenbesitzer hätten sich geweigert ihr Wahlplakat aufzuhängen - aus Furcht vor radikalen Aktivisten. 17 Kandidaten wurden bereits vor der Abstimmung wegen des Vorwurfs von Aktivitäten im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen.

Hongkong | Menschenkette zur Unterstützung der Anti-Regierungsproteste
Unterstützer der Demokratiebewegung befürchten den Verlust von Sonderrechten, die jetzt noch für Hongkong gelten (Archivbild)Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Thian

Seit Juni demonstrieren immer wieder Zehntausende Bürger für Demokratie und gegen die Hongkonger Regierung, das als brutal empfundene Vorgehen der Polizei sowie den wachsenden Einfluss der kommunistischen Führung in Peking. Die frühere britische Kronkolonie Hongkong wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Einwohner genießen - anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik - viele Rechte wie Versammlungs- oder Meinungsfreiheit. Sie befürchten, diese in Zukunft zu verlieren.

Professor Willy Lam von der Hongkong Universität bezeichnete die bevorstehende Wahl als "Referendum der schweigenden Mehrheit, ob diese noch hinter den Protesten steht". Falls die Demokratieanhänger in die Nähe der 50-Prozent-Marke rücken, wäre dies "ein riesiger Erfolg für sie", so Lam.

Proteste in Hongkong
Tränengas gegen randalierende Demonstranten: Das Vorgehen der Polizei wird von vielen als zu brutal empfunden (Archivbild)Bild: Reuters/J. Silva

Zurzeit ist unklar, welches Lager triumphieren wird. Die Demokratiebewegung hofft auf eine hohe Wahlbeteiligung, um der unbeliebten pekingtreuen Führung in der Stadt einen Denkzettel zu verpassen. Zur Wahl registriert sind 4,1 Millionen Wähler - knapp 400.000 mehr als im Jahr 2015. Das könnte der Demokratiebewegung zugute kommen. 

Größere Protestaktionen sind für Sonntag nicht geplant. In einer Aktion werden junge Wähler allerdings ermutigt, sich früh zum Wahllokal zu begeben, ihren Ausweis mitzubringen und "keine schwarzen Hemden und Masken zu tragen".

Hongkong Protest gegen China & Ausschreitungen
Masken zum Schutz vor Tränengas: Ein von der Stadt verhängtes Vermummungsverbot war von einem Gericht als unverhältnismäßig zurückgewiesen worden Bild: Reuters/T. Peter

Gericht setzt Vermummungsverbot wieder in Kraft

Hongkongs Oberstes Gericht hat nämlich das vor Kurzem aufgehobene Vermummungsverbot vorläufig wieder in Kraft gesetzt. Wie Hongkonger Medien berichten, hatte die Stadtregierung das Gericht um die Aufhebung seiner Entscheidung gebeten, bis ein Berufungsverfahren abgeschlossen ist.

Das Anfang Oktober verhängte Vermummungsverbot war von dem Gericht als verfassungswidrig und zu weit gehend erklärt worden. Das im Rückgriff auf fast hundert Jahre altes koloniales Notstandsrecht verhängte Verbot von Maskierungen verstoße gegen das Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungsregion, befanden die Richter. Die Pekinger Zentralregierung kritisierte das Urteil scharf.

uh/jj (dpa, afp, rtr)