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Politik

Luftbrücke nach Lima stockt

23. März 2020

Deutschland hat begonnen, Staatsbürger zurückzuholen, die wegen der Corona-Krise im Ausland festsitzen. Doch viele kommen nicht weg. So wie Cornelia und Walter Ertmer, beide vorerkrankt, die in Peru gestrandet sind.

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Peru Coronavirus Walter und Cornelia Ertmer
Bild: DW/C. Ertmer

Das Happy-End ist greifbar nah. Cornelia und Walter Ertmer haben schon ihre Koffer gepackt. Eine Maschine der Lufthansa sollte sie am Montag vom militärischen Teil des Flughafens von Lima abholen, der internationale Flughafen ist bereits seit Sonntag geschlossen. Die beiden Rentner aus der Nähe von Gütersloh stehen auf einer Liste von 300 Deutschen, die im Zuge der Rückholaktion des Auswärtigen Amtes von Peru aus in die Heimat geflogen werden sollen - und auf dieser Liste sogar ganz oben, weil die ehemaligen Lehrer zum Kreis der besonders durch das Coronavirus gefährdeten Personen zählen. Ihr wurde vor sieben Jahren wegen Krebs ein Teil eines Lungenflügels entfernt, er hatte vor drei Jahren einen Schlaganfall und leidet unter Bluthochdruck.

Cornelia und Walter Ertmer machen die Nacht von Samstag auf Sonntag kein Auge zu, warten die ganze Nacht auf eine Bestätigung durch die Deutsche Botschaft, dass der Flug auch wirklich stattfindet. Am Sonntagmorgen klingelt dann endlich das Telefon in ihrem Hotel in Lima. Eine hörbar schockierte Mitarbeiterin der Botschaft ist dran. Der Flug hat im letzten Moment keine Landegenehmigung bekommen.

Rückholaktion für Deutsche komplizierter als gedacht

Es gibt derzeit viele Geschichten über Deutsche, die verzweifelt versuchen, in ihre Heimat zurückzukehren. Und auch Geschichten von überforderten Bürgermeistern, die nicht einmal davor zurückschrecken, mit Autos die Landebahn für Flugzeuge aus dem Ausland zu blockieren, wie jüngst im ecuadorianischen Guayaquil geschehen. Das Coronavirus sorgt dafür, dass in der globalisierten Welt wieder Landesgrenzen spürbar werden.

Immerhin: 120.000 der geschätzt 200.000 deutschen Urlauber im Ausland seien bereits wieder in der Heimat, sagt Bundesaußenminister Heiko Maas, jeden Tag kämen weitere 10.000 dazu. 50 Millionen Euro lässt sich die Regierung diese Rückholaktion kosten. 

Deutschland Coronavirus - Pk Außenminister Heiko Maas
"Jetzt widmen wir uns Ländern mit weiterer Entfernung", sagt der deutsche Außenminister Heiko MaasBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Deutschland werde "alles dafür tun", um deutschen Touristen die Rückkehr zu ermöglichen, hatte Maas vor einer Woche angekündigt. Das Beispiel von Cornelia und Walter Ertmer zeigt jedoch, dass auch das größte Engagement nichts nutzt, wenn sich ein Land wie Peru, aus welchen Gründen auch immer, quer stellt.

"Die Deutsche Botschaft ist verzweifelt. Sie arbeiten hart im Hintergrund, führen Verhandlungen, und dass das mit der Landeerlaubnis für den Lufthansa-Flug nach ihrem ganzen Engagement nicht geklappt hat, hat auch die Botschaft umgehauen", nimmt Cornelia Ertmer die deutsche Auslandsvertretung ausdrücklich in Schutz.

Neue gefährdete Gruppe: Deutsche mit Vorerkrankungen im Ausland

Doch die Deutsche macht sich gleichzeitig große Sorgen um ihren Mann. "Es geht ihm soweit gesundheitlich gut, aber dies kann sich in Ausnahmesituationen natürlich ändern. Und dies hier ist eine Ausnahmesituation wegen der psychischen Belastung."

Das Ehepaar macht aus der Not eine Tugend, schaut sich jeden Abend im Internet die Orte an, die am jeweiligen Tag ihrer Tour dran gewesen wären, wie die Ruinenstadt Machu Picchu. "Ein bisschen Masochismus muss sein", sagt Cornelia Ertmer mit einer großen Portion Galgenhumor.

Doch die Achterbahn der Gefühle und die ständige Warterei zermürbt, gibt die Rentnerin zu: "Dieses Eingesperrtsein zehrt an den Nerven. Man hat dann doch das Gefühl, in einem Gefängnis zu sein, auch wenn es in unserem Fall natürlich sehr luxuriös ist. Uns fällt hier zunehmend die Decke auf den Kopf."

Peru Coronavirus Schlange vor dem Supermarkt
Noch vor kurzem durfte die Peruaner zu zweit ohne Atemschutzmaske zum Supermarkt gehen, mittlerweile nur noch allein mit MaskeBild: DW/C. Eltmer

Seit einer Woche stecken die beiden in ihrem Hotel im Stadtteil Barranco fest. Nur der Gang zum Supermarkt ist erlaubt - allein und mit Atemschutzmaske. Die peruanische Polizei setzt die neuen Ausgangsbeschränkungen rigoros um, auch die Deutschen werden täglich kontrolliert. "Mittlerweile kennt man uns aber hier", sagt Cornelia Ertmer mit einem Lachen.

Rückflug nach Deutschland weiterhin ungewiss

Sie hat sich mit ihrem Mann vor einigen Tagen auch auf der der Plattform www.rueckholprogramm.de des Auswärtigen Amtes eingetragen - für die Deutschen, die wegen des Coronavirus im Ausland festsitzen. Die elektronische Erfassung "Elefand", mit der sich deutsche Urlauber normalerweise im Ausland registrieren, ist zwar immer noch aktiv, sei aber laut der Botschaft überlastet.

Wie es jetzt für Cornelia und Walter Ertmer und die anderen Deutschen, die ebenso in Peru gestrandet sind, weitergeht? "Wir wissen nichts Genaues und habe auch keine weitere Nachricht von der Botschaft erhalten", sagt Cornelia Ertmer. Auch die peruanischen Medien haben den Fall der festsitzenden Deutschen mittlerweile aufgegriffen.

Peru | Der peruanische Präsident Martin Vizcarra hält eine Pressekonferenz zu COVID-19
"Der peruanische Präsident Martín Vizcarra (m.) hat bei Corona erst gar nicht und dann panisch reagiert", sagt Cornelia ErtmerBild: picture-alliance/dpa/ZUMAPRESS/M. Bazo

Mit dem Wissen von heute würde sie eine solche Reise allerdings nicht mehr machen. "Als wir am 1. März nach Peru flogen, war die Corona-Krise eine Randnotiz in Deutschland. Als wir in Lima landeten, war das Virus in Peru noch gar nicht angekommen", schildert Cornelia Ertmer, "der erste Corona-Fall wurde hier im Fernsehen am 4. März vermeldet. Und der Präsident hat noch vor einer Woche gesagt, alles sei in Ordnung, Schließungen und Quarantäne seien nicht geplant."

Wenn auch nur im Ansatz von einer Pandemie die Rede sei, bleibe sie in Zukunft zu Hause, ist für die Deutsche die Lektion, die sie aus ihrer Geschichte gelernt habe. Und bis zu dem Rückflug, der hoffentlich dann doch irgendwann in den nächsten Tagen stattfindet, gilt für Cornelia Ertmer ihr Lebensmotto: "Kopf oben behalten. Wer weiß, wofür es gut ist."