Lula will es nochmal wissen
14. August 2002Ein ständig wachsender Schuldenberg, 80 Prozent-Bruttoinlandsverschuldung und 13 Prozent Wertverlust des brasilianischen Real gegenüber dem Dollar seit Anfang des Jahres. Dem lateinamerikanischen Land geht es nicht gut. Deshalb schaut die Finanzwelt mit Argusaugen auf die Präsidentschaftswahlen im Oktober. Und deshalb erhielt Brasilien jetzt auch den höchsten IWF-Kredit, den der Internationale Währungsfonds je vergeben hat: 30 Milliarden Dollar. Das Geld soll der angeschlagenen Volkswirtschaft neue Stabilität verleihen.
Insbesondere die Beliebtheit von Dauer-Kandidat Lula macht der Wirtschaft derzeit Sorgen. Lula, mit vollem Namen Luiz Inácio Lula da Silva, die Ikone linker Oppositionspolitik ist wieder Präsidentschaftskandidat der Arbeiterpartei, Partido dos Trabalhadores (PT).
Das Schreckgespenst der Finanzwelt
Der etwas schüchterne, bärtige Mann ist in diesen Tagen auf Wahlkampftournee. Er lässt sich schon zum vierten Mal als Präsidentschaftskandidat der PT aufstellen. Die Finanzwelt fürchtet einen Sieg des linken Oppositionspolitiker, denn statt Schulden zu bezahlen, gehe es Lula angeblich vor allem um zusätzliche Ausgaben.
Lula stört diese Kritik nicht. Er hat sich ein "gerechteres Brasilien" zugunsten der sozial Schwachen auf die Fahnen geschrieben. Der Politiker fordert in seinem Wahlprogramm, die Bezahlung der Schulden einzustellen und die Staatsausgaben umzuverteilen. PT-Strategen nennen diesen Weg "neue Prioritäten", die insbesondere sozial schwache Schichten unterstützen sollen. Beim Volk sammelt Lula mit seinen Thesen Pluspunkte. Immerhin kommt er derzeit bei Umfragen auf 35 Prozent. Konkurrent José Serra, Kandidat der jetzt regierenden Sozialdemokratischen Partei liegt gerade einmal bei 14 Prozent.
Nach Meinung einiger Experten lässt sich aber mit Lulas Wahlprogramm der wachsende Schuldenberg nicht abbauen. Im Gegenteil: So werde er nur weiter vor sich hergeschoben. Konsequenz wäre, dass Investoren am Ende noch weniger Vertrauen in die Wirtschaft Brasiliens hätten, sagt Nicolas Schlotthauer von der DekaBank. Volkswirt Horst Schöneborn von der WestLB in Düsseldorf meint im Gespräch mit DW-WORLD: "Wenn Lula gewinnt, kommt es im ersten Moment zu Kapitalabflüssen". Investoren würden abwandern.
Experten: Brasilien muss sparen
In den "neuen Prioritäten" sehen viele Wirtschaftsexperten daher eine Gefährdung der bisherigen Sanierungspolitik des Präsidenten Fernando Henrique Cardoso. Dieser hatte versucht, die brasilianische Währung zu stabilisieren, einen Sparkurs auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene zu fahren, und durch Wirtschaftsreformen das Land für ausländische Investoren attraktiv zu machen.
Dennoch: "Lula ist nicht so schlimm, wie die Märkte ihn sehen", meint Schöneborn. Er sei doch jetzt viel moderater als früher. Trotzdem sieht auch Schöneborn nur einen Weg, damit mehr investiert werde: "Die öffentlichen Defizite müssen durch Steuererhöhung und Verbesserung der Steuererfassung in Grenzen gehalten werden. Aber von Steuererhöhungen sei in Lulas Wahlprogramm keine Rede.