Manchester United in der Krise
13. Mai 2005Manchester, Ort der Gegensätze: Auf der einen Seite die triste Arbeiterstadt, auf der anderen Seite das prunkvolle und mystische Stadion "Old Trafford".
In diesem Schmuckkästchen spielt der reichste Fußballverein der Welt. Auf den heiligen Rasen des Stadions laufen jede Woche millionenschwere Stars wie Wayne Rooney und Ruud van Nistelrooy ein; das Stadion ist fast immer ausverkauft. Doch jetzt bekommt auch das Vorzeigesymbol der Stadt Risse: teure Spielergehälter, astronomische Ablösesummen und zugleich sinkende Fernseheinnahmen haben dem börsennotierten englischen Top-Verein im ersten Halbjahr 2004/2005 (Ende Januar) einen deutlich geringeren Gewinn beschert.
Ernüchternde Geschäftsbilanz
Das Vorsteuerergebnis sank in den sechs Monaten bis zum 31. Januar um 54 Prozent auf 12,4 Millionen Pfund (rund 18 Millionen Euro). Gleichzeitig verbuchte "ManU" einen um 0,9 Prozent leicht gefallenen Umsatz von 91,6 Millionen Pfund. Die durchwachsene Geschäftsbilanz hat den Klub zu einem ungünstigen Zeitpunkt getroffen: Der amerikanische Milliardär Malcolm Glazer hatte schon seit Monaten seine Finger nach Manchester ausgestreckt. Glazer zählt zu den 250 reichsten US-Bürgern. Zudem ist er Besitzer des amerikanischen Football-Teams "Tampa Bay Buccaneers". Seit Donnerstag (12.05) ist er auch Mehrheitseigner beim englischen Traditionsklub.
Der 76-Jährige erwarb die Beteiligung von 28,7 Prozent der irischen Aktionäre John Magnier und JP McManus, die bisher das größte Einzelpaket im Besitz hatten. Erst durch deren Verkauf konnte sich Glazer die Mehrheit sichern. Zudem trennte sich der Schotte Harry Dobson von 6,45 Prozent seiner "ManU-Anteile". Mit Käufen von freien Aktien, steigerte er sein Gesamtvolumen auf über 70 Prozent. Im Anschluss daran kündigte seine Bank ein Übernahmeangebot für die restlichen Anteile an: Demnach will er 300 Pence je Anteilsschein bieten, wodurch der Verein 790 Millionen Pfund (1,16 Milliarden Euro) wert wird.
Chelsea als Vorbild
Dass ein englischer Top-Klub von einem Privatmann aufgekauft wird, passiert nicht zum ersten Mal. Im Jahr 2003 übernahm der russische Öl-Magnat Roman Abramowitsch den damals hoch verschuldeten Londoner Fußballverein FC Chelsea. Abramowitsch, der gleichzeitig auch Gouverneur von Tschukotka ist, steht in der aktuellen Liste der reichsten Russen auf Platz 1. Sein Vermögen wird auf rund 14,7 Milliarden US-Dollar geschätzt. Seit seinem Einstieg bei den "Blues", gab der Oligarch rund 500 Millionen Euro aus. Eine Investition, die sich ausgezahlt hat: Das Erreichen des Halbfinals in der Champions-League und der erste Gewinn der englischen Meisterschaft seit 50 Jahren sprechen Bände. Kein Wunder also, dass das Engagement des reichen Russen von Beginn an in Chelsea begrüßt wurde.
Zerreißprobe zwischen Fans und dem neuen Boss
Im Gegensatz dazu wehren sich die Anhänger von Manchester United mit aller Macht gegen die Übernahme und haben einen "Zermürbungskrieg" angekündigt. Auf einer Spontandemonstration vor dem Stadion brachten rund 1000 Anhänger ihren Ärger zum Ausdruck und drohten dem neuen Klubchef mit Parolen wie "Keine Kunden – kein Profit". Auch die Klubführung hatte sich stets gegen eine Übernahme gewehrt.
Die Gründe sind vielschichtig. Zum einen zweifeln die Übernahme-Gegner am Fußball-Sachverstand des US-Tycoons. Zum anderen bereiten ihnen die finanziellen Risiken der Transaktion sorgen. Angeblich soll der Klub mit Schulden in Höhe von 315 Millionen Pfund belastet werden. Als Sicherheit könnte wohl nur das Stadion dienen. Außerdem könnte Glazer bald alleiniger Herrscher in Manchester sein: Bereits ab einem Anteil von 75 Prozent wäre er in der Lage, den Klub uneingeschränkt zu führen und die Aktien vom Markt zu nehmen. Schwere Zeiten für den populärsten Fußballklub der Welt.
Einer dunklen Zukunft sieht auch Trainer Sir Alex Ferguson entgegen. Entgegen der bisherigen Führung, sollen Glazers Strippenzieher nicht allzu viel von dem Schotten halten und deswegen bereits eine Ablösung der Trainer-Legende in Aussicht stellen. (mu)