Maas hofft auf Versöhnung mit Ankara
6. September 2018Deutschland und die Türkei wollen nach vielen Monaten des erbitterten Streits wieder auf eine Normalisierung ihrer Beziehungen zusteuern. Die Außenminister Heiko Maas und Mevlüt Cavusoglu bekannten sich am Mittwoch nach Gesprächen in Ankara zu einer konstruktiven Zusammenarbeit. "Wir wollen unsere Beziehungen zur Türkei wieder verbessern", sagte Maas, der bei seinem Antrittsbesuch auch Präsident Recep Tayyip Erdogan traf. Ähnlich äußerte sich sein türkischer Amtskollege.
Kompromissbereitschaft nicht in Sicht
Cavusoglu will allerdings keine Bedingungen für einen Annäherungsprozess akzeptieren, während Deutschland die Freilassung von sieben in der Türkei aus politischen Gründen inhaftierten deutschen Staatsbürgern anmahnt. "Bei der Normalisierung kann es keine Bedingungen und auch kein Feilschen geben", sagte er. Die deutsch-türkischen Beziehungen waren unter anderem wegen der Verhaftungen Deutscher unter Terrorverdacht lange Zeit extrem schwer belastet. Die türkischen Behörden greifen seit dem gescheiterten Putschversuch vor gut zwei Jahren hart gegen mutmaßliche Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen durch, die die türkische Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht, aber auch gegen andere Oppositionelle. Viele Journalisten sitzen in der Türkei im Gefängnis.
Maas hat immer wieder auf eine Freilassung der deutschen politischen Häftlinge gedrungen. "Diese Fälle müssen gelöst werden", sagte er erst vergangene Woche. Bei der Pressekonferenz mit Cavusoglu wich er der Frage allerdings aus, ob es sich bei der Freilassung um eine Voraussetzung für die Normalisierung handele. Er sagte lediglich, dass er mit Cavusoglu über die Fälle gesprochen habe. "Wir haben vereinbart, dass wir darüber weiter in Kontakt bleiben. Und das wird auch sinnvoll und notwendig sein", sagte er. Trotz der Inhaftierten sollen die Weichen jetzt auf Versöhnung gestellt werden.
Den Menschen in Idlib helfen
Zu den zentralen Themen des Maas-Besuchs gehört auch die Lage in der syrischen Provinz Idlib. Bei einer Offensive gegen die letzte Rebellenhochburg in Syrien drohe eine humanitäre Katastrophe. Deutschland werde "alles dafür tun", um die, "die sich um eine politische Lösung in Syrien bemühen, dabei zu unterstützen, den Angriff auf Idlib und die drohende humanitäre Katastrophe zu verhindern", sagte Maas.
Cavusoglu mahnte eine bessere Zusammenarbeit mit Deutschland und der EU in der Flüchtlingsfrage an. "Natürlich gibt es hier eine Zusammenarbeit, aber das ist unzulänglich", sagte er. In Idlib leben neben Tausenden Rebellen auch rund drei Millionen Zivilisten. Die Türkei befürchtet, dass im Falle des Angriffs Millionen Menschen in Richtung Türkei fliehen könnten. Das Land beherbergt bereits mehr als drei Millionen syrische Flüchtlinge, auch wegen eines Flüchtlingspaktes mit der EU. Es sei nicht klar, wo bis zu zwei weitere Millionen Flüchtlinge hingehen könnten, sagte Cavusoglu. Der drohende Angriff auf Idlib sei nicht nur Sache der Türkei, sondern der Welt. Am Freitag findet ein von der Türkei organisierter Syriengipfel mit dem Iran und Russland statt. Die Türkei versucht seit Wochen fieberhaft, die Offensive zu stoppen.
Keine Finanzhilfen für Ankara
Hoch oben auf der Agenda des Besuchs stand auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die für die Türkei angesichts einer schweren Währungskrise besonders wichtig ist. Maas sprach sich erneut gegen Finanzhilfen für die Türkei aus. "Ich glaube nicht, dass es im Moment darum geht, über Hilfsmaßnahmen zu reden", sagte er. Aus türkischen Regierungskreisen war allerdings zu hören, dass die Türkei sich sowieso keine Finanzhilfen zur Bewältigung der Krise wünsche, sondern mehr Investitionen.
Maas wird an diesem Donnerstag auch deutsche Wirtschaftsvertreter treffen. In der Türkei sind mehr als 7100 deutsche Unternehmen aktiv. Über ihre Situation werden am 21. September auch die Finanzminister beider Länder in Berlin beraten. Im Oktober reist dann Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit einer Wirtschaftsdelegation in die Türkei.
Wenn Erdogan nach Deutschland kommt
Präsident Erdogan will am 28. und 29. September nach Deutschland kommen. Er bemüht sich weiter um einen öffentlichen Auftritt vor Landsleuten während seines Staatsbesuchs. "Es ist ganz normal für den Präsidenten, Menschen türkischer Abstammung zu treffen, wenn er nach Deutschland kommt", sagte Erdogans Sprecher und Berater Ibrahim Kalin. Er betonte aber, dass Erdogan Einvernehmen mit der deutschen Seite über einen solchen Auftritt herstellen wolle.
Der Präsident wolle die deutsch-türkischen Spannungen im Zusammenhang mit dem türkischen Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr hinter sich lassen. "Wir sollten in die Zukunft schauen. Das ist der Geist, in dem wir hierher kommen", sagte Kalin. Auftritte Erdogans in Deutschland hatten in der Vergangenheit heftige Proteste hervorgerufen.
haz/mak (dpa, afp,rtr)