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Politik

Machtkampf in der Ostukraine?

Roman Goncharenko
22. November 2017

Bewaffnete Männer ohne Abzeichen in Luhansk: In der ostukrainischen Separatistenhochburg spitzt sich offenbar der Machtkampf zu. Szenen in der Stadtmitte erinnern an die Annexion der Krim.

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Ukraine Innenstadt von Luhansk
Angespannte Stimmung in der Innenstadt von LuhanskBild: picture-alliance/dpa

Eine Kolonne von Dutzenden Armee-LKWs rollt in die Stadt bei Dunkelheit. Man sieht nur die Umrisse und die Scheinwerfer. Ein am Dienstag aufgetauchtes Amateurvideo zeigt vermutlich die Ankunft unbekannter Kräfte im ostukrainischen Luhansk, einer Separatistenhochburg, die Kiew vor kurzem zusammen mit Donezk als von Russland besetztes Gebiet eingestuft hatte. Die Szene erinnerte viele Ukrainer an die ersten Tage der russischen Annexion der Halbinsel Krim im Februar 2014. Dieser Eindruck wurde noch stärker als am Dienstag bewaffnete und vermummte Männer in Uniform ohne Abzeichen Straßen rund um das "Innenministerium" in Luhansker Stadtmitte abgeriegelt hatten.

Verlässliche Informationen über die Lage sind schwer zu bekommen, die Gerüchteküche über einen "Putschversuch" brodelt. Die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigte lediglich über den Nachrichtendienst Twitter die Präsenz von "Militärfahrzeugen und unbekannten bewaffneten Personen" in der Stadtmitte von Luhansk. 

Konflikt mit "Innenminister"

Separatistenanführer in Luhansk Igor Plotnizkij
Separatistenanführer in Luhansk: Igor Plotnizkij Bild: Vasily Maximov/AFP/Getty Images

Bisher deutet vieles auf einen Machtkampf zwischen dem Anführer der selbst ernannter "Volksrepublik" Luhansk, Igor Plotnizkij, und seinem "Innenminister" Igor Kornet, der vor wenigen Tagen entlassen wurde. Plotnizkij selbst sagte am Dienstag, die Lage werde sich "bald klären". Die genauen Hintergründe des Konflikts sind seitdem unklar.

Einigen Berichten zufolge soll es Ermittlungen gegen den "Innenminister" geben. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, illegal ein fremdes privates Haus in Besitz gebracht zu haben. Der 53-jährige Plotnizkij leitet die Luhansker "Volksrepublik" seit August 2014. Im August 2016 überlebte er einen Anschlag.   

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin sagte am Mittwoch, es handele sich um einen "Showdown" - nicht nur zwischen "Banditen", sondern auch zwischen russischen Geheimdiensten. Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Dmytro Tymtschuk teilte auf Facebook mit, die bewaffneten Männer ohne Abzeichen seien Vertreter einer privaten russischen Militärfirma. Deren Aufgabe sei es, den Konflikt zwischen Plotnizkij und Kornet nicht eskalieren zu lassen. Auch einige LKWs mit regulären russischen Truppen sollen über die nahe Grenze gekommen und nach Luhansk vorgestoßen sein, so Tymtschuk. Diese Aussagen lassen sich nicht überprüfen. Einige russische Medien berichteten am Mittwoch über eine angebliche Erstürmung der Staatsanwaltshaft in Luhansk und mehrere Verhaftungen. 

Russland bestreitet die Präsenz seiner regulären Armee in der Ostukraine. Dmitrij Peskow, Pressesprecher von Präsident Wladimir Putin, wollte sich zu den Ereignissen in Luhansk nicht äußern. Man beobachte die Lage.

Putin wertete Plotnizkij auf 

Es scheint unwahrscheinlich, dass Plotnizkij wirklich durch einen Putsch abgesetzt wird. Erst vor knapp einer Woche hat Präsident Putin den Separatistenanführer aufgewertet, in dem er zum ersten Mal mit ihm und seinem Pendant in Donezk, Alexander Sachartschenko, direkt telefonierte. Es ging um einen neuen Anlauf in dem seit Jahren stockenden Gefangenenaustausch mit Kiew. Der Gefangenenaustausch ist Teil der ebenfalls überwiegend unerfüllten Minsker Friedenvereinbarungen. Sollte es in Luhansk doch einen Machtwechsel geben, dürfte das auch den Minsker Prozess erneut bremsen oder vielleicht sogar in Frage stellen.  

Passierstelle an der Trennlinie unweit von Luhansk
Eine Passierstelle an der Trennlinie - unweit von Luhansk Bild: DW/F. Hofmann

Die ukrainischen Streitkräfte haben sich nach eigenen Aussagen auf eine mögliche Eskalation in dem bisher nur teilweise eingefrorenen Konflikt vorbereitet. "Wir erwarten eine neue Eskalation", sagt eine Quelle der Deutschen Welle in dem von Kiew kontrollierten Teil des Gebietes Luhansk.

Fusion zwischen Donezk und Luhansk? 

In Kiew wird inzwischen über einen weiteren möglichen Hintergrund der Ereignisse spekuliert - eine Fusion der "Republiken" Donezk und Luhansk. Der Donezker Anführer Sachartschenko hat bereits im Sommer die Gründung eines neuen Staates namens "Kleinrussland" vorgeschlagen. Luhansk reagierte damals auf diese Idee - allerdings ohne Begeisterung.