Neuer und Co. ohne "One Love"-Kapitänsbinde
21. November 2022"Die FIFA hat sehr deutlich gemacht, dass sie sportliche Sanktionen verhängen wird, sollten unsere Kapitäne die Armbinden auf dem Platz tragen. Dies ist in der Geschichte der Weltmeisterschaften ein einmaliger Vorgang", heißt es in der Erklärung der Fußballverbände aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Frankreich, England und Wales. "Wir sind sehr frustriert über die FIFA-Entscheidung. Wir haben die FIFA im September schriftlich über unseren Wunsch informiert, dass wir die 'One-Love'-Armbinde tragen wollen, um die Inklusion im Fußball aktiv zu unterstützen, und haben keine Antwort erhalten. Unsere Spieler und Trainer sind enttäuscht, sie sind starke Befürworter von Inklusion und werden ihre Unterstützung auf andere Weise zeigen."
Die Armbinden waren Teil einer Kampagne des europäischen Fußballs für Inklusion. Sie galten als Protest gegen die Gesetze des WM-Gastgebers Katar, der unter anderem Homosexualität unter Strafe stellt. Die Kapitäne der sieben WM-Teilnehmer wollten sie tragen.
FIFA mit eigenen Armbinden
Die FIFA hatte dafür mit Strafen gedroht. Im Raum standen Gelbe Karten für die Kapitäne, sollten sie mit One-Love-Armbinden zu WM-Spielen auflaufen, oder auch Punktabzüge für ihre Teams. Der Weltverband beruft sich auf die WM-Regularien, insbesondere die Ausrüstungsvorschriften, in denen es heißt: "Für FIFA-Finalwettbewerbe muss der Kapitän jeder Mannschaft eine von der FIFA gestellte Armbinde tragen."
Erst am vergangenen Freitag, zwei Tage vor WM-Beginn, hatte die FIFA eigene Kapitänsbinden mit Botschaften wie #FootballUnitesTheWorld" (Fußball vereint die Welt) oder #SaveThePlanet" (Beschützt den Planeten) vorgestellt. Die Binde mit der Aufschrift #NoDiscrimination, die eigentlich nur für das Viertelfinale geplant war, soll nun während des gesamten Turniers getragen werden dürfen.
DFB-Chef Neuendorf: "Weiterer Tiefschlag"
Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), der sich bereits am Freitag deutlich von FIFA-Präsident Gianni Infantino distanziert hatte, äußerte sich enttäuscht über das Verhalten der FIFA. Es handele es sich um einen "weiteren Tiefschlag", so Neuendorf: "Wir erleben einen beispiellosen Vorgang in der WM-Geschichte. Die von der FIFA herbeigeführte Konfrontation werden wir nicht auf dem Rücken von Manuel Neuer austragen." DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff sagte, es fühle sich "schon stark nach Zensur an".
Scharfe Kritik am Verhalten der FIFA kamen auch aus der Politik und von Menschenrechtsgruppen. "Selbst diese symbolische Geste der Solidarität mit LGBT-Personen wird von der FIFA und den Behörden in Katar nicht erlaubt", ließ Human Rights Watch wissen. "Sie sagen den Spielern im Wesentlichen, dass sie die Klappe halten und spielen sollen." Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wurde deutlich. Für alle Fußballfans sei die "FIFA als Weltfußballorganisation eine schlichte Schande", sagte Kühnert in Berlin.
Europa-Abgeordnete: "WM der Schande"
Vehemente Kritik am Binden-Verbot der FIFA gab es auch aus dem Europaparlament. Die liberale Abgeordnete Katalin Cseh aus Ungarn sprach bei einer Debatte am Montagabend im EU-Parlament von der "Weltmeisterschaft der Schande". Der Spanier Miguel Urbán, Mitglied der Linksfraktion, sprach sich für einen Boykott der Veranstaltung aus. Sozialdemokrat Niels Fuglsang aus Dänemark forderte FIFA-Boss Gianni Infantino sogar zum Rücktritt auf.
Zum Zeichen des Protests hatte die Abgeordnete Manon Aubry aus Frankreich die "One Love"-Armbinde während ihrer Rede angezogen. Es sei eine Schande das Armband nicht zugelassen zu haben, sagte die linke Politikerin. Am Donnerstag stimmt das EU-Parlament über eine Resolution zur Weltmeisterschaft ab.
Rückendeckung für die WM gab es lediglich aus dem rechten Lager. Der AfD-Politiker Nicolaus Fest sagte: "Wenn in Rom, verhalte Dich wie die Römer. Das sollten wir auch Katar zugestehen." Sein Parteifreund Maximilian Krah teilte mit, man müsse respektieren, dass Katar keine Regenbogensymbole im Stadion haben wolle.
sn/asz (sid, dpa)