Macher, Staatsmann, Weltbürger - 100 Jahre Helmut Schmidt
Am Tag vor Heiligabend wäre Helmut Schmidt 100 Jahre alt geworden. Der Hamburger war von 1974 bis 1982 der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Bis heute genießt er weltweit hohes Ansehen.
Als Schüler faul, aber belesen
Helmut Schmidt im Alter von 14 Jahren. Geboren in Hamburg-Barmbek, besucht er die reformorientierte Lichtwarkschule. Rückblickend sah sich Schmidt als "faulen" Schüler, der allerdings viel las. Seine Schule wird während der Nazizeit 1937 aufgelöst. Schmidt gehört zum letzten Jahrgang, der dort Abitur macht.
Die Unzertrennlichen
Schon mit zehn Jahren lernten sie sich in der Schule kennen und rauchten, wie es heißt, gemeinsam ihre erste Zigarette. Die Lehrerin und Biologin Hannelore "Loki" Schmidt war dann aber mehr als nur die Gattin ihres prominenten Ehemannes. Sie mischte sich gern in die Politik ein, als Kanzlergattin war sie beliebt. Das Paar blieb unzertrennlich, bis Loki 2010 starb - fünf Jahre vor Helmut Schmidt.
Koalitionsrunde
Hier schmieden sie die sozialliberale Koalition - herausragende Gestalten der FDP und der SPD brüten im Bonner Kanzlerbungalow über der Agenda ihrer Regierung ab 1969. Willy Brandt soll Kanzler werden. Helmut Schmidt, bis dahin Chef der SPD-Fraktion im Bundestag, wird kurz darauf Verteidigungsminister der Bundesrepublik.
Rauchende Colts
Gespanntes Warten am Wahlabend des 19. November 1972: In der SPD-Parteizentrale "Baracke" rauchen Schmidt, Herbert Wehner und der Parteivorsitzende Willy Brandt um die Wette, während sie die Auszählung am Fernseher verfolgen. Spitzname des Trios: "Rauchende Colts". Die Wahl endete mit dem größten Erfolg für die SPD in ihrer Geschichte.
Historische Gestalten
Bundeskanzler Willy Brandt (rechts) bei einer Vorstandssitzung der SPD in Berlin im Juni 1973. Helmut Schmidt war Finanz- und Wirtschaftsminister im Kabinett Brandts. Zur historischen Gestalt sollte kurz darauf auch der dritte Mann im Bild werden: Brandts Referent Günther Guillaume entpuppte sich als DDR-Spion. Brandt trat zurück. Helmut Schmidt wurde am 16. Mai 1974 neuer Bundeskanzler.
Deutsch-deutsche Mützenkultur
Schiffermütze (West) trifft Fellkappe (Ost). Beim seinem DDR-Besuch im Dezember 1981 verfolgt Schmidt eine Politik des "Wandels durch Annäherung". Das Bild zeigt ihn mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker vor dem Jagdhaus Hubertusstock am Werbellinsee beim Warten auf die Bonner Delegation. Der See gehörte zum privaten Jagdgebiet der DDR-Oberen. Schmidt wirkt wenig amüsiert.
Gegen den Husten
Schmidt gewinnt die Bundestagswahl von 1982 gegen Franz Josef Strauß (CSU). Er trifft Erich Honecker, den Staats- und Parteichef der DDR, der ihm hier, auf dem Bahnhof von Güstrow, ein Hustenbonbon schenkt. Kaum wieder im Westen, sieht sich Schmidt einer Serie von Demonstrationen gegenüber - gegen das Wettrüsten von Ost und West und die atomare Aufrüstung Westdeutschlands.
Müde Koalitionäre
Da teilen sie noch die Regierungsbank: Innenminister Gerhard Baum und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (beide FDP) dösen während einer Debatte im Bundestag neben Kanzler Schmidt. Doch im Spätsommer 1982 zerbricht die sozialliberale Koalition. Es gibt Streit über die Wirtschaftspolitik. Helmut Kohl (CDU) löst Schmidt als Bundeskanzler ab, als Chef einer christlich-liberalen Koalition.
Immer hart am Wind
"Er segelte, wie er Auto fuhr - immer hart am Wind", sagte der SPD-Politiker Hans Apel einmal über den politischen Weggefährten Schmidt. Segeln war Schmidts Hobby. Der Brahmsee in Schleswig-Holstein - sein bevorzugtes Revier. Hier konnte sich der als Workaholic geltende Schmidt entspannen. Hier schrieb er seine Bücher.
Der Terror-Herbst
Im Herbst 1977 erreicht der Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) seinen Höhepunkt. Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer wird entführt, kurz darauf die Lufthansa-Maschine "Landshut". Schmidt lässt das Flugzeug stürmen. Tags darauf begehen führende RAF-Mitglieder in ihren Gefängniszellen Selbstmord. Schleyer wird ermordet aufgefunden. Schmidt übernimmt die politische Verantwortung.
Gefragter Pianist
Bach lag Schmidt am Herzen. Er nahm Schallplatten mit dem London Philharmonic Orchestra auf und spielte mit den Hamburger Philharmonikern. Selbst in seiner Zeit als Kanzler setzte er sich nachts ans Klavier und spielte Bach‘sche Fugen. "Wenn er Klavier spielte, konnte er alles andere abstreifen", erinnert sich der Pianist Justus Franz an den prominenten "Kollegen". Ehefrau Loki hörte zu.
Hohes Ansehen
Schon bald nach Ende seiner Kanzlerschaft zog sich Schmidt aus der Politik zurück. Er wurde Mitherausgeber, zwischenzeitlich auch Verleger der Wochenzeitung "Die Zeit". Er engagierte sich in Stiftungen, schrieb Bücher und hielt Vorträge, nahm zahllose Ehrungen entgegen. Über seinen Tod am 10. November 2015 hinaus genießt Schmidt allerhöchstes Ansehen.
Der Altkanzler im Blick
Zum 100. Geburtstag Schmidts gibt es vielerorts Veranstaltungen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn etwa zeigt die Schau "Helmut Schmidt - Kanzlerjahre" mit Aufnahmen von Jupp Darchinger, dem Fotochronisten der Bonner Republik. Es gibt eine Sonderbriefmarke mit Schmidts Konterfei. Im Umlauf ist eine Helmut-Schmidt-Gedenkmünze. Hamburg erinnert mit einer Lichtinstallation an den großen Sohn.