Malis Angst vor Ebola
11. November 2014Die Geschäfte laufen schlecht für Diawara Issaka. Früher ist der Malier mit seinem Fahrrad immer weit ins Innere Guineas gereist. Schwer bepackt mit Stoffen kam er dann zurück nach Mali, um sie auf den Märkten zu verkaufen. "Der Grenzverkehr zwischen Guinea und Mali war mein ganzes Leben", erzählt Issaka. Seit 19 Jahren betreibt er den Handel und konnte damit immer gut für seine Familie sorgen. Doch inzwischen traut er sich wegen der Ebola-Gefahr nicht mehr so weit ins Nachbarland hinein.
"Ebola hat alles kompliziert gemacht"
Ebola ist Gesprächsthema Nummer 1 in Kourémalé, der malischen Kleinstadt an der Grenze zu Guinea. Wie Liberia und Sierra Leone gehört Guinea zu den am stärksten von der Seuche betroffenen Ländern. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation haben sich in den drei westafrikanischen Ländern bisher mehr als 13.000 Menschen infiziert. Spätestens seitdem Ende Oktober ein an Ebola erkranktes Mädchen zusammen mit seiner Großmutter von Guinea nach Mali gereist war und dort wenige Tage später starb, wächst die Angst auch in der Grenzstadt Kourémalé. Seitdem hat sich in dem Ort viel verändert.
"Es hat hier alles sehr kompliziert gemacht", bestätigt auch Baye Diallo. Sie betreibt einen Handel in umgekehrter Richtung. Die junge Frau aus Guinea bringt Waren von Mali in ihr Heimatland. Zwar spürt sie, dass sie von den Menschen auf malischer Seite immer kritischer beobachtet wird. Trotzdem ist sie ihrem Nachbarland dankbar, dass sie überhaupt weiterhin die Grenze passieren darf. Die Elfenbeinküste etwa hat schon vor mehreren Monaten alle Verbindungswege nach Guinea gekappt.
Einreiseverbot wäre nicht wirksam
Die meisten Malier stehen trotz ihrer Ängste vor Ebola hinter der Entscheidung ihrer Regierung, die Menschen in Guinea nicht noch weiter zu isolieren. Die beiden Länder verbindet seit langem eine intensive Freundschaft. Das malische Bambara und das guineische Mandinka, zwei der am weitesten verbreiteten Sprachen in den beiden Ländern, sind eng miteinander verwandt. Doch es ist nicht nur ihre Solidarität, die die Malier dazu bewegt, die Grenze zum Nachbarland offen zu halten.
Für das Binnenland ist die Verbindung zum Hafen der guineischen Hauptstadt Conakry ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Außerdem wissen die meisten Malier, dass es ohnehin nicht möglich wäre, ein Einreiseverbot zu kontrollieren. Guinea und Mali gehören zu den ärmsten Ländern der Welt, nur wenige Abschnitte ihrer gemeinsamen Grenze werden überhaupt überwacht. Für Schwarzhändler war es schon immer üblich, Feldwege auf der hunderte Kilometer langen "Grünen Grenze" zu nutzen - auch wegen der weit verbreiteten Korruption bei Polizei und Grenzschutz.
Deshalb hält auch Mediziner Drissa Berthe eine mehr oder weniger kontrollierte Einreise aus dem Nachbarland für die bessere Option. Er ist der einzige Amtsarzt in der gesamten südlichen Grenzregion und hat damit einen der gefährlichsten Jobs - und einen der wichtigsten. In Drissas kleiner Gesundheitsstation landen unter anderem alle Ebola-Verdachtsfälle, also jeder, bei dem beim Grenzübertritt Fieber festgestellt wurde.
Infiziertes Mädchen bei Kontrollen übersehen
Ebola-Tests kann Drissa in seinem kleinen Zentrum nicht durchführen. Er kann nur hoffen, dass er bei Verdachtsfällen andere Krankheiten wie Malaria oder eine Lebensmittelvergiftung diagnostizieren kann, die das Fieber des Patienten erklären. Natürlich ist damit eine Ebola-Infektion auch nicht ausgeschlossen, aber zumindest deutlich unwahrscheinlicher. Dass er das mit Ebola infizierte Mädchen nicht rechtzeitig isolieren konnte, beschäftigt den Arzt sehr. Die Zweijährige war mit ihrer Großmutter auch über die Grenze von Kourémalé eingereist. Allerdings wurde sie erst gar nicht in die kleine Klinik gebracht. "Das Gesundheitspersonal an der Grenze hat sie schlichtweg übersehen", so der Arzt. Die Großmutter sei zur Untersuchung aus dem Fahrzeug ausgestiegen, aber niemand habe ihre kranke Enkelin auf dem Nebensitz wahrgenommen.
Seitdem seien die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verschärft wurden, versichert der Arzt. "Grenzbeamte und medizinisches Personal arbeiten nun enger zusammen. Sobald ein Auto kommt, kontrollieren sie es gemeinsam", so Drissa. Allerdings macht sich auch der Mediziner keine Illusionen, dass damit jeder Verdachtsfall identifiziert werden könne. Die Epidemie habe solche Ausmaße angenommen, dass einem letztlich wohl kaum etwas anderes übrige bleibe, als zu hoffen: auf einen Impfstoff gegen die Seuche.